Gleichstellungsplan 2024-2029 „könnte von einem Erstsemester sein“? Nein! Es ist schlimmer

Erschlagen mit Balken: Der Gleichstellungsbericht im Schnelldurchlauf

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Was könnte das sein? Eine Konditorei nach einem Erdbeben? Ein Betriebsjubiläum unter Zimmermännern?

Nein, es handelt sich um exemplarisch ausgesuchte 16 Folien aus der Präsentation „Gleichstellungsplan 2024-2029“, der von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Kleve, Yvonne Tertilte-Rübo, im Hauptausschuss vorgestellt wurde – beschrieben allerdings nicht nach dem Inhalt, sondern nach der Art der Darstellung dieser Informationen, mit der betrüblichen Folge, dass das mit viel Freude am Detail zusammengestellte Werk so erscheint, wie es auf die Mitglieder des Ausschusses gewirkt haben muss – wie eine Mischung aus Slapstick und Prügelstrafe.

In Kleve ist natürlich alles immer gut, und natürlich sind wir in der Stadtverwaltung auch in Sachen Gleichstellung auf einem guten Wege, und den Ehrgeiz der Beteiligten, in diesen Belangen etwas zu verbessern, sollte man als tatsächlich vorhanden voraussetzen. Zwei Dinge allerdings müssen an dieser Stelle ausgesprochen werden: Die reine Vermittlung der Zahlen ist eine Katastrophe, und, möglicherweise durch die verwirrende und überbordende Form der Darstellung etwas verschleiert, die Zahlen selbst sind es auch.

Aufmerksam geworden ist die Redaktion auf die Präsentation durch einen Bericht in der NRZ, in dem Lokalpolitiker von Grünen, SPD und Offenen Klevern heftige Kritik übten. Bürgermeister Wolfgang Gebing hielt dagegen: „Die Klever Gleichstellungsbeauftragte leistet hervorragende Arbeit und steht mit ganzer Kraft hinter ihren Überzeugungen. Dank ihres vielfältigen Engagements ist dies weit über die Grenzen der Stadt Kleve hinaus bekannt“ (siehe auch die vollständige Pressemitteilung der Stadt Kleve in den Kommentaren).

Demgegenüber sagten die Kritiker, es seien nur Statistiken „zusammengepappt“ worden, was auch „ein Erstsemester“ hätte leisten können. Das aber kommt einer Beleidigung von Hochschulneulingen gleich, denn es darf unterstellt werden, dass diese immerhin noch den Ehrgeiz haben, die Dinge so darzustellen, dass sie dem Betrachter gefallen. Vom Stilpapst des Journalismus, Wolf Schneider, gibt es das Bonmot: „Einer muss sich quälen, entweder der Schreiber oder der Leser.“ Viele der 47 Folien sehen danach aus, als ob der Rezipient regelrecht gefoltert werden soll.

Dabei bestätigt der ganze Datenwust, so traurig das ist, vor allem ein Phänomen, das in allen Unternehmen und Institutionen gleichermaßen zu beobachten ist – dass mit zunehmendem Aufstieg in der Hierarchie die Zahl der Frauen aus welchen Gründen auch immer abnimmt. Mit jeder Stufe des Aufstiegs fallen immer ein paar Frauen mehr als Männer raus, so dass es am Ende überall so viril aussieht wie in den Vorstandsetagen deutscher Automobilkonzerne. Die Klever Stadtverwaltung mit ihren 104 Beamtinnen und Beamten, 459 tariflich Beschäftigten sowie 93 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst macht da keine Ausnahme.

Da die Zahlen so schlecht aufbereitet sind, dass eine Gesamtdarstellung kaum möglich ist, abgesehen von der allgemeinen Feststellung, dass der Frauenanteil beim Stammpersonal 61 % beträgt (das Übergewicht ergibt sich aus 84 weiblichen Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gegenüber neun männlichen), beschränken wir uns bei der folgenden Darstellung auf die Teilmenge der Beamtinnen und Beamten und der Tarifangestellten.

