Zum neunten Mal wird am heutigen Donnerstag im Museum Kurhaus der Johann-Moritz-Kulturpreis der Stadt Kleve verliehen, Preisträger ist der langjährige Chef der Einrichtung, Guido de Werd, das Preisgeld beträgt 10.000 Euro, oder, wie der Namensgeber der Auszeichnung vielleicht sagen würde: zwei Sklaven*.
„Zweifellos handelt es sich um einen denkwürdigen Preis, der den Namen des brandenburgischen Statthalters Kleves im 17. Jahrhundert, der zuvor in Brasilien unterwegs gewesen war und Kleve nach dem Dreißigjährigen Krieg ein internationales Flair zurückgab, trägt“, schreibt die Stadt Kleve auf ihrer Website über den Preis. „Unterwegs gewesen war“, das stimmt zwar, trifft es aber eben nur halb. Als Gouverneur der niederländischen Kolonie in Südamerika sicherte Johann Moritz die wirtschaftlichen Interessen der niederländischen Plantagenbesitzer militärisch ab und sorgte dafür, dass die an die für den Betrieb nötigen Sklaven kamen. Dieses System nutzte er auch in eigener Sache und verdiente daran mit, wie nicht zuletzt der Historiker Dr. Erik Odegard vor wenigen Wochen im Museum Kurhaus mit viel Liebe zum Detail darstellte – es sei beispielsweise an das Monogramm von Johann Moritz erinnert, dass sich auf einem zeitgenössischen Bild als Brandzeichen auf der entblößten Brust einer Afrikanerin fand.
Das alles ist der Stadt Kleve aber auch bewusst, die Untersuchungen der Geschichtsforscher finden auf der Website der Stadt ebenfalls Erwähnung. Dazu der Hinweis: „In naher Zukunft werden daher Überlegungen zu einer potenziellen Umbenennung des Kulturpreises der Stadt Kleve sowie einer in der städtischen Kulturlandschaft präsenteren historischen Einordnung der Vergangenheit Johann Moritz von Nassau-Siegens anstehen.“ Die Preisträgerinnen und Preisträger sollten sich bedenkenlos mit der Auszeichnung identifizieren können und diese als wahre Anerkennung großen Schaffens verstehen.
Diese Überlegungen sind offenbar schon weiter gediehen als bisher bekannt, sodass Guido de Werd vermutlich der neunte und letzte Preisträger ist, der die Auszeichnung unter diesem Namen erhalten wird. Wie kleveblog erfuhr, ist die entsprechende Drucksache im Rathaus bereits in Auftrag gegeben worden. Demnach soll die Auszeichnung künftig einfach nur noch „Kulturpreis der Stadt Kleve“ heißen.
Die Frage ist allerdings, was mit weiteren Rückständen von Johann Moritz von Nassau-Siegen in Kleve passieren soll:
- Nassauerallee
- Moritzpark
- Café Moritz (im Museum Kurhaus)
- Prinz-Moritz-Saal (im Kreishaus)
- Prinz-Moritz-Grabmal (Uedemer Straße)
Die bisherigen acht Preisträger:
- 1992 – Dr. Friedrich Gorissen
- 1995 – Prof. Dr. Gieseler
- 1996 – Fritz Getlinger
- 2003 – Cinque Kleinkunst und XOX-Theater
- 2007 – Freundeskreis Museum Kurhaus Kleve & Koekkoek-Haus Kleve e.V.
- 2009 – Städtische Singgemeinde Kleve e.V.
- 2012 – Prof. Boguslaw Jan Strobel
- 2017 – Theater im Fluss
Was weiß man eigentlich über Johann Moritz von Nassau-Siegen privat?
So gut wie nichts: Der Historiker Odegard sagte in seinem Vortrag, dass es zu Johann Moritz keinerlei privaten Dokumente gibt, in allen bekannten Dokumenten tritt er stets als Funktionsträger auf. Johann Moritz wurde am 17. oder 18. Juni 1604 als Sohn des Grafen Johann VII. von Nassau-Dillenburg und von Margarethe von Schleswig-Holstein-Sonderburg geboren und hatte insgesamt 24 Geschwister und Halbgeschwister, von denen viele im Kindesalter starben. Die überlebenden Brüder traten – wie er selbst – allesamt in auswärtige Militärdienste, da die Erträge der kleinen Grafschaft bescheiden waren. Nach vielen beruflichen Stationen wurde Moritz 1674 Gouverneur von Utrecht und zog sich 1676 ins Privatleben zurück. 1678 setzte der unverheiratet gebliebene und kinderlose Fürst seinen Neffen und Adoptivsohn Wilhelm Moritz von Nassau-Siegen testamentarisch als Mitregenten für das Fürstentum Nassau-Siegen und als Erben des protestantischen Landesteils ein. Johann Moritz von Nassau-Siegen starb am 20. Dezember 1679 in Berg und Tal bei Kleve. Der Bau- und Gartenkunst, mehr noch einer großräumigen Landschaftsgestaltung galt seine besondere Leidenschaft. Als Johann Moritz 1679 starb, hatte der Fürst, dessen Motto bereits in jungen Jahren Qua patet orbis (Soweit der Erdkreis reicht) lautete, dank seiner geografisch weit gestreuten Ämter von Brasilien bis in die Neumark zahlreiche Residenzen und Landschaften gestaltet.
