Dieter Gietmann, „der Cowboy“, 1948-2022

Er war ein Mann der vielen, mitunter verborgenen Talente und einer, der die Kunst der Selbstinszenierung beherrschte, auch bis zuletzt, als er sich in der Öffentlichkeit, die sonst seine Bühne war, rar machte, weil es ihm nicht mehr so gut ging, wie er das wohl gerne gehabt hätte.

Jackett, gestärktes Hemd, lässig getragen: So kannte man Dieter Gietmann

Wenn er in Kleve unterwegs war, sah man ihn mit gestärktem Hemd, eng geschnittener Jeans, Cowboystiefeln – und mit fein gezogenen Locken und manikürten Fingernägeln. „Meine Mutter hat mir beigebracht, immer auf gepflegte Hände zu achten“, sagte er einmal. Und das hielt er auch durch, selbst in Jahren, in denen er als Automechaniker arbeitete oder auch in solchen, in denen er Haftstrafen verbüßte.

Nun macht die Nachricht die Runde, dass Dieter Gietmann im Alter von 73 Jahren an einer Lungenkrebs -Erkrankung, die erst in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert wurde, gestorben ist. (Es passt zu ihm, dass er sich auf seinem Facebook-Profil um zehn Jahre jünger gemacht hat.) Nach Jos van Os (Katzenhof, Biertönnchen, Le Journal) und nach Norbert Feldkamp (Früh) ist Gietmann der dritte bekannte Gastwirt aus der Stadt, der binnen kurzer Zeit sein Leben beschlossen hat.

Dieter Gietmann hieß schon in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen seines exzentrischen Auftritts „der Cowboy“. Wer in den Whisky-Saloon von Detlef Räder ging, sah dort mitunter einen Mann im weißen Trenchcoat an der Theke sitzen, der in stoischer Ruhe ein Bier nach dem anderen kippte. Das war Dieter Gietmann.

Junger Wilder

Später führte er selbst eine Kneipe, den „Regenbogen“ an der Marktstraße. Dort kam es zu dem Zwischenfall, der sein Leben veränderte. Nach einem Streit um Geld ging er wutentbrannt nach Hause, holte eine Schusswaffe (die er besitzen durfte, weil er Mitglied in einem Sportschützenverein war) und schoss damit in den frühen Morgenstunden in Richtung seines Kontrahenten.

Sicher auch an der Gitarre

Dem Richter erzählte er, dass er einen Warnschuss hatte abgeben wollen, und zwar mit einer durchaus überzeugenden Begründung: „Wenn ich ihn hätte treffen wollen, hätte ich ihn getroffen.“ Gleichwohl verurteilte das Landgericht Kleve ihn zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Der Leiter der JVA, in der Gietmann einsaß, wollte ihn am Ende gar nicht ziehen lassen, weil er sich als handwerklich begabter Helfer nahezu unentbehrlich gemacht hatte.

Die handwerklichen Talente des Mannes kamen auch in dem Prozess zur Sprache. Der Richter wollte nicht glauben, dass Gietmann auch drei Jahre in Paris als Kfz-Mechaniker tätig war und fragte danach, was denn Schraubenschlüssel auf Französisch heiße. „Une clé“, antwortete Gietmann wie aus der Pistole geschossen.

Nach der Entlassung aus der Haft versuchte er sich noch einmal als Gastronom („Haus Royen“), das aber war nur eine relativ kurze Episode, und danach verrichtete er im Kreise von Bekannten und Freunde Handwerkerarbeiten, und wenn er dann nach Feierabend auf ein Bier zum Beispiel in die Zentrale kam, erzählte er davon – und insbesondere, wie gut er bestimmte Dinge berechnen konnte, beispielsweise mit dem Satz des Pythagoras.

Und auch da waren ihm die kleinen Dinge wichtig. Er trank seine ziemlich genau fünf 0,2-Liter-Gläser Bier und achtete darauf, dass nicht zu hastig gezapft wurde und das Glas am Ende mit dem Enblem der Brauerei zu ihm gewandt serviert wurde. War das nicht der Fall, quittierte er das mit einem leicht strafenden, aber im Grunde schon altersmilden Blick.

