Innere Unruhe in der Sternbuschklinik: Patienten verunsichert, Ärzte und Therapeuten frustriert, LVR kündigt „innovative Konzepte“ an


Der Bezug eines neuen Stationsgebäudes auf dem Gelände der LVR-Klinik in Bedburg-Hau war ein Ereignis, das aus Sicht der Verantwortlichen perfekt dokumentierte, wie gut es um die psychiatrische Versorgung der Menschen am Niederrhein bestellt ist. 23 Millionen Euro investierte der Landschaftsverband Rheinland, fünf Stationen aus der ehemaligen Wadtberg-Klinik konnten umziehen, der Wechsel erfolgte während des normalen Klinikalltags und verlief „reibungslos“.
Von einer „deutlichen Verbesserung der psychiatrischen Versorgung“ sprach die Ärztliche Direktorin der Klinik, Anita Tönnessen-Schlack. Nicht nur Patientinnen und Patienten würden sich in den „modernen, lichtdurchfluteten Räumen wohl fühlen“, sondern auch die Mitarbeitenden fänden „wesentlich verbesserte Arbeitsbedingungen vor“.
Anlass also für gute Laune, und Aufbruchstimmung, das sollte anlässlich der Eröffnung Ende August dokumentiert werden. „Qualität für Menschen“, so wirbt der LVR für seine Arbeit, und die Freude über das neue Stationsgebäude sollte diesen Anspruch unterstreichen.
Gerade einmal fünf Kilometer von diesem Neubau entfernt sieht die Welt des psychiatrischen Alltags allerdings ganz anders aus. Für viele Menschen aus Kleve und Umgebung ist die Sternbuschklinik in den vergangenen Jahrzehnten die erste und verlässliche Adresse gewesen, wenn es um die Behandlung von psychischen Erkrankungen ging.
Doch das ändert seit einiger Zeit: Ärzte und Therapeuten gehen oder werden versetzt und werden aufgefordert, „Patienten auszusortieren“. Patienten erhalten Anrufe, dass sie fortan nicht mehr behandelt werden können. „Es ist ein Trauerspiel“, sagt ein Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Welche Bedeutung die Klinik für die medizinische Grundversorgung hat, zeigt die Zahl von 2500 Menschen, die dort pro Quartal in der Ambulanz behandelt werden. Die Ärzte und Therapeuten kümmern sich um die gesamte Bandbreite der psychischen Störungen, von Depressionen über Angst- und Zwangsstörungen bis hin zu bipolaren Erkrankungen und Schizophrenie. Patienten, die zuvor stationär versorgt wurden, werden in der ambulanten Station weiter betreut.
Unter der Leitung von Oberarzt Dr. Adam Krakiewicz und unter der Aufsicht von Chefärztin Dr. Marie Brill waren fünf psychiatrische Fachärzte sowie weitere fünf Psychologen und Psychotherapeuten und natürlich Krankenpflegepersonal in der Ambulanz tätig. „Eigentlich wäre noch mehr Personal nötig gewesen“, so der Mitarbeiter. „Doch die neue Maxime ist: Lieber weniger Patienten behandeln.“
Den Kurs in der Sternbuschklinik bestimmt Anita Tönnessen-Schlack. Nach der Verabschiedung von Dr. Brill wurde sie vom LVR zur neuen Ärztlichen Direktorin ernannt. Ein neuer Stil hielt Einzug. Für die Sternbuschklinik bedeutete dies, dass immer wieder Ärzte und Therapeuten abgezogen wurden, um die Lücken in der Forensik zu stopfen. Eine Therapeutin, so wird berichtet, sei aus dem Urlaub zurückgekommen und habe erst beim Einschalten des Computers angesichts eines leeren Terminkalenders von ihrer Versetzung erfahren.
Dr. Krakiewicz ist mittlerweile im Ruhestand, ein anderer, langjähriger LVR-Kollege wechselte in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), weitere Kollegen haben gekündigt, Ersatz ist nicht in Sicht. Personalgespräche sollen mitunter etwas „ruppig“ verlaufen. Eine Warteliste wurde dem Vernehmen nach geschlossen, weil sie zu voll war. Unter der Hand werden Hinweise weitergereicht, was man seinem Hausarzt sagen soll, um dennoch eine Behandlung zu erzwingen.
Derzeit arbeiten in der Ambulanz nur noch drei Ärzte. Ein weiterer Arzt wird bald aus der Ambulanz versetzt und seine 500 Patienten mitnehmen. Die zwei Ärzte, die bleiben, reichen gerade einmal, um im Quartal 700 bis 800 Patienten zu behandeln, sodass rechnerisch eine Lücke von 1200 Patienten bleibt, die nicht mehr in der Sternbuschklinik versorgt werden können. Pro Quartal, wohlgemerkt.
„Es ist ein Skandal! Wir tragen etwas mit, das schief läuft“, so der Eindruck des Mitarbeiters. Das Geschehen zieht möglicherweise sogar Kreise über die Sternbuschklinik hinaus. In den vergangenen Monaten gab es zwei gravierende Vorfälle in der Forensik (eine Geiselnahme im Mai, eine Brandstiftung im August). Zumindest die Frage darf gestellt werden, ob die vielfachen Personalrochaden da eine Rolle gespielt haben können.
Der LVR wehrt sich gegen die Kritik aus den eigenen Reihen. In einer Stellungnahme der Kliniksprecherin heißt es: „Wir bestätigen gerne noch einmal, dass die LVR-Klinik Bedburg-Hau mit ihren Ambulanzteilen, so auch dem in der Sternbuschklinik in Kleve, auch in Zukunft ihrem Versorgungsauftrag nachkommt.“ Die Frage, ob Patienten „aussortiert“ werden, blieb unbeantwortet. Man sei derzeit dabei, Verbesserungen und innovative Konzepte in unseren Psychiatrischen Institutsambulanzen einzuleiten und umzusetzen, hieß es stattdessen.
Der Landschaftsverband Rheinland (Köln) teilte in einer Stellungnahme mit: „Die LVR-Klinik Bedburg-Hau passt Ihre Behandlungsangebote und Strukturen an sich ändernde Rahmenbedingungen, z.B. an die demographische Entwicklung oder Behandlungserfordernisse, an. Diese Anpassungen können auch Veränderungen in der Organisation oder Personalstruktur einzelner Bereiche bedeuten und haben das Ziel, die uns anvertrauten Menschen angemessen und bedarfsgerecht entsprechend unseres Versorgungsauftrags zu behandeln und zu betreuen. Aktuelle Veränderungen dienen z. B. der Verbesserung der Gemeindenähe und dem Angebot spezialisierter Behandlungen und wirken sich positiv auf die Situation der Patienten aus. Wir bitten um Verständnis, dass wir uns darüber hinaus zu internen Arbeitsprozessen nicht äußern.“
Es ist einfach eine Schande wie Dr. Krakiewicz behandelt worden ist! Das ne...
@102.Frau K.J das ist eine Demütigung für seinen Einsatz zum Wohl Psychi...
Auf einmal hörte ich telefonisch, dass mein Psychiater weg ist. Ich habe m...
@Gdansk das kann ich nachempfinden keiner der fehlenden Psychiater und P...