Drogenkurier mit 73, Freilassung mit 78 (ca.)

Tabletten wie diese brachte der Kurier in Deutschland zur Post

Reichlich malade präsentierte sich der 73 Jahre alte Angeklagte aus ’s-Hertogenbosch der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve. Er schaffte es in der Klever Schwanenburg kaum die Treppen hoch zum Gerichtssaal A 105, dort atmete er erst einmal eine Zeit lang schwer und rasselnd in seine FFP2-Maske. „Lunge kaputt“, erklärte er dem Vorsitzenden Richter Gerhard van Gemmeren , „und das Herz arbeitet auch nicht mehr richtig.“

Angesichts der prekären gesundheitlichen Verfassung dürfte sich Bernardus L. seinen Lebensabend also anders vorgestellt haben als das Landgericht es gestern nach einem kurzen Prozess verfügte: Fünf Jahre und sechs Monate muss der Niederländer hinter Gitter, weil er sich nach Auffassung des Gerichts in sechs Fällen der Drogeneinfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Drogenhandel in jeweils nicht geringen Mengen schuldig gemacht hatte.

Ein hartes Urteil, das sich jedoch in eine Reihe ähnlicher Entscheidungen aus Kleve fügt, die jeweils den gleichen Hintergrund haben. Irgendwelche Menschen finden in den dunklen Bereichen des Internets verlockende Angebote, und die dahinter steckenden Lieferanten haben ihren Sitz in den Niederlanden. Die Dealer sind aber nicht so blöd, die Drogen persönlich zu verschicken, dafür finden sie irgendwelche Dummen, die die heiße Ware dann aus den Niederlanden schmuggeln und von deutschen Postfilialen aus in alle Welt versenden.

L. gehört zweifelsohne in diese Kategorie. Der gelernte Handwerker hatte 40 Jahre als Mädchen für alles für einen Projektentwickler gearbeitet, die letzten zehn Jahre dann war er Geschäftsführer in einem Ferienwohnpark. Erst Anfang 2021 hatte er sich zur Ruhe gesetzt. Dann sei ein „Pit“, dessen weitere Identität im Dunklen blieb, an ihn herangetreten mit der Frage, ob er noch etwas arbeiten wolle.

Er müsse nur ab und an ein paar Pakete in Deutschland bei der Post aufgeben. Der Rentner berechnete Zeit und Aufwand inklusive Spritkosten und sagte zu – für einen Pauschaltarif von 250 Euro pro Fahrt. Der Dealer war einverstanden, und so kam es Mitte des vergangenen Jahres zu sechs Fahrten, bei denen etwa ein halber Zentner an Amphetaminen sowie auch geringeren Mengen an MDMA, Heroin und Kokain an Empfänger in aller Welt verschickt werden sollten.

Die Mengen an Drogen konnten von der Anklage sehr genau beziffert werden, weil L. bei seinen Fahrten von Anfang an unter Bewachung der Polizei stand. Egal, ob er an der Post in Kranenburg, in Kleve an der Hagschen Straße oder am Bahnhof oder in Elten Waren aufgab, die Ermittler folgten ihm auf dem Fuße und konfiszierten die Päckchen. Die deutschen Polizisten hatten einen Hinweis aus den Niederlanden bekommen, und im Gegensatz dazu, wie die Strafverfolgungsbehörden im Nachbarland mit diesen Delikten umgehen, werden Drogenvergehen in Deutschland noch mit einigem Nachdruck verfolgt.

Der Drogenkurier äußerte sich vor Gericht bereitwillig zu den Fahrten, sagte aber, dass er selbst sich keine Gedanken darüber gemacht habe, was in den Päckchen enthalten sei („vielleicht Geld“). Er habe sich auch nicht darüber gewundert, dass die Sendungen erst über die Grenze gebracht werden mussten, bevor sie der Obhut der Post anvertraut wurden. Die konspirative Übergabe der Ware hatte bei L. ebenfalls keine Zweifel an der Gesetzestreue seiner Auftraggeber geweckt: Er bekam ein Handy gestellt, auf das per Kurznachricht eine neue Lieferung angekündigt wurde, die dann auf Parkplätzen oder bei McDonald’s übergeben wurde.