Konzert auf der Eingangsstufe

Wenn Gietmann guter Stimmung war, erzählte er pointensicher von alten, wilden Zeiten. Er griff auch schon einmal zur stets bereitliegenden Gitarre und gab den Gästen, auf der Stufe des Eingangs sitzend, ein improvisiertes Konzert. Darauf, und auf vieles andere, das Dieter Gietmann auszeichnete, wird man nun verzichten müssen.

Dieter Gietmann hinterlässt zwei Töchter.

Deine Meinung zählt:

36 Kommentare

  1. 35

    Und denjenigen, die meinen, sie müssten zu jedem Kommentar hier den “Daumen-runter-Button“ drücken, seien die vielen anderen Beiträge auf dieser Seite empfohlen.
    Es gibt, gab und wird immer Menschen geben, die polarisieren (Dieter gehörte zweifelsfrei dazu), trotzdem gibt es Menschen, die sich gerne an sie erinnern.
    Sich einfach seinen Teil denken und nicht überall anonym sein Missfallen kundtun, wäre völlig ausreichend.

     
  2. 33

    @Ein Freund

    Hatte versucht bei fb Kontakt aufzunehmen… leider keine Reaktion…
    Es ist nun in Planung, eine Abschiedsfeier zu veranstalten… Keine Trauerfeier sondern nach dem Motto “ Wir feiern sein Leben “ Infos dazu gibt es in Kürze, wenn es Erkenntnisse gibt wer teilnehmen möchte. Wir suchen noch nach einer Möglichkeit mit Freunden und Bekannten vom Cowboy Kontakt aufzunehmen.

     
  3. 32

    Hallo Katja, ich denke Du kennst auch mindestens eine der Töchter, insofern erstaunt es nicht. Wie Du richtig sagst, trotzdem traurig, für alle die Dieter gemocht haben und gerne Abschied genommen hätten. Ich denke es wäre eine große Beerdigung geworden…

     
  4. 31

    @Ein Freund

    Danke… auch mein erster Gedanke. Als eine Lebensabschnitt Gefährtin hat es mich sehr getroffen, ohne Abschied von Dieter loslassen zu müssen. Auch alte Weggefährten hätten ihm wohl gerne die letzte Ehre erwiesen… Und nun anonym… Traurig….

     
  5. 29

    Im Sinne der Töchter, aha. Hab mir sowas schon fast gedacht. Kostengünstige Lösung…

     
  6. 28

    Die Einäscherung und Beisetzung in einem anonymen Urnenfeld haben bereits stattgefunden. Es war so im Sinne der Töchter.

     
  7. 27

    Vielleicht hat das seinen Grund, dass der Termin nicht veröffentlicht wird????

    Respect 🕊

     
  8. 24

    Ich suche seit Tagen einen Kontakt, der weiß wann unser Cowboy beigesetzt wird… kann jemand dazu etwas beitragen? Danke

     
  9. 23

    @Simone Mom Dieter war ein Supertyp. Wenn er mit einem, einer Meinung war, sagte er stets: „Na klar“ Was passiert mit seinem ganzen Hab und Gut ? (Cowboystiefel usw.) ?

     
  10. 22

    Soviele, ehemalige Wirte sind in den letzten 3 Monaten von uns gegangen: Erst Jos, dann Hr. Feldkamp, dann Dieter. Dieter hat trotz seines Lebenswandels, seine stolzen 73 Jahre erreicht. Gleiches Geburtsjahr wie Hr. Feldkamp. Das muss man erstmal erreichen.

     
  11. 20

    Modifizierte Bodega – Version: und schlägt der Arsch auch Falten, wir bleiben doch die Alten

     
  12. 19

    Jede Stunde, jeder Augenblick,; die kommt für uns doch niemals mehr zurück; man kann die Zeit niemals rückwärts drehen; war sie auch noch so wunderbar; Die Zeit kann niemand halten; bleiben auch noch ein paar Falten. Wir bleiben stets, die Alten.

