Das schöne Sonntagsfoto

Eins werden mit dem Geäst (Foto: Thomas Velten)

Seit ich in Nachbars Garten aus ca. drei Metern Höhe kopfüber aus einem Baum gefallen bin, betrachte ich das Klettern an sich mit sehr viel Respekt, und daran hat auch die spät entdeckte Freude am Bouldern, also am Parcoursklettern an Wänden nicht viel ändern können, obwohl man dort in weiche Schaumstoffmatten fällt und nicht auf einen Erdboden, der zudem noch mit Gerümpel übersät ist, mit dem medizinischen Ergebnis eines gebrochenen Arms und einer Platzwunde an der Schläfe.

Nun aber ist gleich in zweierlei Hinsicht die Kletterei in mein Leben zurückgekehrt, zum einen als eine bemerkenswerte Challenge, zum anderen als Zuschauer eines bemerkenswerten Wettkampfs. Zuerst zur Challenge, an der ich bisher noch immer gescheitert, aber es wird. Vom Bouldern gibt es nämlich eine Variante, die kürzlich ein Quartett von Gästen (nach dem Besuch der Boulderhalle Kliff) in einem bekannten, zentral gelegenen Lokal in der Innenstadt vorführte – Tischbouldern.

Die Regeln sind ganz einfach: Man legt sich auf einen Tisch und klettert dann einmal unten herum, bis man wieder am Ausgangspunkt angelangt ist. Natürlich, ohne sich am Boden abzustützen. Es gibt ein Video davon, wie ich an dieser doch so simpel klingenden Übung scheitere, und die Leserschaft darf gewiss sein, dass sie dieses Video nie, nie wird zu sehen bekommen. Aber ich mache Fortschritte, und bin zuversichtlich.

Wie immer neige ich allerdings zur Selbstüberschätzung meiner Fähigkeiten, was mir deutlich bewusst wurde, als ich die Vielzahl von Bildern und Videos sichtete, die von der 27. Deutschen Baumklettermeisterschaft ins Netz gestellt wurden, die vom 26. bis zum 28. Mai im Klever Moritzpark stattfand. Bestens gesichert, hüpften und hangelten dort Athleten in den Kronen und Wipfeln der betagten Bäume, manche schossen mit enormer Geschwindigkeit an Seilen in die Höhe, bevor sie am Ziel eine Glocke läuteten. So schnell würde ich höchstens hinunterfallen.

Die Betätigung ist natürlich nicht l’art pour l’art, sondern hat einen beruflichen Hintergrund: Professionelle Baumpfleger verbringen ihren Arbeitstag zumeist in schwindelerregender Höhe, um kranke Äste aus den Kronen zu entfernen oder sonstwie baumpflegerisch tätig zu werden. Sie haben sich in der International Society of Arboriculture zusammengeschlossen, und die deutsche Sektion trifft sich einmal jährlich zu Christi Himmelfahrt, um Erfahrungen auszutauschen und um die Wette zu klettern.

Es gibt fünf Einzeldisziplinen (visuelle Baumkontrolle, Aufstieg, Geschwindigkeit, Arbeitsklettern, Rettung von Verletzten), und die ersten drei in der Gesamtwertung dürfen an der Europameisterschaft teilnehmen, die besten beiden sogar an der Weltmeisterschaft. Stefan Artmann von der Uedemer Baumpflegefirma Klettermaxe sorgte dafür, dass diesmal Kleve der Austragungsort der Deutschen Meisterschaften wurde. „Die Parklandschaft hier in Kleve mit ihren alten Bäumen ist einfach großartig“, so Artmann.

Und die Meister ihres Fachs in den Ästen herumklettern zu sehen, war ebenfalls großartig und erweckte dann überraschenderweise doch den Wunsch, sich zurück in die Kindheit zu beamen und munter in den nächstbesten Kirschbaum zu steigen, und erst ganz am Ende zu merken, dass der Abstieg meistens viel, viel schwerer ist. Gut, wenn dann der Vater mit einer Leiter in der Nähe war. Realistisch, wie unsereins aber mittlerweile geworden ist, obsiegt die Vernunft, und man bewegt sich zurück zur Tischplatte, die schon ausreicht, einen vor (noch) unüberwindbare Herausforderungen zu stellen.

Ein Video: Komm‘, noch zwei Meter!

Mehr schöne Bilder von Thomas Velten im Lokalkompass: 27. Deutsche Meisterschaft im Baumklettern

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3 Kommentare

  1. 3

    Beschädigungen am Baum sollte man ausschließen dürfen. Die Baumpfleger verstehen sich als Profis.

     
  2. 2

    Der berühmte Architekt Gaudi, der seine Zauberwerke in Barcelona schuf, sah gerade in Bäumen sein großen Vorbild: „Bäume sind funktional, stabil und schön“. Und genau so wollte er seine Architektur (und ist sie). Dabei sah er die Natur als „Buch Gottes“, d.h. Gott erzählt uns in der Natur von sich, seiner Vernunft,seiner Schönheit und auch seiner Funkzionalität.