Macht man sich die Mühe, in der Präsentation die vier Gehaltsstufen und die nicht explizit erwähnte Stadtspitze nach Köpfen zu zählen und dann nach Geschlecht aufzuteilen, ergibt sich ein eindeutiges Bild mit eindeutiger Tendenz – in der untersten Gehaltsstufe beträgt der Frauenanteil mehr als 80 Prozent und fällt dann kontinuierlich. Bei den Männern ist diese Entwicklung dann logischerweise genau entgegengesetzt, bis hin zur dreiköpfigen Stadtspitze, die zu hundert Prozent aus Männern besteht.

Eine Tabelle, die eigentlich alles sagt (Grafik: K. Lemhöfer)

Das alles ließe sich schön in einer einzigen Tabelle darstellen, etwa so wie in der hier angefügten, und den Betrachtenden wäre sofort klar, dass die Verhältnisse noch stark verbesserungsfähig sind.

14 % Punkte Schritt in die richtige Richtung“

Stattdessen aber überrascht die Präsentation mit der Mitteilung, dass in Kleve 36 % Frauenanteil & Führungspositionen herrscht, ein „14 % Punkte Schritt in die richtige Richtung“ (gegenüber 2017), wie es in der Präsentation heißt. Wo aber sind sie, die Frauen, die führen?

Ein Balkendiagramm auf Seite 21 mit beigefügter Tabelle gibt die Auflösung. Bei Führungspositionen im Bereich Dezernatsleitung – nur Männer. Fachbereichsleitungen – 73 % Männer. Nur bei der „Leitung von Einrichtungen“ herrscht beinahe Parität. Was zählt denn als Einrichtung? Stadtsprecher Niklas Lembeck klärt auf: „Mit Einrichtungen sind in diesem Fall die folgenden Organisationen gemeint, deren Leitungen allesamt städtische Bedienstete sind: Volkshochschule Kleve, Stadtbücherei Kleve, Museum Kurhaus Kleve, Gebäudemanagement der Stadt Kleve, Familienzentrum Morgenstern, Kita Zauberfarben, Kita Kleeblatt. 
Die drei Kindertageseinrichtungen werden von Frauen geleitet.“

Und bei der stellvertretenden Leitung von Einrichtungen liegt der Frauenanteil sogar bei 100 %. Der „14 % Punkte Schritt in die richtige Richtung“ hängt also eng damit zusammen, dass die Leiterinnen und stellvertretenden Leiterinnen aller Kindergärten mitgezählt werden. No offense gegen den verantwortungsvollen Job, der in diesen Einrichtungen geleistet wird, aber ist das mit der Dezernatsleitung oder einer Fachbereichsleitung in einer Verwaltung in einen Topf zu werfen?

Wie aber sollen die Verhältnisse weiter verbessert oder sogar optimiert werden? Yvonne Tertilte-Rübo sprach in der Presse als Reaktion auf die Kritik von 26 Einzelmaßnahmen die in der Präsentation genannt werden. Zählt man durch, kommt man aber nur auf 16, und selbst das nur, wenn diffuse Buzz-Wörter wie Gender-Stereotype, Gender-Gaps und Care-Gaps als einzelne Maßnahme gerechnet werden, selbst wenn man nicht weiß, was es bedeutet. Schön auch die erste „Zielmaßnahme“ im Bereich „Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie lautet: „Ausstellung ‚Väterporträts‘ wird im Klever Rathaus gezeigt.“ Die Stockfotos dazu zeigen einen Mann mit Feudel und einen mit Spülhandschuhen und Spülschwamm. Dann kann ja nichts mehr schief gehen!

Nachtrag: Eine einzelne, konkrete Maßnahme, die tatsächlich wirken könnte, ist in der Klever Stadtverwaltung hingegen nicht vorgesehen: Wer in Teilzeit arbeitet, darf nicht an Fortbildungen teilnehmen – mit denen man sich beispielsweise für eine Beförderung qualifizieren könnte. Und natürlich arbeiten deutlich mehr Frauen in Teilzeit als Männer (allerdings fehlt die Zahl in dem Bericht).

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Der Bericht ist öffentlich zugänglich. Hier der Link: https://ris.kleve.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZZ3khjjSv03mp8Oy8hu8M_4 

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Frühere Berichte auf kleveblog zum Thema:

https://www.kleveblog.de/klever-rathaus-aktenzeichen-xy-als-mann-steigst-du-eher-auf/

It’s a men’s world, especially in Kleve.