*Diese Berechnung ist natürlich nur näherungsweise und beruht auf den Angaben der folgenden Website, für deren Richtigkeit wiederum nicht garantiert werden kann: https://giacomo-casanova.de/geld.htm
Ich kann mich Klaus™ nur anschließen und Guido de Werd beglückwünschen. Das Thema des Namens des Preises interessiert mich an dieser Stelle nicht.
Es macht Sinn, denke ich, sich die Frage zu stellen warum er den Preis bekommen hat. (Die Richtlinien sind unter verlinkt)
Ich habe die Laudatio leider nicht hören können aber vielleicht wird diese auf der städtischen Website, oder hier, veröffentlicht was ich begrüßen würde.
Andreas Daahms hat jedoch in der Nrz einiges bemerkenswertes geschrieben.
(https://www.nrz.de/staedte/kleve-und-umland/kleve-kulturpreis-fuer-de-werd-arbeiter-fuer-die-kunst-id239844631.html)
Das GdW alleine 600 Stücke von Mataré gespendet hat, macht deutlich wie selbstlos er sich der Kunst gegenüber verpflichtet sieht. Wer von uns würde das tun? Der Geld-Wert lässt sich schnell überschlagen.
Derartige Menschen sind über selten und auch in Kleve. Anton Zylstra ist auch so jemand der Millionen, ohne Tamtam für die Stadt spendet. Beide verdienen die Ehrenbürgerschaft ist meine persönliche Meinung aber Herr Zylstra zuerst den er ist fast 100. Da hat GdW noch etwas Zeit.
Als GdW das Bild „souvenir de cleve“ von B.C. Koekkoek ersteigert hat kam er mir zufällig entgegen, Er sagte; „40 Jahre habe ich dafür gebraucht – und jetzt gehe ich das Geld besorgen“ Er lachte dabei freudestrahlend. Es ging dabei um eine ¼ Millionen €. Dieser Optimismus war und ist ansteckend.
Ich finde es aber besonders erwähnenswert das Guido de Werd in Nijmegen gewohnt hat und sowohl dort als auch in Kleve nicht nur ‚gearbeitet‘ sondern auf beiden Seiten gleichermaßen gelebt hat. Er war ein Grenzgänger der die Grenze aufgehoben hat. Er hat den Kulturraum NiederrheinLande gelebt und mich immer wieder aufs Neue mit seinem enzyklopädisches Wissen erstaunt und begeistert.
Dieses Wissen war nicht auf die Kunstgeschichte begrenzt. Er kannte in Kleve jedes Haus und jeden Stein ebenso eine unüberschaubare Menge der dort wohnenden, Verwandtschaftsgrade und natürlich welche kunsthistorischen Schätze sich dort befanden. Er hat sich immer wieder in das politische Geschehen in Kleve eingemischt und sich mit rhetorischer scharfer Eleganz zu Wort gemeldet. Der Titel, hier bei Kleveblog, ,Störfeuer aus Nahost‘ hat mir seinerzeit besonders gut gefallen. Er hatte öffentlich die Denkpause unterstützt und die Verwaltungsspitze hat wohl daraufhin seine Rentenansprüche in Frage gestellt und prüfen lassen!. Guido de Werd war immer stolz darauf mit keinen Politiker jemals ein Bier getrunken zu haben. Er war und ist wohl unbestechlich und ein Kritiker ohne persönliche Belange.
Sein Vorschlag Johann Moritz dem Namen nach für den Kulturpreis zu tilgen und stattdessen Anarchasis Cloots ein zu setzten würde diesem Umstand Rechnung tragen.
Gesellschaftliche Missstände kritisieren ohne dabei persönliche Interessen zu verfolgen und sich gleichzeitig für das Gemeinwohl zu engagieren.