Folgerichtig forderte Dr. Karl Haas, der den Niederländer verteidigte, in seinem Plädoyer einen Freispruch für seinen Mandanten. Die Staatsanwaltschaft hingegen kaufte dem Rentner die zur Schau gestellte Blauäugigkeit nicht ab und hielt eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren für angemessen. Das Gericht sah es ähnlich, blieb jedoch geringfügig unter der Strafforderung der Staatsanwaltschaft. 

Der Vorgänger von L., der als Zeuge in der heutigen Verhandlung aussagte, war vor dem Landgericht Dortmund, wo sein Fall verhandelt wurde, deutlich besser weggekommen: Der Drogenkurier erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde – nach seiner Festnahme sprachen die Dealer L. an, der nun seinen Lebensabend hinter Gittern wird verbringen müssen.

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Kategorisiert in Verbrechen

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17 Kommentare

  1. 17

    @13 Chewgum „Das Gegenteil ist kaum beweisbar.“
    Ihr Problem ist, dass Sie viel zu leichtgläubig sind. Das impliziert, dass Sie sich als ein dankares Opfer von Enkeltrick, dem Trick „ihr Verwandter har einen tödlichen Unfall verursacht u.s.w. “ präsentieren.
    Dem Drogenkurier muss man nichts nachweisen, weil, die Sachbeweise sprechen für sich.
    Das Eine mal, dass er einmal Fakten zur Verteidigung antragen kann, nämlich bezüglich seines Zuträgers „Piet“, gib er „niet thuis“.
    Wer sagt denn, dass er nicht auf eigene Rechnung gehandelt hat, oder das er nicht 20.000 euri für eine Fahrt kassiert hat, wenn sie im Auftrag durchgeführt wurde.
    Diese Art Straftäter ist einfältig, was der Beweis der Strafbarkeit gegen sie betrifft, ganz zu schweigen davon, welchen Schaden ihr Handeln in dieser Gesellschaft anrichtet.
    Die Justiz muss sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen, und in diesem Fall : ein kooperativer Angeklagter verhält sich anders, und die Erkenntnis ist endlich auch einmal bei der Justiz angekommen.

     
  2. 16

    @ 14 – Es ging mir genau darum, dass das Strafmaß bei machen Straftaten (z.B. Sexualstraftaten, uvam) vergleichsweise viel zu mild ausfällt und eigentlich viel höher sein müsste.

     
  3. 15

    @12. Eichhörnchen Wer will, kann sich gerne über das verbale Eigentor lustig machen 😂

    „Und trotz aller Unterschiedlichkeit der Straftaten, was zwangsläufig auf den Äpfel-mit-Birnen-Vergleichen-Wink-mit-dem-Zaunpfahl hinauslaufen muss, finde ich den Vergleich zu den sehr geringen Strafen für Sexualstraftaten siehe nachfolgende Links und wie Chewgum auch schon geschrieben hatte einen Skandal.“

    Logisch, dass ich nicht den Vergleich skandalös finde, sondern die im Vergleich zum obigen Urteil milden Urteile für Sexualstraftaten (siehe Links).

     
  4. 14

    @11 JB Dann nehmen wir doch den direkten Vergleich: Der Vorgänger des Kurierfahrers erhält in Dortmund eine zweijährige Haftstrafe. In Kleve kriegt jemand für eine ähnliche Tat 5 Jahre und vier Monate.

    Es kann sein, dass der Kurierfahrer (Kleve) verdrängt hat, woran er sich schuldig machen könnte – mit Aussicht auf ein kleines Zubrot zur Rente. Vorstellbar, dass man ihm nicht gesagt hat, was er da transportier, und er nicht gefragt hat. Das Gegenteil ist kaum beweisbar.

    Sorry, wer nimmt denn schon für 250 Euro ein solches Risiko wissentlich auf sich? Ich glaube, er hat es erfolgreich verdrängt, wollte es gar nicht wissen.

    Der Mann hat sich natürlich mitschuldig gemacht. Aber zwei Jahre wären ausreichend, fände ich.

