„Heimat für die Ohren“: Was wird aus Antenne Niederrhein?

Mit dem Empfangsgerät Ronny 6945, in den Jahren 1961 und 1962, ließe sich Antenne Niederrhein hören, sofern oben wie zu sehen der Knopf U gedrückt ist (für Ultrakurzwelle) und mit dem Rädchen rechts der Empfang auf 98,0 oder 105,7 MHz eingestellt wird. (Foto: P. Stockhorst)

Viele Menschen hören Antenne Niederrhein, ohne überhaupt darüber nachzudenken, dass sie Antenne Niederrhein hören, ganz einfach, weil es zur Gewohnheit geworden ist, so wie eine Tasse Kaffee am Morgen oder den Reißverschluss der Hose zuzuziehen, bevor man das Haus verlässt. Moderatoren wie Oliver Drucks oder Volker Lübke sind über die Jahre fast schon so etwas wie Familienmitglieder geworden, wie der nette Onkel, der verlässlich zu Geburtstagen auftaucht und irgendwelche Geschichten erzählt, die man am nächsten Tag schon wieder vergessen hat. Der Sender fühlt sich der Region verpflichtet, was beispielsweise auch daran zu erkennen ist, dass für die anstehenden Karnevalsumzüge Wurfmaterial verlost wird. Die vier Gewinner können sich über jeweils vier Kisten mit veganen Gummibärchen freuen. 

Doch wie immer im Leben, wenn etwas allzu selbstverständlich geworden ist, entwickelt sich im Untergrund Ungemach – und so ist es auch bei Antenne Niederrhein.

Homepage von Antenne Niederrhein

Bekannt wurde dies in politischen Kreisen erstmals Ende Oktober des vergangenen Jahres, als die Veranstaltergemeinschaft für den lokalen Rundfunk im Kreis Kleve e.V. und beim Kreis Kleve einen Zuschuss von 50.000 € beantragte. Das Geld soll in den Haushalt 2025 eingestellt werden, Kreisausschuss und Kreistag befinden darüber am heutigen Donnerstag. Parallel dazu liefen die Vereinigte Wählergemeinschaften Kreis Kleve (VWG) zu einer Rettungsaktion für den Sender auf. „Ein wichtiger Kommunikationskanal steht auf der Kippe“ hieß es in der entsprechenden Pressemitteilung, und sodann wurde ausgeführt, dass die Redaktion Ende Mai ihre Räume verliere, neue Räume erforderlich seien, zudem sei eine finanzielle Unterstützung geboten.

„Antenne Niederrhein ist mehr als nur ein Radiosender. Er informiert täglich über die Themen, die unsere Region bewegen – von lokalen Nachrichten über kulturelle Veranstaltungen bis hin zu politischen Entwicklungen. Für viele Menschen ist er eine zentrale Informationsquelle, die direkt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten ist. Der Wegfall des Senders wäre ein großer Verlust für die regionale Gemeinschaft,“ sagt Patricia Gerlings-Hellmanns, Kreistagsmitglied der VWG. Besonders wichtig sei die Rolle des Lokalradios im Katastrophenschutz.

Die Betreibergesellschaft selbst beschrieb ihren Sender plakativ als „Heimat für die Ohren“.

Zur Begründung des Förderantrags führte der Vereinsvorsitzende Robert Arndt aus: „Neben bester musikalischer Unterhaltung sieht es Antenne Niederrhein mit den langjährigen Mitarbeitenden als Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Kleve über die wichtigsten Themen der Region zu informieren. Was sich bei vielen Tageszeitungen hinter einer Paywall verbirgt, gibt es bei Antenne Niederrhein sowohl im Programm, den stündlichen Lokalnachrichten und in Kurzform in den sozialen Netzwerken kostenfrei.“ Dieser Service sei existenziell und unwiderruflich bedroht. Man müsse davon ausgehen, dass Antenne Niederrhein aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen werde, zum 1. Juni 2025 nach Düsseldorf umzuziehen und von dort aus zu senden. „Dies wäre aus unserer Sicht das faktische Ende eines lokalen Radiosenders für den Kreis Kleve“, so Arndt.

Im gewissen Sinne ist der Förderantrag allerdings auch die Bankrotterklärung des weltweit einmaligen Zwei-Säulen-Modells, mit dem der lokale Rundfunk in Nordrhein-Westfalen seit 1990 betrieben wird. Demnach gibt es eine für den redaktionellen Inhalt zuständige Veranstaltergemeinschaft (ein Verein) und eine für die wirtschaftlichen Abläufe verantwortliche Betriebsgesellschaft. Im Falle von Antenne Niederrhein ist es eine Tochtergesellschaft der Rheinischen Post Mediengruppe, was vielleicht auch erklärt, warum dieses Thema in der örtlichen Presse bisher nicht behandelt worden ist. Die Pressefunk GmbH mit Sitz in Düsseldorf ist als Dienstleister der lokalen Radiostationen für die Bereiche Verwaltung, Technik, Marketing und Werbezeitenverkauf zuständig.

