Wird heute Abend im Kurhaus eine Klever Koryphäe demontiert? Vortrag zu Johann Moritz

Nach Bartholomäus Eggers: Büste des Johann Moritz von Nassau-Siegen, 1664 (Foto: A. Gossens)

In Kleve gilt Johann Moritz von Nassau-Siegen als der Schöpfer der Stadt, wie wir sie aus Prospekten und Bildbänden kennen und lieben. Die weitläufigen Parkanlagen und großzügigen Alleen, so heißt es, gehen auf sein Wirken und seine Anregungen zurück, als er am Niederrhein als Statthalter des preußischen Königs wirkte. Der Kulturpreis der Stadt Kleve, der seit 1992 verliehen wird, ist nach dem niederländischen Adeligen benannt. Doch schon auf der Website der Stadt Kleve über eben diesen Preis wird auch mitgeteilt, dass sich ein Schatten auf die historische Persönlichkeit gelegt hat. Dort heißt es: „In den letzten Jahren steht allerdings die historische Vergangenheit des Johann Moritz von Nassau-Siegen zunehmend in der öffentlichen Diskussion. Historische Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Johann Moritz von Nassau-Siegen seinerzeit in erheblicher Weise in Aktivitäten des Sklavenhandels eingebunden war und daraus nicht zuletzt auch persönlichen Profit geschlagen hat.“

Johann Moritz, wie Pieter Nason ihn malte – in Begleitung eines farbigen Dienstboten (?)

Die dunkle Seite der Klever Lichtgestalt ist also nicht ganz neu, allerdings bietet sich der Stadt nun die Möglichkeit, einmal aus erster Hand zu erfahren, wie genau Johann Moritz agierte und vom Menschenhandel profitierte. Am heutigen Donnerstag, 28. September, hält im Museum Kurhaus Dr. Erik Odegard einen Vortrag dazu (Beginn: 19:30 Uhr). Odegard war Leiter des Forschungsprojekts „Revisiting Durch Brazil and Johan Maurits“ am Mauritshuis in Den Haag, dessen Ergebnisse unter anderem im Buch Graaf en gouverneur: Nederlands-Brazilië onder het bewind van Johan Maurits van Nassau-Siegen, 1636-1644 (2022)  veröffentlicht wurden. Schon seine Dissertation schrieb Odegard über niederländische Kolonialgouverneure im 17. Jahrhundert, und bereits da war natürlich auch Johann Moritz Thema. Odegard dürfte also ein absoluter Experte sein.

Mauritsstad, einst ein entlegener Handelsposten der Niederländer, heute eine Millionenstadt namens Recife

Zum Hintergrund: Johann Moritz war 1636 zum General-Gouverneur der Besitzungen der niederländischen Westindien-Compagnie (WIC) ernannt worden und hatte den Auftrag, das Land vor dem Portugiesen in Schutz zu nehmen. Diesen Auftrag erledigte er, militärisch gesehen, mit Bravour und konnte weite Teile des Landes erobern.

Frühzeitig kümmerte er sich allerdings auch um die Bedürfnisse der Plantagenbesitzer. Schon ein Jahr nach seiner Ankunft in Südamerika schickte Johann Moritz eine Expedition nach Afrika, die dort den portugiesischen Stützpunkt Elmina (Ghana) eroberte und somit sicherstellte, dass der Nachschub an Sklaven für die Zuckerplantagen nicht ausging. 1641 gab es eine weitere Expedition nach Afrika, in deren Verlauf die angolanischen Städte Luanda und Benguala erobert wurden.

Fort Elmina (Ghana) – von der wurden die Sklaven nach Brasilien verschifft

Dass der Sklavenhandel (und seine Renditen) Johann Moritz nicht verborgen blieb, bezeugen Dokumente. An die Generalsstaaten, das niederländische Parlament, schrieb er 1644 in einem Bericht, dass „der Preis für einen Neger in Guinea zwischen 12 und 75, in Angola zwischen 38 und 55 Gulden schwankt. Die [Westindische] Compagnie verkauft sie in Brasilien zwischen 200 und 300 Gulden pro Stück“.