     
  5. 13

    @8. Zugereister „Jetzt muss Justizia nur noch bei anderen Urteilen auch endlich mal hart durchgreifen!“ Wat soll bei einem Urteil hart durchgegriffen werden? Meinste mit einem Urteil oder vielleicht bei Staftaten? Aber ja, bei Urteilen sollte auch mal hart durchgegriffen werden, kann ja nicht sein, dass Richter so unterschiedlich bei sehr ähnlichen bis identischen Delikten von fast nix d.h. 2 Jahre auf Bewährung bis 5,5 Jahre verhängen. Und trotz aller Unterschiedlichkeit der Straftaten, was zwangsläufig auf den Äpfel-mit-Birnen-Vergleichen-Wink-mit-dem-Zaunpfahl hinauslaufen muss, finde ich den Vergleich zu den sehr geringen Strafen für Sexualstraftaten siehe nachfolgende Links und wie Chewgum auch schon geschrieben hatte einen Skandal.

    https://rp-online.de/nrw/staedte/kevelaer/urteil-gefaengnisstrafe-fuer-paedagogen-aus-kevelaer-wegen-kindesmissbrauchs_aid-49249121

    https://www.kleveblog.de/prophet-muss-fuenf-jahre-in-haft-schuldspruch-wegen-vielfachen-sexuellen-missbrauchs/

    Und ja, ich weiß, dass Drogen gefährlich sind und das wir da nicht weggucken können, aber bevor wir einen auf Law & Order machen, sollte Personal, Geld usw. in die Verfolgung von Sexualstraftätern und den Schutz unserer Kinder gesteckt werden. Der Postbote spielende Opi sitzt länger hinter schwedischen Gardinen als ein Sozialpädagoge, der sich an Kinder ranmacht oder der Sektenboss, der ….
    Boa, ist das abartig unanständig. 🤢🤮Da ist Post-Opi fast noch ein Chorknabe dagegen.

     
  6. 12

    @Chewgum „…ww.deutschlandfunk.de/sexueller-missbrauch-fussballtrainer-muss-fast-sechs-jahre-…“
    gut dass wir einmal drüber gesprochen haben, aber irgend etwas bringen Sie da durcheinander.

     
  7. 11

    @7 Klever_Compliance „Ich kenne keine Details“
    Sie sagen es ! Si tacuisses ….
    Natürlich wäre es nicht ok, nur auf weitere Straftaten zu warten, um die einzelnen Taten aufzusummieren.
    Allerdings, sich nur compliance zu nennen, ohne dessen Bedeutung “ Wenig Risiko bei gleichzeitiger Anhebung der Effizienz sowie Effektivität, das sind die großen Ziele von Compliance.“ zu berücksichtigen ist schon sträflich.
    Dass man die Beobachtung ein wenig andauern lässt, hat doch damit zu tun, dass man sich ein Bild über Schwere und Intensitivität des Vergehens machen muss, um sich nicht vorwerfen zu lassen, a l l e Aspekte der Tat, auch eventuell Entlastende, zu erfassen.
    Aber wie sagten Sie gleich zu Anfang :“Ich kenne keine Details“, und so bleibt von Ihrem Post nur ein fader Eindruck von allgemeinem Bashing übrig.

     
  8. 9

    Endlich greift Justizia mal durch! Hoffentlich schreckt das Strafmaß ab und wenn nicht hoffe ich, dass der nächste Drogenkurier ebenfalls so hart bestraft wird.
    Jetzt muss Justizia nur noch bei anderen Urteilen auch endlich mal hart durchgreifen!

     
  9. 8

    Die Klever-Justiz räumt auf. Das kennen wir schon aus der Staatsanwaltschaft, was sich allerdings durch entsprechende Versetzungen wieder teilweise etwas unter Kontrolle gebracht hat. Ich habe nur etwas Zweifel im Hinblick auf die Strafzumessung, die nun die Richter vorliegend vorgenommen haben. Diese dürfte sich an der vorhergehende Ermittlungsarbeit der Polizei nicht unwesentlich orientieren, was aber auch schon auf sehr fragwürdige Methoden schließen lässt. Wenn die Ermittler nämlich entschieden haben, den Verurteilten so lange zu oberservieren, bis ein strafrechtlich „relevantes“ Sümmchen an sichergestellten Drogen zusammengekommen ist, ist das auch schon rechtsstaatlich überaus schwierig.Bei der Lektüre des vorliegenden Berichts, liegt eine solche Vermutung durchaus nahe.

