Journalismus für die (Gelbe) Tonne

Endspiel

Was uns die verzogenen Deckel der Gelben Tonnen über die Krise des Journalismus verraten… Natürlich ist es legitim und wirtschaftlich geboten, für journalistische Inhalte auch Geld zu verlangen. Früher, als die Welt noch einfach war, gehörte es zum guten Ton, eine Tageszeitung abonniert zu haben und für die routiniert zusammengestellte Mischung aus politischen, allgemeinen, ökonomischen, kulturellen und lokalen Nachrichten monatlich ein hübsches Sümmchen zu überweisen. Und die Besitzer der Zeitungen kassierten doppelt und dreifach, denn auch Unternehmen mussten für die Werbung in dem Blatt bezahlen, ebenso Hinterbliebene, die den Tod von Angehörigen vermelden wollten, oder Hausbesitzer, die einen Mieter für ihre Wohnung suchten.

Das alles ist lange vorbei, zehn Jahre mindestens. Jede Todesanzeige könnte ein verstorbener Abonnent sein, und das junge Volk greift nicht mehr wie selbstverständlich zur gedruckten Zeitung. Die Inhalte wandern ins Internet, und dort wiederum wandern mehr und mehr von ihnen hinter Bezahlschranken, die einen Mehrwert des Inhalts, der dann erkauft wird – zur Zeit in der Regel mit Lockangeboten zum Preis von 99 Cent für den ersten Monat – suggerieren.

Damit aber wandelt sich das Wesen der Nachricht: Sie ist nicht mehr Teil einer umfassenden Dienstleistung, sondern genau das Häppchen, das gerade konsumiert werden soll. Was aber ist es wert?

Womit wir bei der Gelben Tonne angelangt wären, von denen gerade eben Tausende im Klever Stadtgebiet ausgeliefert worden sind. Bei manchen der Behältnisse war offenbar der Deckel verzogen, was dem Kommunalpolitiker Udo Weinrich (Offene Klever) unangenehm aufgefallen war. Die Rheinische Post machte daraus einen Artikel. Das Werk wurde mit den folgenden drei Sätzen angeteasert: „In Kleve werden aktuell die Gelben Tonnen ausgeliefert. Doch es gibt bereits das erste Problem. Ein Trick schafft Abhilfe.“ Dahinter dann in eckigen Klammern das Kürzel RP+, man muss also die Bezahlschranke überwinden, um die Lösung seines Problems zu erhalten.

Man macht sich ja so seine Gedanken, wie das Problem des sich nicht schließenden Mülltonnendeckels gelöst werden könnte, vielleicht mit einem Schraubenzieher an den Scharnieren herumfummeln, den Deckel abmontieren und in kochendes Wasser eintauchen, oder das Behältnis beim Entsorger reklamieren, was auch immer.

Da offenbar viele unter dem Problem leiden, machte kleveblog den Ausflug hinter die Bezahlschranke und erkundete, welcher Hinweis denn nun für so wertvoll erachtet wurde, dass die Redaktion dafür kassieren wollte. Das Ergebnis lässt staunen: „Man solle, so die Sprecherin [des Unternehmens Schönmackers], den Deckel schließen und mit einem Gegenstand beschweren. ‚Dann löst sich das Problem in der Regel in einigen Tagen`, sagt die Sprecherin“, heißt es im letzten Satz des Artikels.

Stein drauf. Muss man mehr sagen – zum Problem selbst, aber auch zur Frage des Verständnisses von Journalismus an sich?

Deine Meinung zählt:

15 Kommentare

  1. 15

    Dazu der Chefredakteur der RP, Moritz Döbler: „Inzwischen setzt sich auch im Netz die Erkenntnis durch, dass substanzielle und glaubwürdige journalistische Arbeit nicht gratis zu haben ist.“

     
  2. 14

    Es ist besser und vor allem viel diskreter bei Problemen die Schwarmintelligenz im Kleveblog mit der Lösung zu beauftragen. Die Kleveblog-Gemeinde ist schon mit so einigen Dingen fertig geworden: Schleppend ausgeführter Straßenbau, Kommunalwahlkampf 2020, neuen Zoodirektor begrüßen, Innenstadt retten, und vieles mehr.

     
  3. 13

    Die Geschichte von der C&A-Schließung war m. E. auch eine exklusive Meldung von Andreas Gebbink (NRZ), die dann ins RP-Bezahlangebot rübergewandert ist.

     
  4. 12

    Mmuuuh, wieso macht rd diese Büchse hier auf, mmuuuhStaun? In der Zentrale – wenn die dereinst mal wieder öffnen tut – sind doch auch (fast) alle Getränke hinter einer Bezahlschranke versteckt, mmuuuhNixFreimilch. Sobald ein Getränk die Theke verlässt, sei es durch rüberreichen, zum Tisch bringen oder sonst wie, gibt es einen Strich, mmuuuhBisDieBezahlschrankeKomplettIst. Mmuuuh, weg mit den Schranken, mmuuuhEntsorg! Freier Informations- und Getränkezugang, mmuuuhFürAlle!

     
  5. 11

    Danke FF, genauso ist es! Es ist nur peinlich – für den abgehalfterten BM-Kandidaten und peinlich für die RP! Ganz ehrlich fragt man sich, wie doof und wie hilflos sind manche Leute? Meckern des meckerns wegen? Auch die massive Schneechaos-Kritik an der USK (und gleiches auch in vielen anderen Kommunen) und vor allem der Ton und die Art und Weise lassen mich echt fragen, ob manche Leute jetzt völlig den Bezug zur Realität verloren haben… schlimm!!!!

