Nationalpark Reichswald, ach was!, Internationalpark

Guter Wald, schlechter Wald

Dass in Kleve Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604-1679) als Landschaftsgestalter hochverehrt wird, hat nicht unbedingt dazu geführt, dass seine Mentalität auf die folgenden Generationen übersprungen ist. Die bedeutendste landschaftsgestalterische Maßnahme der vier Jahrhunderte nach der Zeit des Fürsten war vermutlich der Bau des Klever Rings (1975-1979). Doch nun gibt es eine neue Idee, die Geschichte schreiben könnte.

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hat für die schwarz-grüne Landesregierung einen Prozess angestoßen, an dessen Ende NRW nach dem Nationalpark Eifel einen zweiten Nationalpark erhalten soll. Aber welchen? Bei der Vorstellung der Idee nannte Krischer den hiesigen Reichswald, und es darf vermutet werden, dass der Landtagsabgeordnete Dr. Volkhard Wille ihm dies soufflierte. In einem ersten Reflex gab es bei zwei Politikern, die mit der Region verbunden sind, diplomatisch ausgedrückt Vorbehalte. Landrat Christoph Gerwers benutzte das Wording „sorgsam abwägen“, Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen, vor nicht allzulanger Zeit ebenfalls noch Landrätin, brachte ein Statement heraus, das damals von kleveblog als „Nein mit 127 Buchstaben“ charakterisiert wurde.

Doch mittlerweile gibt es einige Gruppen, die eher die Chancen eines solchen Projektes sehen, allen voran der Naturschutzbund NABU, der am Dienstag zu einem Spaziergang durch den Tiergartenwald eingeladen hatte, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Für Dietrich Cerff, den Leiter der NABU-Naturschutzstation in Kleve, ist das Projekt Nationalpark Reichswald „eine einmalige Chance“.

Vor Douglasien: Dietrich Cerff (Leiter NABU-Naturschutzstation Kleve)

„Der Reichswald ist der größte naturnahe Wald im nordwestdeutschen Tiefland, weshalb der Status Nationalpark angemessen wäre“, so Cerff. Dort, wo sich über Jahrhunderte Buchen und Eichen ausbreiten konnten, sei eine besondere Lebensgemeinschaft entstanden, der vielen Tierarten eine Heimat biete. Es gebe allein fünf Specht- und ein Dutzend Fledermausarten, dazu eine hohe Dichte an Greifvögeln.

Doch das ist nur die eine Seite des Reichswalds. Die andere, das sind Nadelbaum-Monokulturen, die entstanden sind, als nach dem Krieg die verheerten Waldflächen schnell wieder aufgeforstet werden sollten. Cerff: „Der Reichswald ist im Krieg schwer beschädigt und danach stark geplündert worden.“ Als der Biologe vor 20 Jahren nach Kleve kam, waren 55 % des Reichswaldes Nadelwald. Mittlerweile haben die Laubhölzer wieder überhand genommen, was zum einen daran liegt, dass die Fehlentwicklungen der Nachkriegszeit korrigiert wurden, zum anderen aber daran, dass Stürme und Borkenkäfer die Kiefern stetig dezimiert haben. Wenn der Reichswald Nationalpark werden sollte, so Cerff, gehe es darum, die Waldflächen wieder in Richtung des ursprünglichen Zustands zu entwickeln. „Das ist eine Herausforderung“, sagt Cerff.

Wer vom Parkplatz Hirschpfuhl nach Norden in den Wald läuft, stößt schon nach wenigen 100 Metern auf ein Waldstück, das exemplarisch für die Probleme ist. Links eines Weges findet sich eine mittelalte Buchenschonung, rechts davon ragen Douglasien in den Himmel, eine nordamerikanische Baumart, die eigentlich am Niederrhein nichts verloren hat.