Insgesamt wurden nach heutigen Erkenntnissen unter niederländischer Führung rund 25.000 (Zahl wird noch einmal überprüft, siehe Kommentar von Bernd Derksen) Afrikaner als Sklaven nach Südamerika verschleppt, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Westindische Compagnie der größte Sklavenexporteur im Atlantikraum. Ursprünglich ließ sich der Sklavenhandel aus niederländischer Sicht nicht mit dem protestantischen Glauben vereinbaren. Die Niederländer deklarierten jedoch die Sklavenarbeit als einen Akt der Mission und erlaubten – im Gegensatz zu den Portugiesen –, dass die Afrikaner sogar an den Sonntagen arbeiten durften, schließlich waren sie erst einmal Ungläubige.

Johann Moritz war weder Plantagenbesitzer noch führte er eine Zuckermühle. Dennoch war er tatkräftig daran mitbeteiligt, die Logistik für den lukrativen Menschenhandel aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

1644 kehrte Johann Moritz in die Niederlande zurück. Auf der Seite des niederländischen Nationalarchivs heißt es zu der Epoche: „Trotz der Gewinne aus dem Zuckerhandel sind die Ausgaben von Johann Moritz für den Unterhalt der Garnison, dem Bau von Brücken, Deichen und Grachten, die Errichtung von Gebäuden sowie für seinen Lebensstil viel zu hoch. Er musste Kürzungen bei seinen Streitkräften hinnehmen wurde von der WIC in die Republik zurückbeordert.“

Schon von Brasilien aus gab er den Bau seines Stadtpalais in Den Haag in Auftrag, damals eines der prächtigsten Häuser in der Stadt. 1649 ernannte ihn der preußische Kurfürst Friedrich-Wilhelm zu seinen Statthalter in Kleve und Mark. Dort wollte Johann Moritz mit seinem Wirken dafür sorgen, dass die Menschen die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges vergessen.

Der Eintritt zum Vortrag (der in niederländischer Sprache stattfindet) kostet fünf Euro.

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10 Kommentare

  1. 10

    Mal so ! Historisches Fehlverhalten ? Man sollte sich XANTEN Römische Centurio ,Cornicen (Signalbläser ) oder Niederrheinische Legionäre als Paten für Klever Schulen aussuchen.👍🏽😂 WICHTIG ! ☝🏽 😎 ..Sie sollten allerdings nicht zu Jesus Zeiten in Palästina gedient haben.

     
  2. 9

    @ Nicht Klever – steht an der Fassade nicht mehr „Lutherschule“? War schon länger nicht mehr vor Ort…

     
  3. 8

    Joseph-Beuys und seine „Geschichte“ ist weiterhin umstritten.
    Meiner Meinung nach, ist dieser Name und der, nicht wirklich, realistisch aufgearbeitete Zusammenhang zur NS-Zeit, keine positive Werbung für Kleve, und schon gar nicht für eine Bildungseinrichtung für Jugendliche unserer Zeit.

     
  4. 7

    Aus heutiger Sicht und nach heutiger Rechtsauffassung ist das ein ungeheuerliches Verbrechen. Glauben sie aber nicht, dass ich die Menschheit geändert hat, sie hat heute nur andere Möglichkeiten. Man braucht die Sklaven nicht einmal mehr vor Ort zu haben. Ein Beispiel hierfür sind die „Billigtextilien“, die von Näher:innen in „Billiglohnländern“ unter den erbärmlichsten (Sicherheits-) Bedingungen angefertigt und nach Europa verschifft werden. Diese Menschen haben keine ausreichende Gesundheitsversorgung, keinen ausreichenden Lohn und werden von Bildung ferngehalten. Da werden Milliardengewinne auf dem Rücken von Fremdarbeitern in den Emiraten nur für ein Fussballevent eingefahren… und und und. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Ja, es ist und bleibt ein Verbrechen!

     
  5. 6

    @whatamess

    Luther leider falscher Promi für Umbennung , da Schule bereits dauerhaft geschlossen.
    Räume werden von Josef-Beuys-Gesamtschule vorübergehend genutzt.
    Warten auf den neuen Namen also nicht mehr nötig.

