Das Horneck schließt – die letzten Stunden im Tempel der goldenen Kartoffelstäbchen

Michael Heinzel mit der Frikandel XXL: 30 Zentimeter, die wirklich 30 Zentimeter sind

Dreimal noch wird Michael Heinzel die Fritteuse anwerfen, das darin enthaltene Fett auf 170 °C erhitzen (nicht heißer wegen der Acrylamide) und dann, wie an so vielen Abenden in den vergangenen zehn Jahren, fahlgelbe Kartoffelschnitze in das verwandeln, was die Kunden in Scharen in seine Imbissbude an der Materborner Allee getrieben hat – goldene, krispe Pommes Frites.

Hopper. Imbissversion: Lecker essen an der Straßenecke. Im Glasfenster links sind noch Scheiben mit dem Logo von Hannen Alt.

„Tempel der goldenen Kartoffelstäbchen“, so wurde das Schnellrestaurant schon vor acht Jahren im Magazin Der KLEVER betitelt. Doch die Kunst, mithilfe einer Fritteuse in Minutenschnelle schmackhafte Gerichte zu zaubern, findet am Sonntag im Horneck ein bedauerliches Ende. Michael Heinzel, 62, wird an diesem Tag die Fritteuse für immer ausschalten. Und damit stirbt die letzte echte Imbissbude im Stadtgebiet. Wer weiter Pommes essen will, wird diese natürlich auch noch bekommen, doch meist rotiert in diesen Gaststätten auch ein Fleischspieß.

I’m in heaven

Bei Michael Heinzel war das anders. Wer durch die gläserne Theke in die Auslagen blickte, entdeckte Kaassoufflee, Satékrokette, Fleischkrokette, Bami, Gulaschkrokette, Frikandel, Kipkorn, Gemüsekrokette, Viandel, Loempia – im Grunde ein All-Inclusive der niederländischen Gourmetküche.

Sobald Michael Heinzel abends aufgeschlossen und die Rollladen hochgezogen hat, steht das Telefon nicht mehr still. Viele Kunden holen ihr Abendessen für sich und ihre Liebsten dort ab, obwohl der Fachmann weiß, dass der Transport des Frittierguts insbesondere den Pommes nicht gut tut (sie werden pappig). Besser ist es also, die Speisen direkt im Lokal an einem der Resopaltische zu verzehren, mit einer Flasche Bier, zu der sich stilgerecht als Glas der Willibecher gesellt.

Bei meinen Besuchen dort habe ich Menschen vor Tellern sitzen sehen, die an Mittelgebirge erinnerten, als sie serviert wurden, und die Minuten später aussahen wie die niederrheinische Tiefebene. Mir persönlich reichte in der Regel schon ein Paar Fleischrollen in der Spezialversion plus eine mittlere Pommes, um angenehm gesättigt durch den Rest des Abends zu tänzeln.

Hau rein!

Aber warum ist nun Schluss damit? Es hätte doch einfach ewig so weitergehen können. Immerhin blickt das Imbissrestaurant schon auf eine Geschichte zurück, die ein halbes Jahrhundert währt. Ältere Kunden kennen noch die Zeit, als sich Grillhähnchen im Fenster drehten.

Es ist nicht der Trend zu gesünderer Ernährung, der dem Lokal den Garaus bereitet hat. Darauf ist Michael Heinzel sogar eingegangen, es gibt auf der Speisekarte gleich zehn vegetarische Snacks, beispielsweise Bitterballen mit Austernpilzen (top!), vier Stück für nur 3,90 Euro.

Verantwortlich für das Ende sind die gestiegenen Kosten. Im vergangenen Jahr hat sich allein viermal der Preis für die Kartoffeln erhöht. Doch das noch gar nichts gegen die Stromkosten, die schon vorher nicht unerheblich waren – schließlich mussten die Fritteusen die ganze Zeit auf Temperatur gehalten werden. „Um die gestiegenen Kosten aufzufangen, müsste ich fünf Euro für eine kleine Portion Pommes nehmen – und da ist die Mayonnaise noch nicht eingerechnet“, sagt Michael Heinzel. „Da stimmt die Relation einfach nicht mehr.“

Guten Tag, was darf’s sein?

In den vergangenen drei Monaten hat er schon auf seinen eigenen Verdienst verzichtet. Das Team, das ursprünglich aus fünf Leuten bestand, ist zusammengeschrumpft. Heinzel führt das Restaurant gemeinsam mit seiner Frau Annette, auch der Sohn hat mitgeholfen.