Doch der Waldumbau ist nicht die einzige Herausforderung für die Förderer des Projekts. Die empfohlene Größe für Nationalparks liegt bei etwa 10.000 Hektar. Die infrage kommenden Gebiete des Reichswald umfassen nur rund 5000 Hektar. Allerdings nur dann, wenn man in nationalstaatlichen Dimensionen denkt. Der Reichswald aber beruht auf Strukturen, die Jahrtausende alt sind – Stichwörter Eiszeit, Stauchmoräne. Das alles findet sich genauso auf heute deutscher wie niederländischer Seite, und so entstand die Idee, einen grenzüberschreitenden Nationalpark zu konzipieren – mit weiteren 4000 Hektar Wald- und Moorgebiet auf niederländischer Seite. Das Ganze wäre sozusagen ein Internationalpark.

Gerd Engler (Heimatverein Nierswalde)

Die niederländischen Organisationen, in deren Besitz die Gebiete sind, zeigten sich von der Idee angetan. Und auf deutscher Seite holten die Verantwortlichen des NABU die Heimatvereine der Ortschaften, die am oder im Reichswald liegen, mit ins Boot. „Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Adalbert Niemers (NABU- Kreisverband Kleve). Beim Spaziergang waren dabei: Rolf Wagener (Heimatfreunde Materborn), Gerd Engler (Heimatverein Nierswalde), Bernd Thönnesen (Verkehrs- & Heimatverein Kessel) sowie Henny Brinkhof (Werkgroep Milieubeheer Berg en Dal). Die Vereine einzubeziehen ist ein cleverer Schachzug, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Projekt wohl nicht nur auf begeisterte Zustimmung stoßen wird.

Denn natürlich würde es sich verbieten, in einem Nationalpark Windenergieanlagen aufzustellen. Insbesondere aber auf die Kalamitätsflächen (durch Borkenkäfer oder Stürme zerstörte Areale) haben die Investoren ein Auge geworfen. Und auch die wirtschaftliche Nutzung des Waldes wäre vorbei. Allerdings werde das meiste Holz ohnehin verbrannt, so Cerff, „Das ist eine Verschwendung“, sagt er.

Auf der Habenseite wären ein „Boost für die Diversität“ (Cerff), positive Auswirkungen aufs Klima, neue Perspektiven für Erholung und Tourismus sowie für Umweltbildung und der weitreichende Schutz des Trinkwassers.

Dass dies insgesamt ein Plus gibt, davon muss der Kreis Kleve überzeugt sein und dann bis März 2024 eine Bewerbung einreichen. Bei der Hochschule hatte der Kreis damit zuletzt Erfolg gehabt. Ob das auch bei den Nationalparks gemacht wird und gelingt?

In Konkurrenz stehen sechs Regionen mit großen Flächen in Landesbesitz: das Egge-Gebiet (Höxter, Paderborn), das Ebbegebirge (Olpe, Märkischer Kreis), der Arnsberger Wald (Hochsauerlandkreis, Soest), der Hürtgenwald (Aachen, Düren) sowie der Rothaarkamm (Siegen).

So berichtete der WDR (Lokalzeit Duisburg): Nationalpark Reichswald

Deine Meinung zählt:

14 Kommentare

  1. 13

    @12.
    Ich gehe davon aus, dass 9. missverständlich wahrgenommen wurde …….

    Es ist mir bewusst, dass Landesgartenschau und Ladenleerstände eigene Themen sind.
    Daher sollte es auch nur eine hinweisende Überlegung in Zusammenhang mit Tourismus sein, der eigentlich nicht für einen Nationalpark bestimmt wäre.

     
  2. 12

    Eine Einheit von Naturschutzgebieten und Nationalpark … das wäre so genial und würde die Region vor allem bewahren, was Leute sich noch ausdenken werden, von allgemeinen Flächenversiegelungen über Kiesabbau, Strom- oder sonstige -Trassen bis hin zu Windkraftanlagen etc. (Bei Windkraftanlagen ist diesen Sommer schon die 1000-Meter-Abstandsregel gefallen. Es soll ja Windräder geben, aber nicht im Wald, denn den brauchen wir dringend zur CO2-Reduktion und zu Erholung in ursprünglicher Umgebung.)