    Was der Bericht hier etwas lapidar darstellt „…deutlich besser weggekommen:….“ ist leider nicht so zu verstehen. Die Strafzumessung im Strafverfahren ist keine Ausgabe von „Wünsch Dir was“ für Richter, sondern sollte an bestimmte Vorgaben gebunden sein. Dann sind 5 Jahre und sechs Monate vs. zwei Jahre (und die noch zur Bewährung) nicht in Ordnung. Schon gar nicht, im selben Bundesland. Zumindest nicht, wenn die Delikte annähernd vergleichbar sind, was vorliegend ganz offenbar wohl anzunehmen ist.
    Ich kenne keine Details, aber sollte der Verurteilte nicht vorbestraft gewesen sein (was im Bericht dann sicher eine Erwähnung wert gewesen wäre), dann ist das Urteil dringend zu überprüfen.

     
  10. 7

    @1 chewgum „Urteil zu hart“
    Ganz Ihrer Meinung, dem müsste man ein Angebot für einen gratis Urlaub in Maleisia machen.
    Pit könnte ihm dann ein paar Päckchen für Freunde dort mitgeben, und er bekäme noch reichlich Urlaubsgeld obendrauf.
    Für sein weiteres Leben im Altersheim bräuchte er sich dann keine Sorgen mehr zu machen.

     
  11. 6

    Die Niederländer haben die coolere Nummernschildfarbe. Das gelb sieht selbst bei total verschmutzten Fahrzeugen noch gut aus. Nun muss „Pit“ seinen Job selbst machen. Ist vielleicht auch besser so. Die Klever Polizei ist viel beschäftigt besonders Montagabends da sollte sich die Beschattung schon lohnen und nicht wieder jemand ins Netz gehen der nüscht zu sagen hat.

     
  12. 5

    @3 Eines der letzten Opfer der Drogenmafia in den Niederlanden war der Journalist Peter R. de Vries, der mitten in Amsterdam mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet wurde.

    https://www1.wdr.de/fernsehen/die-story/sendungen/die-story-drogen-morde-geldwaesche-die-macht-der-kokainhaendler-100.html

    https://www.deutschlandfunk.de/organisierte-kriminalitaet-in-den-niederlanden-junge-100.html

    https://www.nzz.ch/international/drogenkriminalitaet-sind-die-niederlande-ein-narco-staat-ld.1635529

    So viel zum Thema, in den Niederlanden ist alles besser…

     
  13. 4

    Dem geneigten Blog Fan ist sicher nicht bekannt (oder nur wenigen ) das die Niederlande der größte Produzent von (MDMA) Ecstasy, ( * Weltweit ) ist. Die niederländische Polizei + Justiz steht dem ,inclusiv dem brutalen auch vor Morden nicht zurückschreckenden international agierenden Narco Clans + Gangs, weitgehend hilflos gegenüber. Ein klein gehaltenes Thema in der deutschen Presse. ( *Quelle : DEA US )

     
  14. 3

    Im ersten Moment nur beim Blick auf die Überschrift habe ich gedacht „wird in Zukunft wohl öfter vorkommen. Die Leute können sich in 20 Jahren doch gar kein Altersheim mehr leisten! Notlösung: Bei der staatlich finanzierten Pension anheuern indem 20-mal bei Rot über die Straße gegangen und anschließend das Bußgeld nicht bezahlt wird. Erwischen lassen muss man sich natürlich schon, sonst ist die Mühe umsonst.“ Ich sah mich schon als 80+ Greis mit Rollator oder Rollstuhl samt Handgepäck auf dem Weg zur Polizeiwache, um mich ins „Heim“ bringen zu lassen. Aber den Bruchteil einer Sekunde später dann die Ernüchterung. Nicht mehr Spazierengehen (das normale Spazierengehen meine ich), keine Ausflüge mehr ins Grüne oder an die See, keine Radtouren mehr und…
    Ein weiterer Bruchteil einer Sekunde dann die Erkenntnis „Wie denn? Mit wem denn? Mit dem Rollator käme ich nicht weit…“
    Etwa eine halbe Sekunde später dann der Gedanke „am besten einen großen Bogen um so jemanden wie „Pit“ machen und in einigen Jahrzehnten eine WG für 70+ gründen. Frei nach dem Motto „Wir können uns nicht helfen, brauchen wir aber auch nicht!““