Ein Verhandlungstag musste abgesagt werden, einen weiteren am Montag durchstand der Angeklagte nur mit Schmerzmitteln – hier die letzten Entwicklungen im Prozess gegen Sektenführer der Transformanten vom Kloster Graefenthal.
Die starken, ringförmigen Kopfschmerzen, die schon in der vergangenen Woche einen Prozesstag platzen ließen, waren immer noch da. Sie führten allerdings diesmal nur dazu, dass der 59 Jahre alte Angeklagte Schmerzmittel erhielt, sodass er trotzdem auf der Anklagebank Platz nehmen musste, als die 7. große Strafkammer des Landgerichts Kleve am Montag einmal mehr über die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen den selbsternannten Propheten der Sekte „Orden der Transformanten“ verhandelte.
„Ich habe Medikamente bekommen“, so der Angeklagte. „Aber ich habe wirklich sehr viele Kopfschmerzen.“ – „Wir versuchen es“, so der Vorsitzende Richter Christian Henckel.
Kopfschmerzen allerdings dürften sich langsam aber sicher auch bei den verbliebenen Prozessbeobachtern einstellen, denn die Flut der Anträge, die die Verteidigung stellt, nahm auch am Montag kein Ende. Ein neuer Höhepunkt war dabei die rund einstündige Verlesung eines vorläufigen Gutachtens, welches ein italienischer Rechtsphilosoph und Rechtssoziologe dazu verfasst hatte, wie die Aussagen von ehemaligen Sektenmitgliedern in Bezug auf ihre frühere religiöse Heimat zu werten seien. Den ausufernden Vortrag hielt Verteidiger Dr. Rüdiger Deckers.
Aber auch seine Kollegin Pantea Farahzadi hatte noch Anträge im Gepäck. Sie wollte zwei weitere Ordensmitglieder als Zeugen vernommen wissen. Deckers wiederum beantragte, einen Ring in Augenschein zu nehmen. Das Schmuckstück enthalte die Initialen des Propheten und die der Frau, die sein mutmaßliches Opfer ist. Dazu noch eine Serie weiterer Buchstaben, deren Sinn sich nicht erschloss. Mit der Aktion soll vermutlich bezweckt werden, die Annahme einer einvernehmlichen Beziehung zu unterfüttern. Am Rande wurde auch noch auf eine Tätowierung der Frau hingewiesen.
Was im einzelnen aber genau mit den Anträgen, die teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen wurden, bewiesen werden soll, ist nicht immer ganz nachvollziehbar. So verwundert es auch nicht, dass die Kammer weiteren Ablehnungen von Beweisanträgen, die am Nachmittag zum Ende des Verhandlungstags erfolgten, einige allgemeine Erläuterungen zum Ziel solcher Rechtsmittel voranstellte – nicht ohne zu bemerken, dass die Kammer nun schon „zum wiederholten Male“ darauf hinweise.
Wenn der Vorsitzende Richter, wie üblich sehr konziliant im Ton, auf diese Weise in Richtung der Verteidigung spricht, darf angenommen werden, dass sich in der Kammer ein gewisser Unmut angestaut hat. Dieser steigerte sich gestern noch ein wenig, als über die Termine der Fortsetzung gesprochen wurde und sich herausstellte, dass mal Dr. Deckers, mal Farahzadi und mal beide Strafverteidiger verhindert sind. Farahzadi rechtfertigte sich allerdings damit, dass das Verfahren, das zur Terminkollision führt, schon über eineinhalb Jahre laufe und langfristig terminiert werde.
So wird nun am Mittwoch um 9:30 Uhr weiter verhandelt, außerdem am Donnerstag um 13:30 Uhr.
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Hier der Bericht vom Mittwoch, 29. November:
Nach nicht einmal einer halben Stunde war der für Montag angesetzte Termin im Prozess gegen den selbsternannten Propheten von Graefenthal schon wieder vorbei. Der Stuhl des Angeklagten, dem vielfacher sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, war unbesetzt geblieben. Christian Henckel, der Vorsitzende Richter der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve, gab eine Erkrankung des 59 Jahre alten Niederländers als Grund an.
Demnach habe der Angeklagte am Morgen über „starke, ringförmige Kopfschmerzen“ geklagt. Ein hinzugezogener Arzt untersuchte den „Propheten“ daraufhin. Bei der Kontrolle der Vitalwerte fanden sich zwar keine Auffälligkeiten, gleichwohl ordnete der Mediziner an, dass kein Transport aus dem Gefängnis in Düsseldorf zum Gericht in Kleve erfolgen solle – „trotz einer gewissen Skepsis“, wie der Mediziner mitteilen ließ.
Im Zweifel aber für die Migräne.
Somit blieb der Kammer erst einmal nichts anderes übrig, als weitere Termine ins Auge zu fassen. Sie reichen schon bis ins Jahr 2022, nun soll auch am 4. und 11. Januar verhandelt werden. Einmal mehr mahnte das Gericht zur Eile, allerdings fügte Henckel in Richtung Verteidigung auch eine persönliche Anmerkung hinzu: „Meine Lebensplanung hat sich geändert.“
Zum Hintergrund: Eigentlich hätte der Vorsitzende Richter am 30. November – also am Dienstag – seinen letzten Arbeitstag gehabt. Von Beginn an war während der Verhandlung für den Fall, dass diese Grenze überschritten werden würde, ein Ersatzrichter anwesend gewesen. Doch der ist seit kurzen nicht mehr dabei. Das heißt: Die Kammer wird das Verfahren auf jeden Fall unter dem Vorsitz von Henckel zu Ende bringen.
Am vorletzten Verhandlungstag, am Freitag vergangener Woche, hatte das Gericht den beiden Anwälten des Angeklagten, Dr. Rüdiger Deckers und Pantea Farahzadi, den heutigen Tag als Frist gesetzt, weitere Anträge einzureichen. Das musste nun verschoben werden. Allerdings reichte Dr. Rüdiger Deckers schon ein neues Ersuchen in Schriftform ein. Diesmal soll ein angesehener Religionswissenschaftler aus Turin zur Problematik von Sektenaussteigern einvernommen werden.
@Im Namen… Ist wirklich ein bisschen drüber zurzeit.
Wie frustrierend das Ganze. Diese Rechtsanwälte sollten sich schämen, sich derart einspannen zu lassen. Hauptsache, das Honorar stimmt?
Dank an den Vorsitzenden Richter, der das nun durchziehen will.
gute Entscheidung von Richter Henckel, sich und die Gesellschaft nicht erpressen zu lassen.
So langsam setze ich ziemliche Fragezeichen an der äusserst coulanten Behandlung des Angeklagten.
Anstatt, wie es jedem anderen Bürger zugemutet wird, den Angeklagten (natürlich unter Bewachung) mit dem Zug von Düsseldorf nach Kleve zu transportieren, bekommt der Herr ein Privattaxi gesponsort, werden ominöse Zeugen von wirklich unvollziehbar weiten Provinzienz herangezogen, und jetzt sogar nicht wirklich diagnostizierte Krankheitszustände vorgeschoben.
Da anscheinend die Verteidigung auf eine Revision hinarbeiten, sollte das Gericht diesem Begehren doch einfach zuarbeiten.
Es ist nicht hinnehmbar, wie z.B. der Fall des vermeintlichen Brandstifters (Sache Mühlhoff) in kurzen Zügen hart beendet wurde, und man in diesem Verfahren jedem Hirngespinst nachgibt.