     
  13. 17

    Eines Abends saß der damalige Wirt des Klever Stübchens an der Meissnerstrasse (Name ist mir leider entfallen, auch schon ca 10 Jahre tot, wer weiß es noch?) bei Dieter an der Theke und Dieter animierte ihn zu diesem Spiel.

    War das nicht der Wirt von der Meissnerstraße, ich meine er hieß Paul ….

     
  14. 15

    ……(Name ist mir leider entfallen, auch schon ca 10 Jahre tot, wer weiß es noch?) …
    Paul Beyer

     
  15. 14

    Unvergessen auch der Abend, als ein bekannter Klever Strafverteidiger, der später auch sein eigener werden sollte, an der Theke saß und zwei Streithähne an der Theke laufend mit Schnaps versorgte. Solche Zeiten kommen nicht wieder

     
  16. 13

    Dieter hatte sein eigenes Knobelspiel erfunden. 3 oder 4 Würfel waren es, und man musste mit allen Grundrechenarten das höchste Ergebnis ermitteln. Derjenige, der gewürfelt hat, musste sein Ergebnis vorgeben und wenn jemand auf einen höheren Wert kam, dann gab es Einspruch und einen Deckel für den Würfelnden. Eines Abends saß der damalige Wirt des Klever Stübchens an der Meissnerstrasse (Name ist mir leider entfallen, auch schon ca 10 Jahre tot, wer weiß es noch?) bei Dieter an der Theke und Dieter animierte ihn zu diesem Spiel. Um es kurz zu machen: dieser Wirt hat uns alle fertig gemacht in diesem Spiel. Wir waren alle ungläubig, insbesondere Dieter, der Wirt des Klever Stübchens konnte Kopfrechnen wie ein König, das war unglaublich. Dieter war in seiner Königsdisziplin besiegt, aber am Ende hatten wir alle unglaublichen Spaß daran, auch Dieter. Ein toller Abend, der mir immer in Erinnerung geblieben ist.

     
  17. 12

    Bei Haus Royen war er nicht Inhaber. Vielmehr war er mit Margret, der Inhaberin, liiert.

     
  18. 11

    Vor fast 40 Jahren (jo, noch jung und vl. schön…) hatte ich ne´n kleinen Deckel im Gatz offen, da war Dieter bei Adam hinterm Tresen. Beim erneutem Besuch und ein paar Bierchen, hatte ich den Deckel bzw. den Betrag vom Vorbesuch nicht kalkuliert – und nicht mehr genug Geld in der Tasche. Das fand Dieter gar nicht lustig.
    Adam kam hinzu und das Ding war gegessen. Doch den durchdringenden Blick von Dieter, habe ich bis heute in Erinnerung. Nach diesem „Vorfall“ haben wir uns gut verstanden. Als ich ihn mal fragte, ob er auch im Bett ne´ Camel im Babbel hat, meinte er das geht nicht, da macht er was anders… 😉

    Vor ca. 2 Jahren habe ich Dieter noch mal getroffen. Ehrlich gesagt war ich erst mal ein wenig erschreckt . An uns allen nagt der Zahn der Zeit.

    Ruhe in Frieden.

     
  19. 10

    Dieter Gietman ich kannte ihn extrem gut und sehr lange . Ein Stück Kleve hat uns verlassen .Ich hab ihn letztes Jahr zuletzt gesprochen und 1 Jahr davor auch noch zweimal – Ja Dieter du warst schon ein besonderer Typ
    Ruhe in Frieden Klaus Coenen

     
  20. 9

    Seine Schwiegermutter in Emmerich hatte einen Renault 141516 (?). „Die Kisten frotten dir unterm Arsch weg. Aber der Motor: Immer top“ Eines Morgens sagte er gar nichts mehr. Dieters Diagnose: „Da ist kein mehr Motor drin“. Haube auf: Stimmt – geklaut…