Deine Meinung zählt:

20 Kommentare

  1. 18

    @17 Da hat Yvonne Tertilte-Rübo ja nochmal Glück gehabt, dass es keine wissenschaftliche Abschlussarbeit ist…

     
  2. 17

    Ohne den Inhalt bewerten zu wollen: Im Plan finden sich häufiger Schreibweisen wie „x % Punkte“ anstatt „x Prozentpunkte“. „x%“ steht dort genauso wie „x %“ und „x Prozent“.
    Eine einheitliche Schreibweise ist eigentlich üblich. Auch sonst macht der Plan optisch leider nicht den besten Eindruck.

    Ich bin da vielleicht sehr pingelig, aber so etwas verbessert nun nicht den Gesamteindruck des Plans. Einen Erstsemester hätte man das – zu Recht – in einer wissenschaftlichen Arbeit angekreidet.

     
  3. 15

    Was mir gerade auffällt: Wer bei der Stadt Kleve in Teilzeit arbeitet, darf nicht an Fortbildungen teilnehmen?

    Ein regelrechtes Verbot? Auf welcher rechtlichen Grundlage? Oder „nur“ ein Nicht-Genehmigen?

    Auch wer 80 Prozent arbeitet, nicht?

    Hhm, das wäre bedenklich und ist natürlich nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer nachteilig und motiviert auch nicht, zugunsten der Berufstätigkeit der Partnerin (vorübergehend) auf Teilzeit zu gehen.

    Wäre da, wo ich arbeite, auch Öffentlicher Dienst, ein absolutes Unding.

     
  4. 14

    Sehr gut finde ich Gebings klare Haltung zu im Ton (teils genüsslich) unsachlicher Kritik an der Präsentation der Gleichstellungsbeauftragten.

    Die Kritik in der Sache nimmt er an und auch auf sich. Das ist souverän.

     
  5. 13

    Pressemitteilung der Stadt Kleve: In seiner Sitzung am 21. Februar 2024 hat der Rat der Stadt Kleve den durch die Stadtverwaltung ausgearbeiteten Gleichstellungsplan der Stadt Kleve einstimmig beschlossen. Dem deutlichen Votum waren intensive politische Beratungen vorangegangen. Der fortgeschriebene Gleichstellungsplan gilt nun bis 2029. Dem Ausschuss für Generationen und Gleichstellung der Stadt Kleve wird jährlich berichtet.

    Gleichstellungspläne sind für Kommunen ein wichtiges Instrument der Personalplanung und die Personalentwicklung. In ihnen werden die kommunalen Ziele zur Erreichung von geschlechterübergreifenden Chancengleichheit aufgeführt und festgeschrieben. Ein ausführlicher statistischer Teil trägt zur interkommunalen Vergleichbarkeit des Status quo in Sachen Gleichstellung bei. Verantwortlich für die Erstellung, die Fortschreibung, die Überprüfung und Umsetzung des Plans ist die Stadtverwaltung, stets unter Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten.

    Bürgermeister Wolfgang Gebing betonte dies in der Ratssitzung am Mittwochabend: „Die Erstellung des Gleichstellungsplanes liegt in der Verantwortung der Verwaltung. Dabei steht uns die Gleichstellungsbeauftragte beratend und unterstützend zur Seite. Kritik an den Ausführungen des Gleichstellungsplanes ist mithin an die Stadt Kleve – und persönlich an mich als Dienststellenleiter – zu richten.“

    Sachliche Kritik seitens der politischen Gremien wurde durch die Stadt Kleve unmittelbar aufgenommen. Dank der engagierten und produktiven Zusammenarbeit zwischen den städtischen Verantwortlichen und der Klever Gleichstellungsbeauftragten konnten zahlreiche Kritikpunkte am Gleichstellungsplan kurzfristig nachgeschärft werden. Im Ergebnis ist ein Gleichstellungsplan entstanden, der konkrete Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern vorsieht. Insbesondere die Zielmaßnahmenbeschreibung im Anhang des Gleichstellungsplans erleichtert die Nachvollziehbarkeit der Ziele sowie die Kontrolle der Fortschritte anhand eines Ampelsystems.