    Möchte nicht wissen, was mit der Düffelt wäre, wenn sie nicht, zusammen mit Kellener Altrhein und Flussmarschen, als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden wäre.

    Das, was wir so selbstverständlich als Heimatregion mit ihren Highlights betrachten, ist nicht selbstverständlich. Man muss sich nur angucken, wie überall, wo Natur nicht geschützt wird, gebaggert, gebaut, versiegelt wird.

    @9 Landesgartenschau und Ladenleerstände sind eigene wichtige Themen.

     
  3. 11

    Wenn der Reichswald ein Nationalpark werden würde, dürfte ihm keiner mehr einen Ast krümmen.

    Man müsste sich eher Sorgen machen, wenn es so weiter geht wie bisher.

    Der Nationalpark Eifel ist sowas von naturbelassen…

    Die Vorstellung, dass in einen Nationalpark Reichswald Horden von Menschen einfallen, halte ich für unrealistisch. Aktuell nutzen auf jeden Fall zu wenige den Wald. Wenn ich da bin, begegne ich selten jemanden. Bin allerdings nicht auf den Hauptwegen unterwegs.

    @8 Sie sprechen die Windkraftanlagen an, die verhindert wurden. Sehe ich auch so, wenn alles so weiter geht, dann stehen die irgendwann wieder zur Diskussion. Dann würde dicker Betongrund in den Waldboden gegossen und zig Bäume gefällt. Was sind dagegen schon ein paar Mülleimer.

    Btw: Was ist eigentlich mit dem Wolf, der letztlich in Uedem gesichtet wurde? Läuft der im Reichswald rum?

    Wir warten am besten ab, bis der Reichswald Nationalpark ist und dann verbreiten wir, dass da ein Wolf wohnt, uah, dann kommt keiner mehr… Wäre aber auch schade.

     
  4. 10

    Nationalpark Reichswald – ein Träumchen!

    Aber eine Bewerbung ohne Konzept und umfassende Information aller Beteiligten/Betroffenen schürt nur wieder Skepsis.
    Eine Kombination aus Naturschutz und gelenktem Umfeld würde nicht nur ein einzigartiges Biotop, sondern auch einen zusätzlichen Wirtschaftsfaktor schaffen.
    Für den Kreis Kleve ein tolles Statement zu Natur und Ökologie – aber mit umsichtiger Errichtung von angemessener Gastronomie, von Weiterbildungsmöglichkeiten, Rangern, Tierstationen, Informationen etc. auch weitere Arbeitgeber.
    Da man ja im Kreis Kleve so ziemlich ALLES geplättet hat, was an Industrie, Mittelstand und Gewerbe Geld gebracht hat, ist die verantwortungsvolle Weiterentwicklung als Urlaubs/Erholungsstandort um so wichtiger.

    Zum Thema Windkraft:
    Wenn man nicht immer alles mit Brechstange und dem Pochen auf rechtliche und technische Machbarkeit durchzuprügeln wünschte, hätte man auch mehr Akzeptanz.
    Es gibt Beispiele, in denen durch die Beteiligung der Einwohner durch:

    -verbilligte Strompreise
    -Vermeidung von Windanlagen in Sichtachsen
    -Einbringung der Stromanbieter in städtische
    Projekte
    -Kooperationen mit PV-Unternehmen durch
    Roof-to-rent- Möglichkeiten

    mehr Akzeptanz geschaffen wird.

     
  5. 9

    Mir selber ist bekannt, welche Voraussetzungen und Folgen für einen Nationalpark sein müssen.

    Leider wurden schon Stimmen, bezüglich vermehrter Tourismusmöglichkeiten, laut.
    Deshalb meine Fragestellung in Komm. 5.

    Es muss nicht unbedingt der Reichswald in einen Nationalpark umgewidmet werden. Man kann auch einfach so durch den wunderbaren Wald gehen.

    Für Tourismusmöglichkeiten würde sich z.B. die, Landesgartenschau 2029, anbieten.
    Kleve ist prinzipiell eine schöne Stadt. Es müsste nur mehr kreative Ideen gegen Ladenleerstände geben.