Heinzel hofft zwar, dass sich noch ein Nachfolger findet, aber kann er ihm oder ihr guten Gewissens ein solches Geschäft ans Herz legen? Die Bedingungen für die Gastronomie sind schwierig geworden – und womöglich für kleine Schnellrestaurants an einer Straßenecke nicht mehr zu stemmen.

Deine Meinung zählt:

17 Kommentare

  1. 16

    @ 14 „SpoyBoy“:

    Einen „Imbiss Super 2000“ gibt es in der Merowinger-Straße 83 – 85.

     
  2. 12

    So ein netter Mensch, unglaublich. Immer freundlich und mit einer Ruhe und Hingabe bei der Arbeit.
    Ich wünsche einen wohlverdienten Ruhestand.

     
  3. 11

    Ach ja, Herrn Heinzel wünsche ich alles Gute,Beste für die Zukunft und ein Dank für die leckeren Jahre.

     
  4. 10

    Heißluftfriteuse gegen Pommesbude. Ich hab auch so ein Ding (XXL) und ehrlich gesagt, dass Ding fluppt. Niederländische Spezialitäten bei 2Brü. Eingekauft- ab in die Friteuse – supi. Aber ab und an geh ich auch mal gerne welche holen/kaufen in der Pommesbude – da scheint Goch ja mittlerweile mehr Auswahl zu haben als Kleve.

    Letztens wollte ich mal nen Döner holen – 6,50 Euro ?
    In Oberhausen Centro Pommes Mayo Currywurst 7-10 Euro?

    Nee, dat geht so nich weiter…zur Not „YUMYUM“ Suppe 0,69 Ct.-geht immer und macht nicht dick.

     
  5. 8

    @SpoyBoy Der Pommesmann von Super2000 hat einen Imbiss an der Merowinger Straße.

    Gibt es bei Materborner Stuben jetzt auch Döner oder zählt der Laden für den Verfasser einfach nur nicht als Imbiss? Oder ist dort auch geschlossen und ich habe es verpasst?

     
  6. 7

    Und der nette Pommesmann früher am Super2000, wo ist der geblieben? Ist er noch unter uns und gehts ihm gut?

    Ebenso (leicht andere Branche) Faaßens Frischdienst mit dem so originalen schrillen Klingelton am Samstag nachmitag. Toll! 🙂

    Die gute Gertrud Ingenbleek aus Rindern (früher als kleiner Junge Unmengen von den leckeren Trüller-Chips gekauft, mit 1cm Würzschicht drauf, soooo lecker! – gibts auch nicht mehr) auch vor kurzem erst in gesegnetem Alter verstorben. Dankbares Gedenken, R.I.P.! 🙂

    Wer kennt noch die Gaststätte Toonen in der Arntzstrasse?

     
  7. 5

    Und wieder eine Institution in Kleve weniger.
    Bei Familie Rissel habe ich schon nach der Realschule gefuttert – und zwar Pommes mit Senf (!) – denn Mayo kostete Geld und Senf war kostenlos 👍
    Aber auch mit Michael selber geht wieder ein Original. Immer freundlich, hilfsbereit und gleichbleibende Qualität. Manchmal dauerte es etwas länger – denn Michael frittierte mit Stoppuhr für das optimale Bräunungsergebnis!
    Liebe zu seiner Arbeit, den Gästen und zum Erhalt einer Traditionsbude prägten Michael.
    Mich macht so etwas sehr traurig –
    hier gibt es kein Stützungsprogramm wie bei Juniper – ist halt nur “ der kleine Mann“.

     
  8. 4

    Immer gerne die Qualität war top.
    Sehr schade baer unter den gegebene Umständen vollkommen nach zu vollziehen.

    Alles Gute.

     
  9. 3

    Schade d’rum. War immer sehr lecker dort zu speisen. Ich persönlich, wenn ich die Pommes Frites zuhause zubereite: nur noch per Heissluftfritteuse (ohne Fett) seit ca. 2 Jahre. Dauern etwas länger bei der Zubereitung; allerdings sind die bei mir auch knusprig und lecker (auch ohne Fett!). Fleischrollen gehen da auch wunderbar zubereitet. Kann ich nur empfehlen.

     
  10. 2

    Da blutet mein Herz. Horneck Grill. Auch für Vegetarier einfach eine echte Pommesbude geblieben. Da bleibt nur ein großes DANKE!