    In einer schriftlichen Stellungnahme hat die Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsstellen NRW festgestellt, dass der Gleichstellungsplan der Stadt Kleve bereits vor seiner erneuten Überarbeitung den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.

    „Besonders irritiert bin ich allerdings über den Umgangston, der in den politischen Beratungen zum Gleichstellungsplan gepflegt wurde“, so Bürgermeister Gebing, „Neben wertvoller und sachlicher Kritik sind unsachliche Vorwürfe zur Arbeitsweise und zur Arbeitsleistung der Gleichstellungsbeauftragten erhoben worden, die leider ein entsprechendes Echo in den lokalen Medien gefunden haben. Ich sage es deutlich: unsachliche Kritik an der Arbeit einzelner städtischer Bediensteter hat keinen Platz in unseren politischen Beratungen. Die Klever Gleichstellungsbeauftragte leistet hervorragende Arbeit und steht mit ganzer Kraft hinter ihren Überzeugungen. Dank ihres vielfältigen Engagements ist dies weit über die Grenzen der Stadt Kleve hinaus bekannt.“

    Interessierte finden den fortgeschriebenen Gleichstellungsplan in den Unterlagen zur Sitzung des Rates der Stadt Kleve am 21.02.2024. Diese stehen – genau wie die Unterlagen zu allen weiteren öffentlich tagenden politischen Gremien der Stadt Kleve – für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar im Internet unter ris.kleve.de zur Verfügung. Das Ratsinformationssystem bietet eine nützliche Recherchefunktion, die das Auffinden benötigter Dokumente erleichtert.

     
  6. 12

    @11 Heinrich

    Warum könnte man meinen, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kleve sei hauptberuflich an der Hochschule beschädtigt?

     
  7. 11

    Eine Stellenbesetzung ist grundsätzlich immer nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Klappt in Kleve aber mangels regelmäßiger Beurteilungen nicht. Somit kann die Leistung kein Entscheidungskriterium sein. Es ist auch keine Einführung einer regelmäßigen (z.B. alle drei Jahre) Beurteilung gewünscht, denn dann kann man die Stellenbesetzung nicht nach dem Nasenfaktor entscheiden. Viele Besetzungen müssten dann schon nach Aktenlage vorgenommen werden und das passt nicht allen. Somit ist oft vorher schon entschieden, wer die Stellen kriegt. Teilzeitkräfte haben nur eine Chance wenn sie einen Partner finden, der sich mit auf eine Vollzeitstelle bewirbt.
    Und die Gleichstellungsbeauftragte macht das alles seit Jahren mit, wenn sie überhaupt mal da ist. Denn eigentlich könnte man meinen sie sei hauptberuflich an der Hochschule beschäftigt.

     
  8. 10

    @8:
    Woher haben Sie das denn? Elternzeit zu bekommen war bei beiden Kindern kein Problem, es besteht auch ein Anrecht darauf.

     
  9. 9

    Nachtrag: Aber dazu müssten die rechtlichen Grundlagen verändert werden. Geht natürlich nicht durch eine Kommune.

    Also vielleicht doch erstmal die Fotos ins Bewusstsein sickern lassen…

     
  10. 8

    @Chewgum

    Versuche mal als Vater Elternzeit auch nur anzufragen, da erzählen dir alle behördlichen Institution:innen entgegen jeglicher Gleichstellung was von Erwerbsobliegenheit. Es haut nicht nur absolut, sondern auch sonst nicht hin.

     
  11. 7

    @4 Man könnte z. B. das Elterngeld für Paare, die sich die Elternzeit 50/50 aufteilen wollen, anders berechnen. Meist nimmt ja die Person, die mehr verdient (oft der Mann), weniger Elternzeit – weil es sonst nicht hinhaut.

    Aber es spielen natürlich auch einige andere Faktoren eine Rolle.

     
  12. 4

    Was wird denn jetzt unternommen beim Überhang der Frauen in Teil- und Elternzeit? Väter sind seit immer vollkommen unterrepräsentiert zu Hause beim Kind.

     
  13. 1

    Laut neuer ? Evolution Lehre ? kann sich doch jeder ,wie schön ???? b.B. sein Geschlecht passend aussuchen ? Wo ist das fucking Problem ? ? ?