     
  6. 8

    Mehr Touristenströme bedeutet mittelfristig Ausbau der Infastruktur (Parkplätze, Mülleimer, Toiletten etc.), also widerspricht genau dem, was derzeit erhaltenswert ist (Unberührtheit).
    Einziger Grund für den Nationalpark wäre: die Riesenwindräder in Grafwegen zu verhindern !
    aber selbst die würden dann noch irgendwie als grün verkauft werden. 🙁

     
  7. 7

    Ein Nationalpark ist ein besonderes Schutzgebiet, das vor wirtschaftlicher Ausbeutung bewahrt wird. Es geht um den Erhalt des Ökosystems und in diesem Fall wird die Wiederherstellung der natürlichen Bewaldung angestrebt. Dafür gibt es entsprechende Fördermittel. Bei einem Nationalpark kann es nur um sanften Tourismus gehen.

    Ein grenzüberschreitender Nationalpark würde gut in eine Region passen, die sich eine deutsch-niederländische Kooperation auf die Fahne geschrieben hat. Stichwort Euregio.

    Nach der Hochschule wäre ein (Inter)Nationalpark ein weiterer Meilenstein, der in die Zukunft weist.

     
  8. 6

    Klasse! Fűr die Natur, mit respect fűr das Teil vom Endmorene das an die andere seite der Grense in entwickelung war und ist. Mann kőnnte endlich alle naturentwickelung biotop verbinden und arten schűtzen (statt vernichten oder ignorieren). Junges Wald speichert sehr viel co2.
    Fűr die culturgeschichte wobei vor der 1e weldkrieg schon gelebt und gelieb und gearbeitet wurde über die grense hinweg und es viel armut gab. Auch aber oft an beide seite in Dörfer das gleiche plat gesprochen wurde.
    Aus respect fűr die riesige Streit die es hier gab, als erinnerung an Alle Opfer bis heute im Krieg. Das Wald verbindet in vieler art und wiese.
    Naturlich auch ein economischer boost weil es gibt sehr viel naturtourisme. Auf jeden fall schon lange an die Niederländische seite. Seit corona immer mehr. Auch das wűrde mőglich viel verbindung geben. Das Reichswald ist ein super Wald.

     
  9. 3

    Ich halte immer noch die Verbindung NATIONALPARK +“REICHSWALD FOREST WAR CEMETERY“ für eine ganz besondere Möglichkeit der Erinnerung an die Alliirten die uns von der NS Zeit befreit + deren Opfer nach der „Schlacht im Reichswald “ da auch ihre RiP gefunden haben. ( siehe Operation Veritable ! )

     
  10. 2

    Selten hat mich eine Nachricht so glücklich gemacht. Ich habe immer davon geträumt, dass viele Menschen meinen Wert (für sie) erkennen, und ich will meinen Teil dazu beitragen, dass das Vorhaben klappt. Die Grenze hat mich noch nie interessiert.

    Heute Abend stoßen meine Laub- und Nadelhölzer an. Ein paar Fledermäuse wollen auch vorbei kommen.

    Prost!

     
  11. 1

    Mmuuh, ich vermmuuuhte mal, dass – ween überhaupt – nur eine internationale Bewerbung bei der EU oder so Erfolg haben könnte. Stattdessen wird es allein schon aus Gründen des Proporzes vermmuuuhtlich zu einem zweiten Nationalpark in Westfalen kommen, mmuuuh links des Rheins gibt es ja schon einen Nationalpark. Linksrheinisch würde zudem vermmuuuhtlich auch vieles für den Hürtgenwald sprechen, mmuuuh aber als zusätzliche Schutzfläche. Denn der geschichsträchtige Hürtgenwald mit zahlreichen Blutbuchen der anderen Art grenzt im Süden fast vollständig an den Norden des schon vorhanden Nationalparks Eifel, mmuuuh, naheliegende Erweiterung mit dem Rursee mittendrin.