     
  21. 8

    Einzig…aber nicht artig

    So war er halt, der Cowboy… Die Jahre, die wir zusammen verbracht haben, waren höchst turbulent. Im weißen Overall bei einem Kumpel Autos reparieren… O-Ton „Ich ziehe doch keinen Blaumann an!!“ Spontane Anrufe, dass der Regenbogen geöffnet werden muss, denn er hatte noch im Marställchen zu tun… Es wurde nie langweilig mit ihm. Aber man konnte sich auf ihn verlassen, nur morgens vor 12 Uhr wurde es schwierig… smile. Die Erinnerungen an ihn werden weiterleben und das ist gut so.
    Ruhe in Frieden mein lieber Freund

     
  22. 7

    Viel Spaß mit gehabt. Bei der Arbeit immer den grauen Hausmeisterkittel und Westernstiefel. Die Partys bei Dieter waren immer Spitze

     
  23. 6

    Ich fand Dieter Klasse. War immer freundlich und nett. Konnte auch schwarzen Humor verstehen: Der war folgendes vor ca. 9 Jahren, sagte ich zu ihm: „Dieter: Wenn Du einmal stirbst, dann müssen die da 2 Löcher in den Sarg bohren. Warum ?, fragte er mich. Ich antwortete: „Wegen den Spitzen der Westernstiefel“. Da kam Dieter fast aus dem lachen, nicht mehr raus. Fand er ziemlich witzig. Mach’s gut Dieter. Qualm‘ den Himmel nicht so voll, sonst können wir die Wolken, nicht mehr von deinem Rauch unterscheiden.

     
  24. 5

    Der Lebenswandel fordert leider meistens irgendwann seinen Preis. Es wäre nicht in seinem Sinne gewesen alt und gebrechlich zu werden, trotz allem wären noch einige schöne Jahre möglich gewesen.
    Vorsitzender Richter war nach meiner Erinnerung seinerzeit der heutige Gocher Bürgermeister. Das Urteil war schon relativ hart. Und was den sogenannten Warnschuss anbetrifft: ich lasse einfach mal im Raum stehen, was viele seinerzeit gedacht und zum Teil auch ausgesprochen haben.

     
  25. 4

    Dieter war ein großer Hühnerfreund und verfügte auch in diesem Metier über enormes Fachwissen. Auf den ersten Blick unterschätzt, auf den zweiten in jeder Hinsicht überraschend. Auch hinsichtlich Etikette. „Also zum rumknutschen immer nach draußen treten, das kannst Du doch an der Theke nicht bringen. Find‘ ich abartig…“

     
  26. 3

    Wer kannte Ihn nicht vom sehen …bin ihm auch oft begegnet…Limit,Whisky usw.
    Ich kann mich sehr gut an seine Fransenlederjacke erinnern.

    Ich kenne ihn sehr milde, und irgendwie immer gelassen /lächelnd (so habe ich ihn zumindest in Erinnerung, da Jahre nicht gesehen).

     
  27. 2

    Als Western Fan, der die Welt leider nicht kennen lernen durfte ,sei dir jetzt gegönnt das dir die Türe zum
    „Bunkhouse“ in „Cowboy´s Haeven“ weit offen steht. 👍🏽..CHEERIO Dieter …RiP 😥

     
  28. 1

    Ach Dieter. Du wirst mir unvergessen bleiben. Schön immer, wie Du Deinen Knobelbecher ins Spülwasser gefeuert hast, weil die Runde nicht nach Deinen Vorstellungen verlief. Du warst schon ein Unikum, eines der letzten in Kleve.
    Vielfach unterschätzt und Mathematik war Dein Steckenpferd. Man konnte herrlich mit Dir streiten, diskutieren, lachen und einfach dann noch ein Bierchen trinken.
    Dieter-Sprüche für die Ewigkeit:
    „Ein Bierchen in the Morning-Time ist besser als auf der Arbeit sein“
    „Du hast Chancen wie ein Hund beim Metzger“
    Ich werde Dich nie vergessen. Menschen wie Dich wird es so nicht mehr geben ….
    Ich bin auch ein bisschen neidisch auf die Thekenrunde, die jetzt dort oben inzwischen versammelt ist. Neben den genannten Wirten noch Herbert Cz., Margot, Jürgen, Edith, Werner aus Goch… ich hoffe, dass es für Euch ein ordentlich gezapftes Köpi gibt …