Ein neuer Blick aufs alte Kleve

Kleve von oben (Foto: Stadtarchiv/Rund um den Schwanenturm)

Die erfolgreiche Entschärfung der Weltkriegsbombe am Königsgarten lenkte vor einer Woche noch einmal den Blick auf die Zerstörungen, die die Stadt zum Ende des Zweiten Weltkriegs durch die beiden Bombenangriffe erleiden musste. Da fügt es sich, dass in der soeben erschienenen Zeitschrift Rund um den Schwanenturm, herausgegeben vom Klevischen Verein, gleich zwei Luftaufnahmen veröffentlicht werden, die in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind und die zeigen, wie das alte Kleve einmal ausgesehen hat. Autorin Wiltrud Schnütgen schreibt zu dem Bild „Gesamtansicht Bad Cleve“ (siehe oben), nur wenig von dem, was die Ansicht zeige, stehe heute noch – von der Schwanenburg und der Stiftskirche einmal abgesehen.

Die Aufnahme, die als Ansichtskarte im Verlag der Buchhandlung Hintzen erschienen und im Bildarchiv des Stadtarchivs Kleve zu finden ist, zeigt, wie sehr sich die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat (und nicht alles davon ist den Verwüstungen des Krieges geschuldet). Der Fotograf befand sich etwa über dem Marktplatz Linde, der selbst aber nicht auf dem Bild zu sehen ist. Er wäre unter der rechten unteren Ecke angesiedelt.

Das lang gestreckte Gebäude im linken unteren Drittel ist das Herz-Jesu-Kloster, heute eine Seniorenresidenz. Links am Bildrand findet sich die Kirche an der Böllenstege. Die Innenstadt selbst wirkt wie ein Gewusel aus kleinen, hutzeligen Dächern. Zwei große Gebäude inmitten der Kleinteiligkeit fallen auf: Etwas weiter vorne die damals noch quer zur Hagschen Straße gebaute Post, etwas weiter hinten ein ebenfalls querliegender Kasten, der die Kreissparkasse beheimatete. Dort befindet sich heute die Neue Mitte.

Links vom Burghang steht die alte reformierte Kirche (heute mehrere Geschäftshäuser an der Großen Straße oberhalb von Kiesow). Am rechten Bildrand fallen zwei monumentale Gebäude auf: Das untere ist das alte Kolpinghaus (das neue steht etwa an der gleichen Stelle), dahinter war damals noch das Mädchenlyzeum Marienschule, das im Krieg zerstört wurde. Das alte Jugendheim Kalle, mittlerweile auch schon abgerissen, war etwa an dieser Stelle.

Gut zu erkennen ist auch die Synagoge – links von der Stiftskirche, auf dem Foto gleich neben der linken Turmspitze. Oben rechts sieht der Betrachter die Bahnlinie, darunter, von Bäumen gesäumt, die Kalkarer Straße, und noch ein Stück darunter ein kleiner Strich, offenbar eine Art Feldweg – heute die großzügige bebaute Straße In den Galleien.

Auch über diesen Beitrag hinaus bietet die Zeitschrift Rund um den Schwanenturm, die für 4,50 Euro im Buchhandel erhältlich ist, reichlich interessanten Lesestoff. Susanne Hentschel berichtet aus der Stadtchronik von vor 200 und vor 100 Jahren, Katrin Bürgel widmet sich dem Gastspiel des Weltzirkus‘ J. Holzmüller, Clemens Giesen stellt seine Idee einer Zeitscheibe an der Marktstraße vor, und Julian Krause sucht die Spuren des Zweiten Weltkriegs im Reichswald, die in digital aufbereiteten Ansichten gut zu erkennen sind.

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3 Kommentare

  1. 3

    Das Bauhelferchen lobt mal wieder seine eigene Immobilie 😉
    Architektonisch ansprechend geht übrigens anders …