Doch die Medienlandschaft ist nicht mehr der geordnete Streichelzoo wie 1990, als die Telefone noch eine Wählscheibe hatten und das Internet noch gar nicht existierte (das kam 1993). Heute kann jeder mit seinem Smartphone Podcasts machen und so gewissermaßen seinen eigenen Sender ins Leben rufen, und anders als früher buhlen nicht nur zwei Lokalzeitungen, zwei Anzeigenblätter und ein Radiosender um die Aufmerksamkeit der „User“, sondern neben den fast schon antiquiert wirkenden etablierten Medien eine Vielzahl von Netzwerken und Selbstdarstellern, die darin aktiv sind („Influencer“). Die Rahmenbedingungen sind also eine Katastrophe für ein vielköpfiges Medienunternehmen, wie es Antenne Niederrhein heute ist.

In den vergangenen Monaten hat der Sender eigenen Angaben zufolge bereits alle möglichen Kostenpunkte, die reduziert werden konnten, reduziert. Auch mit der Verpflichtung von Christoph Kepser als Chefredakteur setze Antenne Niederrhein alle Zeichen auf Neustart und Zukunft, wie das noch regionalere und jüngere Programm von Antenne Niederrhein der vergangenen Monate deutlich mache. Dennoch laufe die Zeit davon.

Mit Hilfe des Zuschusses soll der Standort Kleve gesichert und der Sender selbst in die moderne Zeit überführt werden. In dem Antrag heißt es: „Die 50.000 Euro werden in 2025 vor allem benötigt, um einerseits Richtung Hauptgesellschafterin Rheinische Post ein starkes Signal für die Bedeutung eines kreisweiten Mediums zu setzen, andererseits insbesondere um Zeit zu gewinnen, ein neues cloudbasiertes Lokalradio Antenne Niederrhein mit deutlich schlankeren Strukturen in 2026 in den Betrieb zu bringen.“

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14 Kommentare

  1. 13

    Das WWW ist von 1993. Die Geburt des Internet – als Nachfolger des ARPANet – wird meist auf das Jahr 1981 datiert. Das ist das Jahr, in dem sich die damals noch wenigen Netzknoten darauf verständigten, TCP/IP als gemeinsames Protokoll zu verwenden, so wie es heute noch ist. Einige Dienste, die ins Internet „eingemeindet“ wurden, sind noch viel älter, die erste E-Mail wurde zB 1969 verschickt.
    Bevor es das WWW gab, war das UseNet (NNTP) der am häufigsten genutzte Dienst; er existiert noch, und er ist heute noch, was er damals war: ein Refugium für Nerds, im wohlmeinenden Sinne.

     
  2. 12

    Ja, der ÖR wird nicht durch Steuern finanziert, sondern durch den Rundfunkbeitrag. Die GEZ gibt es übrigens nicht mehr. Eine Ausnahme ist die Deutsche Welle, die als Auslandsrundfunk auch vom Bund mitfinanziert wird.

    Die föderale Struktur Deutschlands macht sich auch beim ÖR bemerkbar. Jedes Bundesland hat seine Landesrundfunkanstalt, die wiederum jeweils einen landesbezogenen und regionalen Berichtsschwerpunkt hat. So hat der WDR mehrere regionale Studios in NRW, von Bielefeld, Münster über Duisburg, Düsseldorf, Bonn, Siegen bis Aachen. Die Berichte über den Kreis Kleve kommen in der Regel bekanntlich aus dem Studio Duisburg. Auf Regionalisierung setzt der WDR auch weiterhin. Außerdem gibt es Büros wie in Kleve, in denen aber nicht produziert wird.

    Warum keine Steuergelder, sondern Rundfunkgebühren. Das war eine Konsequenz aus der NS-Zeit, als der damalige öffentliche Rundfunk vom NS-Regime vereinnahmt und – zum Großdeutschen Sender umfunktioniert – als Propaganda-Rundfunk missbraucht wurde. Das wäre nach aktuellee Gesetzeslage und Finanzierungsmodell nicht möglich. Der WDR wurde unter der britischen Besatzung im Rheinland nach dem Vorbild des BBC neu aufgebaut.

    Die umfassende ARD-Strukturreform läuft. Beim WDR wurden in den letzten zehn Jahren ca. 500 Stellen eingespart. Jetzt werden auch inhaltliche Angebote geprüft.

    Entgegen der landläufigen Meinung steht auch Unterhaltung im Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der von den Ländern, nicht von den RFA selber, formuliert wurde und auch nur von diesen geändert werden kann. In NRW ist es das Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk, kurz WDR-Gesetz.