     
  6. 5

    @Whatamess: Die Lutherschule gibt es bereits seit 10 Jahren nicht mehr. Sie ist, gemeinsam mit der katholischen Grundschule Christus-König im Jahr 2013 in der „Gemeinschaftsgrundschule An den Linden Kleve“ aufgegangen. Das hat allerdings weniger mit einem „Canceln“ von Christus und Luther zu tun, als mehr mit einer Konsolidierung der Klever Schullandschaft nach einigen geburtenschwachen Jahrgängen (Quelle: http://www.ggs-an-den-linden-kleve.de/seite/264454/geschichte.html).

    @Klever: Ich halte die kritische Auseinandersetzung und die Benennung von damaligen Missständen ebenfalls nicht für ein „Canceln“. Eine historische Einordnung und insbesondere eine gesamtheitliche Auseinandersetzung mit dem Schaffen von für die Klever Entwicklung wichtigen Personen zeigt für mich in erster Linie ein historisches Interesse an ihnen und ein Beleg für ihre Bedeutung.

     
  7. 4

    @veranstaltung Odegard über Johann Moritz Nassau
    Solche Events interessieren mich, wo ich jetzt wegen meiner Gesundheitskondition an der Hagschen Strasse (ev.Stiftung.)wohne, noch mehr . Dann ist doch einfach nur zu bedauern, dass solche Termine ad ultima hora hier publik gemacht werden. Die abendliche Stunde stellt normalerweise gar kein Problem dar, da wären schon eher die Fahrten zu solchen Veranstaltungen als Problem anzumerken, denn auch wenn man hier im Hause leicht einige noch völlig geistig rüstige und interessierte Mitbewohner zusammenbekommen würde, auch ein Sammeltaxi ist finanziell keine erreichbare Alternative. Deswegen wäre man auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen. Bestimmt gibt es unter den Teilnehmern solcher Veranstalltungen den ein oder anderen Besucher der selbstlos seine Transportdienste anbieten würde.Aber das muss man planen.
    Nur, und da geht der Rüffel ganz klar an kleveblog , benötigt man dafür längeren zeitlichen Vorlauf, als Ralf Daute mit seiner knapp vor Schluss Information ermöglicht.

     
  8. 3

    Cancel Culture…… alles was unter aktuellen politischen Gesichtspunkten nicht korrekt läuft wird angeprangert. Aber vielleicht werden in 400 Jahren auch diverse Politiker des linken Spektrums ähnlich beleuchtet werden. Parallelen zu einer Einfuhr von zukünftigen Gastarbeitern gibt es ja. Firmen im Niedriglohnsektor und ähnliches besitzen die meisten Politiker ja nicht, aber an der Logistik der ganzen Einfuhr von zukünftig günstigen Arbeitern sind sie ja im hohen maße beteiligt.

     
  9. 2

    Nach Peter Wilhelm Beuth jetzt Johann Moritz von Nassau-Siegen – anstatt Leben und Werk historischer Persönlichkeiten im Kontext der Zeit, in der sie lebten zu sehen, misst man ihre Leistungen mit heutigen Maßstäben… kann man machen… da wird man aber Einiges umbenennen, abhängen oder im Archiv verschwinden lassen müssen. Vielleicht hier noch eine weitere Person der Geschichte: Martin Luther. Hat zu seiner Zeit (nachgewiesen und belegt!) gefordert, „Synagogen anzuzünden und die „verstockten“ Juden auszuweisen“. Jetzt bin ich mal gespannt, wie die Lutherschule demnächst heisst…

     
  10. 1

    Insgesamt wurden nach heutigen Erkenntnissen unter niederländischer Führung rund 25.000 Afrikaner als Sklaven nach Südamerika verschleppt>

    „Nur“ 25.000 ?

    Bei https://www.geo.de/wissen/weltgeschichte/niederlande-erbarmungslose-kolonialverbrechen-die-dunkle-seite-des-glanzes-30180264.html heißt es:

    „Erst 1863 schaffen die Niederlande als einer der letzten europäischen Staaten die Sklaverei offiziell ab. Bis dahin haben niederländische Kaufleute rund 600.000 afrikanische Gefangene über den Atlantik verschleppt – und weitere 100.000 Sklaven von ihren Handelsstützpunkten an der afrikanischen Westküste direkt an andere europäische Händler verkauft.“

    ————

    Vortrag (der in niederländischer Sprache stattfindet)>
    Schade, hätte mich interessiert.