     
  2. 2

    Messerjocke:
    Die Idee mit der Postkarte in 100 Jahren, wie sieht Kleve aus, hat was.
    Wer sich in Kleve umschaut, sieht einiges an größere Baustellen an interessanten Orten.
    Kleve entwickelt sich weiter und dehnt sich aus. Und das ist gut so. Op de Botter wurde fertig gestellt, das Bahnhofsgelände wird sich entwickeln, Am Rinderschen Deich wird aktuell ein Wohnbauprojekt am Rande von Kleve im Grünen errichtet, Schulen werden neu gebaut und die GEWOGE erstellt fünfgeschossige Wohnhäuser in Brückennähe. Das die 50er Jahre Architektur weicht, kann man zum Beispiel an einem Architektonisch gelungenem Haus direkt neben dem Kolpingshaus erkennen. Wirklich sehenswert. Auch das Projekt Begegnungsstätte vor der Stiftskirche sieht sehr ansprechend aus. Ich bin guter Dinge, dass wir unseren Kindern und Enkeln ein schönes Kleve hinterlassen werden. Allen Mitwirkenden, an den von mir beschriebenen Projekten, wünsche ich weiterhin gutes Gelingen.
    Dann klappt das schon mit der Postkarte, von dem schönen Städtchen Kleve, in 100 Jahren.

     
  3. 1

    Dies zeigt, wie langsam unser Zeitempfinden ist. Gerade Städte, ihre Gebäude oder auch ein Wald, der Lauf des Flusses scheinen sich nie zu ändern. So war uns die Steady-State-Theorie, deren Grundgedanken sich auch schon in einem Manuskript von Einstein finden lassen, angenehm, als Alternative zur Urknall-Theorie.

    Das, was ich bereits kenne, gibt mir ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. Häufig nehmen wir lieber Unglücklichsein in Kauf, als wirklich etwas in unserem Leben zu verändern. Immer wieder können wir feststellen, dass Menschen nur dann etwas ändern, wenn sie wirklich nicht mehr anders können. Sozusagen mit dem Rücken an der Wand stehen. Davor gab es aber oft einen langen Leidensweg.

    Sehr oft hören wir dann auch Aussagen wie „es könnte ja noch schlechter sein“. In der Ansicht sind Niederrheiner ohnehin Experten. Und wenn man dann konkrete Änderungsvorschläge anbietet, kommt postwendend ein „Ja schon, ABER …“ zurück. Sofort finden sich Gründe und Argumente, die sich gegen jeglichen Veränderungsvorschlag aufbauen.

    Wir Menschen neigen nun mal dazu, uns das Schlimmste auszumalen. Ja, wir sind sehr gut darin, Risiken und Gefahren vorwegzunehmen und uns auf das Schlimmste gefasst zu machen. Die Entscheidungspsychologie zeigt in eindrücklichen Experimenten, dass wir empfindlicher für Verluste als für Gewinne sind. Es schmerzt uns beispielsweise mehr, den schlechten Job zu verlieren, als die Chance auf einen guten Job zu verpassen. Der Glaube, dass es besser wird, steht sehr oft hintenan. Lieber bleiben wir also bei den altbekannten Leiden.

    Bei der Gelegenheit: Aus diesen Zutaten kochen Parteien wie die AfD und konservative Kreise der CDU & FDP auch gerne ihr Süppchen (Umvolkung, Überfremdung, Ökosprit für den Porsche, „wir müssen nix ändern, die Wissenschaft wird schon etwas erfinden“ usw.). Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie gerissen Vertreter dieser Gruppen uns Menschen an der Nase herumführen.

    Ich war in der Zeit mit dabei, als sich der Hafen, das Zollgebäude alles in eine Hochschule verwandelte. Ich sehe das Haus meines Vaters, 1970 akribisch mit Modellen geplant, die vielen Details und Überlegungen sehe ich immer noch, meine Kindheit– aber das wird, alleine schon wegen des technischen Standards heutzutage, was Energieversorgung, Energieeffizienz anbelangt, nicht mehr ewig Bestand haben. Wer braucht schon einen Kasten mit 280m² Wohnfläche und Heizkörpern, die mit 70°C Vorlauftemperatur gefüttert werden müssen? 1970 war das schick.

    Was ich am Tod, der mich auch irgendwann abholen wird, am meisten ärgert, ist der Umstand, nicht mehr sehen zu können, wie sich mein Umfeld weiter entwickelt. Verdammt! Ein Luftbild von Kleve in 100 Jahren, aus dem Jahr 2123! Das wäre was, oder? Was steht dann noch? Die gruselige Architektur aus den 50 Jahren nach dem Krieg wird dann wohl hoffentlich verschwunden sein. Die Burg bleibt, war ja schon immer da? Wie viele gute Pommesbuden gibt’s dann noch? Pommes, dreifach Mayo mit Ketchup, Zwiebeln drauf! Isst bzw. kennt das dann überhaupt noch jemand?