     
  3. 11

    @All
    Wenn man den Antrag auf Unterstützung / Zuschuss an den Kreis Kleve aus 2024 richtig liest, dann sind die 50.000€ dafür um in Richtung „Hauptgesellschafterin Rheinische Post“ ein starkes Signal für die Bedeutung eines kreisweiten Mediums zu setzen und um andererseits insbesondere um Zeit zu gewinnen.
    Resümee, die 50.000€ des Kreis Kleves könnten also durchaus auch in den Sand gesetzt sein.

    Zitat: „Antrag für die Einstellung eines Zuschusses in den Haushalt 2025“
    ……..Die 50.000 Euro werden in 2025 vor allem benötigt, um einerseits Richtung Hauptgesellschafterin Rheinische Post ein starkes Signal für die Bedeutung eines kreisweiten Mediums zu setzen, andererseits insbesondere um Zeit zu gewinnen, ein neues cloudbasiertes Lokalradio Antenne Niederrhein mit deutlich schlankeren Strukturen in 2026 in den Betrieb zu bringen. Vertiefende Informationen finden Sie in der Anlage zu diesem Antrag. Im Übrigen verstehen sich die beantragten 50.000 Euro als maximaler Zuschuss, um ein mögliches negatives Jahresbetriebsergebnis auszugleichen…..

     
  4. 10

    Kein Verlust. Dann werde ich wenigstens beim Friseur nicht mehr mit diesen schlechten Moderatoren und dieser beschissenen Musik gefoltert. Habe diesen Sender mit all seinen schlechten Moderatoren schon immer nur als Zumutung empfunden.

     
  5. 9

    @4 Antenne Niederrhein-Fan
    Guten Tag, im Gegensatz zu den Privaten am Rundfunkmarkt mit rein wirtschaftlichen Interessen, haben öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten neben einem Grundversorgungsauftrag einen gesetzlich definierten Programmauftrag nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bekommen.
    Daher ist eine der weiteren wesentlichen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit.
    Aus dem Grundversorgungsauftrag des Rundfunks kann ein Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende Wissensvermittlung abgeleitet werden.
    Dafür bezahlen wir Bürger unsere GEZ-Gebühren um diesem Auftrag nachzukommen, allerdings muss ich zugestehen das die 16 Landesrundfunkanstalten mit ihren zahlreichen Dritten Fernseh-, und Radiosendern inzwischen etwas sehr aufgebläht sind, hier wäre eine Verschlankung angebracht.

     
  6. 8

    @4

    Im Sinne der unabhängigen Berichterstattung ( ÖRR)
    Wichtige und richtige Funktion zur Sicherstellung einer neutralen medialen Berichterstattung !

    Was natürlich im Prinzip durch je 1 Fernseh sowie Radiosender abgedeckt wäre.
    Es bedarf auf jeden Fall nicht all der Regionalprogramme, Live Sendungen von Sport-Großereignissen und Berichterstattungen über royale Hochzeiten usw auf allen Sendern des ÖRR gleichzeitig sowie semi-lustigen Krimis welche alle durch den Gebührenzwang finanziert werden.

    Die neutrale und unabhängige Berichterstattung, also eine Reduzierung auf den eigentlichen Auftrag ( plus etwas extra Kohle zur Sicherstellung der Unabhängigkeit)
    ist locker mit der Hälfte des jetzigen Beitrags zu bewerkstelligen.

    Wer die. aktuelle Stunde , die Sportschau , die Rosenheim-Cops oder die Hochzeit von Prinzessin Lillifee sehen will muss das dann halt extra zahlen.

    Bzw anders gesagt, sollte sich das o.g. extra Programm des ÖRR genauso wie auch Antenne Niederrhein am Markt durchsetzen aber nicht durch eine Zwangsabgabe oder aus steuerfinanzierten Mitteln finanziert werden.

     
  7. 7

    Wenn ich höre wie ein Radio Sender ☝🏽 der die Heimat wie hier am Niederrhein, sehr beliebt , „versorgt“+ der scheitert evtl. an kleiner Kohle, erlebe dann täglich die Schmarotzer in ihren goldenen Trögen der 🤢 „Öffentlichen“ muss ich mich schon ganz leicht zurück halten. 🤫 😠

     
  8. 6

    Ich kenne wirklich niemanden, der diesen Sender hört. Gibt’s dazu Zahlen, auch welche Zielgruppen angesprochen werden?

     
  9. 4

    @1.
    Warum werden andere, nicht private Sender von hohen Steuergeldern finanziert? Man muss bezahlen, auch wenn man diese nicht nutzt.

    Antenne Niederrhein hat regional sehr viel zu bieten und ist für unsere Region von hoher Bedeutung!

     
  10. 1

    Das Thema finanzierte sich als Privater Rundfunksender doch bisher über Werbeeinnahmen.
    Dann bitte auch weiterhin, warum soll nun eine Kommune oder eine Kreis auf einmal Geld hinzuschießen?