Mit dem Umbennen der oben aufgeführten Straße, Park etc. ist es so eine Sache. Von Denkmalen, die den offensichtlichen Zweck haben eine bestimmte Person zu ehren, abgesehen sollen Namensgeber durch nach ihnen benannte Straßen, Plätze und Parkanlagen eine Ehre zuteil und an sie erinnert werden. Das ist in der Tat schwierig, wenn es sich um eine Person handelt, die nach heutigen Maßstäben eindeutig nicht moralisch vertretbar gehandelt hat und dazu gehört Sklavenhandel definitiv. Ich glaube, dass es trotzdem nicht die einzig mögliche Lösung ist, die Namen der Straße etc. zu ändern. Meiner Ansicht nach wäre es ebenfalls ein gangbarer Weg darüber zu informieren was der Namensgeber oder die Namensgeberin getan hat, was aus heutiger und teilweise auch schon aus zeitgenössischer Sicht nicht richtig war oder sogar die Würde vieler Menschen verletzt hat.
Es geht doch vor allem um die Frage, ob ein Preis, ein Park nach ihm benannt sein sollte. Ob man ihn besonders hervorheben sollte. Es geht nicht um ein posthumes Gerichtsurteil.
Das mit dem Preis muss nicht vor dem bekannten Hintergrund.und lässt sich ohne viel Aufwand aufheben.
Es ist ja auch nicht so, dass es „nur“ um eine Haltung geht, sondern auch um Handlungen, für die Besagter heute jahrelang hinter Gittern verschwinden würde.
Und was ist bei der Argumentation wie in 3 dann mit den Nazis? Holocaust, Zwangsarbeit usw. usw. Wo ist die zeitliche Grenze?
@3 Welche vergleichbare Schuld haben Sie auf sich geladen, dass Sie sich nicht zugestehen wollen, menschenverachtendes Verhalten auch so einzuordnen? Und sprechen Sie da bitte nur für sich.
Was glauben Sie, woher der Rassismus kommt, der bis heute besteht?
Ob uns ein moralisches Urteil zusteht, sei dahingestellt. Aber auch vor 300 Jahren haben Menschen gewusst was sie anderen Menschen antun, wenn sie sie versklaven. Sicher, es gab damals noch nicht die aufgeklärte demokratische Gesellschaft in Deutschland. Aber Unrechtsbewusstsein hat auch zeitlose Anteile. Nicht alles war dem Zeitgeist unterworfen.
Frühe Gegner der Sklaverei:
https://m.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/sarah-lentz-untersucht-fruehe-gegner-der-sklaverei-in-deutschland-17107412.html
3.) Kritik von Dir ist mir immer willkommen ?? ? Also sollte der Kulturpreis mit seinem Namen ? schlicht +ergreifend doch erhalten bleiben ,weil der „Stifter „? einfach, für uns heute schwer zu begreifen , nur Produkt seiner Zeit war, wie auch viele andere Größen der „Aufklärung“ ??
Ich schließe mich dem Vorredner Guenter Hoffmann ausdrücklich nicht an. Aber ist es das, wonach wir vor mehr als 300 Jahren verstorbene Menschen beurteilen sollten? Wie sie ihrerzeit zur Sklavenhalterei gestanden haben? Steht uns diese moralische Beurteilung zu? Angesichts des Umstandes, dass bisher noch jede Generation Schuld auf sich geladen hat. Seien wir nicht selbstgerecht.
Zuerst einmal einen herzlichen Glückwunsch an Drs. Guido de Werd, der seit mehr als 50 Jahren regionale, nationale und internationale Kunst in den zwei Klever Museen aufgebaut und geleitet hat und auch heute noch intensiv begleitet. Die Würdigung ist bestimmt berechtigt.
Persönlich finde ich eine Umbenennung in „Kulturpreis der Stadt Kleve“ sinnvoll. Ein zeitlicher Rythmus bei der Vergabe in den Vorjahren ist nicht zu erkennen. Wäre es nicht sinnvoll z.B. einen 3-Jahres Rythmus zu etablieren, um die Bedeutung der Kulturschaffenden in Kleve regelmäßiger in den Fokus zu rücken.
Ich sehe das mal so ! Wenn heute Figuren (?) Aktienpakete der Massen + Völker mordenden Waffen Industrie ,wie z.B. RHEINMETALL ,MANNESMANN ,BOEING, LOCKHEED u.v.m. haben, sich damit ein gepflegtes Leben leisten, sehe ich keinen Unterschied zu den ,für uns, Charakter Krüppeln der damaligen Zeit die sich an den, profitablen „Früchten“ der Kolonien bedienten.
By the way, die Vita des Voltaire wäre zum Thema auch interessant , evtl. auch nur ein „Kind“ seiner Zeit oder auch nur Gerüchte ? ?