     
  6. 10

    Wie kann man nur etwas so Peinliches machen
    und wegen eines ein wenig verzogenen Abfalltonnen-Deckels
    an die Öffentlichkeit gehen …
    ?!?!?!

    🙁

    Und wie kann man nur so etwas völlig Belangloses veröffentlichen …
    Um den Urheber öffentlich bloßzustellen?
    ?!?!?!

    🙁

     
  7. 9

    Aber auch nur „in der Regel“ . Wenn man einmal Richtung Rwanda schaut, dort wurden Kinder schon rekrutiert, wo der Lauf das Längste von der ganzen Soldatennummer war.
    Aber zurück zur Bezahlschranke, es gibt viele Gründe die für ein Papierexemplar sprechen.
    Im alten Bremen war die Zeitung rund um den Fischmarkt immer ruckzuck ausverkauft.
    Es herrschte nämlich Papierknappheit, und die Händler kauften die Tageszeitung packenweisee um ihre Heringe und andere Fische einpacken zu können.

    Aber wenn man einmal die Weisheit „nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern in Betracht zieht, müsste die Bezahlschranke nach einigen Tagen, spätestens einer Woche, verschwinden
    Dem ist aber nicht so, womit die Verlage sich ziemlich offen als Geldhaie outen.
    Ãœbrigens keine Spezialität der reinen Pest,dieser Unart begegnet man in ganz Deutschland.
    Solche Verlage müsste man denn auch rigoros von öffentlichen Presseterminen fernhalten.
    Verkaufen, was man woanders umsonst „mitgenommen“ hat grenzt ja schon an Betrug .

     
  8. 7

    & nichts ist praktischer…

    Wohl wahr. Nicht alles ist mit einer App zu lösen.
    Ich habe schon mal mit Zehnjährigen zu tun, die nicht mal mehr den Umgang mit einem Karabinerhaken beherrschen. Vermute: Nicht gedient !

    Also: Fühlen, riechen, schmecken und ab und zu auf die Nase fallen…

    &Ralf: Können wir das mal „zentral“ klären ?

     
  9. 5

    @ein Zugezogenen Um den geschätzten kleveblog-Lesern Lebenshilfe zu geben, ist der Redaktion kein Aufwand zu groß, und natürlich hätte ich beim tatsächlichen Passieren der Bezahlschranke vermutlich laut aufgelacht, wenn ich im dritten Absatz bis zu dieser Auflösung vorgedrungen wäre. Aber ich verfüge über einen regulären Datenbankzugang zu den Inhalten.

     
  10. 4

    Ich frage mich gerade ob kleveblog bedauert die Bezahlschranke überwunden zu haben, nur um hinter die Geheimnisse des RP-Qualitätsjournalismus zu kommen. Andereseits ist das natürlich der Beweis das seriös recherchierter Journalismus eben nicht gratis zu haben ist..

     
  11. 3

    Neben den Absurditäten im Journalismus, wundere ich mich auch wie hilflos wir geworden sind. Deckel von Mülltonnen aus einem Material, das relativ elastisch d.h. nicht spröde ist, hat sich durch Lagerung und Transport verzogen? Dann besteht die Möglichkeit, dass sich der Deckel in die ursprüngliche Form bringen lässt, wenn man ihn in die richtige d.h. ursprüngliche Form zwingt. Der praktisch veranlagte Mensch überlegt „kann ich mit meinen Möglichkeiten und Mitteln das bewerkstelligen?“ In diesem Fall ist die naheliegende Lösung auf die auch jeder selbst hätte kommen können, den Deckel mit einem schweren Sack mit mehreren Kilo Gewicht (Katzenstreu, Gartenerde, Hundefutter usw.) und/oder einem schweren Gegenstand (Ziegelstein, Kalksandstein, größere Stahlteile usw.) in der richtige Position/Form zu zwingen.

     
  12. 2

    Unangenehm an diesen ganzen Online-Internet-Bezahlsystemen sind nicht nur die Kosten, -sondern im Gegensatz zur Printausgabe, die ich anonym bezahlen und dann ungestört lesen kann, dass beim Onlinesystem jederzeit bekannt ist, wer(!) wann(!) von wo(!) welchen Artikel liest.

    Viel zu viel Informationen die erstens niemanden etwas angehen und 2. ziehen solche Medien wie die RP daraus zusätzlichen Nutzen, indem sie mein Leseverhalten analysieren und mir dann ungefragt „angepasste“ Werbung unterjubeln.

    Das geht bei der Printausgabe nicht.

    Und nochmal perfide ist ja, dass das Lesne wie bei eienr Printausgabe auch online möglich wäre, durch anyonmyes Bezahlen eines PDF z.B. via Paysafe. Aber das wollen die Verlage nicht. Sie bieten nur die personalisierte Bezahlmöglichkeit an um bewusst und hinterrücks Daten abzusaugen.

    Wie hier im von Ralf vorgestellten Fall sind die Infos über mich für die RP dann viel interessanter als die Infos der RP für mich.

    Und dafür noch Geld bezahlen? Gehts noch?

     
  13. 1

    Auch die Mafia beschwert so einiges mit Steinen oder auch Betonklötzen, damit das „Problem“ nicht wieder auftaucht.

    Möglicherweise sollte ich ähnliches mit der Rheinischen (!) Post machen. Aber wenn es so weitergeht, gehen die sowieso den Bach runter.