Schuhhaus Kürvers: Schluss nach 112 Jahren

Sabine Arntz, Brigitte Kürvers-Will

Zu den ewigen Klischees gehört die Ansicht, dass die Welt für Frauen aus einem undurchdringlichen Dschungel aus Pumps, High Heels, Boots, Ballerinas, Budapestern, Loafern, Mokassins, Peeptoes, Plateauschuhen, Riemchensandalen, Sandalen, Sandaletten, Slings, Stiefeletten und Zehentrennern in Myriaden von Farben, Formen und Größen besteht, bei dem nur eines sicher ist: Frau greift sich den falschen Schuh.

112 Jahre, also von einer Zeit an, als in Deutschland noch ein Kaiser regierte, war es das Geschäft des Schuhhauses Kürvers, dieses Klischee zu widerlegen, und zwar für Frauen genauso wie für Männer, die allerdings leichter zu händeln sind und in der Regel mit einem Paar Mephisto-Schuhe („Die Lauf-Sensation“) die Verkaufsräume glücklich verließen. Doch auch den Damen verschaffte das Fachpersonal mit sicherem Blick für die Ausprägung des Fußes Schuhwerk, das der Kundin den passenden Auftritt bescherte.

Der markante Schriftzug wird verschwinden

Doch damit ist nun, nach 112 Jahren, von denen die letzten 70 an der Hagschen Straße verbracht wurden, Schluss. Brigitte Kürvers-Will, auf die 72 zugehend, hat an ihrem Geschäft plakatiert: „Räumungsverkauf“. Das gab es schon öfter. Doch diesmal: „wegen Geschäftsaufgabe“. Und die Kunden betreten mit betretener Miene das Ladenlokal und rufen aus: „Das darf doch nicht wahr sein!“

Es ist wahr. Brigitte Kürvers-Will schließt ihr Schuhgeschäft, das älteste in der Stadt, um mehr Zeit für die Familie zu haben. „Wer weiß, wie lange ich noch gesund bin“, sagt sie. „Seit ich zwei Jahre alt bin, gehe ich in dieses Geschäft. Nun muss es einmal gut sein.“

Kleve verliert damit ein weiteres inhabergeführtes Einzelhandelsgeschäft, in der Hagschen Straße, wo es früher Fachgeschäfte für alle erdenklichen Bedarfe gab, sind heute noch übrig die Buchhandlung Hintzen, der Elektrohändler Thies und der Modehändler Hopmans. „Die Entwicklung, die die Straße genommen hat, ist nicht gut“, meint Brigitte Kürvers-Will. „Alles verlagert sich in Richtung Unterstadt.“

Zu Kürvers kamen die Kunden auch, um eine Tasse Kaffee zu trinken und das Neueste aus der Stadt zu erfahren, meistens gingen sie trotzdem auch mit einem Paar Schuhe nach Hause. In den seltenen Fällen, in denen sich nicht das passende Schuhwerk fand, verließ man das Ladenlokal zumindest mit ein paar Neuigkeiten.

Zu den Hochzeiten des Einzelhandels waren bis zu zehn Mitarbeiter bei Kürvers beschäftigt. Davon sind noch drei übrig, und von diesen drei sind zwei schon vier Jahrzehnte und länger mit dabei: Sabine Arntz und Birgit Riepe. Und selbst Anke Ricken, die dritte, ist seit zwölf Jahren mit an Bord, Das spricht für sich. Sie lebten mit dem Laden, und der Laden lebte mit und durch sie. Als Brigitte Kürvers-Will ihnen den Entschluss mitteilte aufzuhören, schrieben sich die Mitarbeiterinnen ihre Kündigungen selbst.

Auf einem Plakat im Eingang heißt es: „Wir danken unseren Kunden für die Treue und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute, vor allen Dingen Gesundheit. Gutscheine bitte zeitnah einlösen.“

Eine Nachfolger wird es nicht geben. Kürvers-Will plant, die Immobilie zu verkaufen, und sie freut sich, dass sie schon bald ohne den Gedanken an die nächste Schuhmode nach Berlin fahren kann, wo sie ihren Enkel besuchen wird.

Eleganz in Mittelbraun: Der Herrentisch

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3 Kommentare

  1. 3

    @2 ausserdem wollen die Inhaber den Laden auch scheinbar schließen. Hier ist ganz sicher nicht Amazon „schuld“..

     
  2. 2

    Man sollte vielleicht auch bedenken, dass das Schuhhaus Kürvers nur eine bestimmte Alters- und Gehaltsklasse anspricht. Man kann hier nicht allein dem Onlinehandel die Schuld geben!

     
  3. 1

    ja, Zalando und Amazon graben halt das Wasser ab.
    Wenn die Einwohner Wein (=regional kaufen !!) predigen aber dann Wasser (=Versandhandel) kaufen bleibt das nicht aus.