Lang, lang ist’s her, dass zur Zubereitung der Henkersmahlzeit der beste Gastwirt des Ortes verpflichtet wurde, dem sodann die offizielle Aufgabe zufiel, den Delinquenten über mehrere Tage zu bekochen, auf das ihm der Abschied von allen irdischen möglichst schwer im Magen liege, oder aber, wie auch zu vermuten steht, er auf alle himmlischen Freuden angemessen vorbereitet stürbe.
Heute gibt es in Deutschland glücklicherweise keine Todesurteile mehr, und so ist auch die forensische Cuisine im Großen und Ganzen prosaischer geworden, sodass beispielsweise am heutigen Montag, 13. Januar, dem ersten Tag, an dem die Gerichtskantine des Land- Amtsgerichts in der Klever Schwanenburg unter der Führung der CG-Gastro betrieben wurde, ein Angeklagter, dem überraschend eine Haftstrafe auferlegt worden wäre, an seinem letzten Mittag in Freiheit die Auswahl gehabt hätte zwischen Geflügelbällchen mit Tomate, Paprika und Reis (6,80 €) und einem Gemüsecurry mit Zucchini und Reis (6,20 €).
Würde die Freiheitsstrafe morgen verhängt, müsste der Verurteilte sich zwischen Schweinegulasch mit Blumenkohl und Kartoffeln (7,60 €) oder Gemüselasagne mit Tomatensauce (ebenfalls 7,60 €) entscheiden. Am Mittwoch werden Grünkohl mit Mettwurst (9,20 €) und eine Gemüsefrikadelle mit Tomatensauce und Kartoffelpüree (8,20 €) angeboten. Freitags gibt es erwartungsgemäß Fisch in Form eines panierten Filets einer nicht näher spezifizierten Gattung.
Der erste Test – Geflügelbällchen – fiel ermutigend aus. Es gab drei angenehm fluffige und gut würzige Fleischkugeln von der Größe moderner Tischtennisbälle, dazu einen großzügigen Schlag gelben Reises und eine Tomatensauce mit einer schönen fruchtigen Note. Das ganze auf einem orangefarbenen Plastiktablett, sodass sich der berühmte deutsche Kantinencharme auch voll entfalten konnte. Der – sehr günstige – Preis von 6,80 € schien ein Eröffnungsangebot gewesen zu sein, die Tage danach sind geringfügig teurer, aber ein Mittagessen für unter zehn Euro muss man erst einmal irgendwo bekommen. Softdrinks werden zum Preis von 2,50 Euro offeriert.
Der Gastro-Arm der Clivia Gruppe, der ab jetzt für die Gerichtskantine verantwortlich ist, hat natürlich den Vorteil, gleich mehrere gastronomische Betriebe unter einem Dach zu vereinen: das Restaurant Schute Marina in Emmerich, die Augenblick Skylounge und die Gastronomie in der Stadthalle in Kleve. Da lassen sich Skaleneffekte erzielen. Für das Gericht selbst bedeutet dies, einen stabilen Partner gefunden zu haben.
Am Gericht selbst können 240 Bedienstete der Justiz von dem neuen Angebot profitieren, darüber hinaus natürlich auch alle anderen Rädchen im Justizbetrieb (Rechtsanwälte, Staatsanwälte) und auch alle weiteren Personen, die in der Nähe der Schwanenburg Hunger verspüren.
Zum Angebot der Gerichtskantine gehören auch belegte Brötchen zum Frühstück, die üblichen Kaffeespezialitäten sowie Mittags auch eine kleine Salatbar mit den üblichen Verdächtigen (inklusive Ei). Schnitzel gibt es natürlich auch immer, falls das Tagesangebot nicht zusagt.
@14:
Nicht das Kinderessen, sondern das Essen auf Rädern für Privathaushalte wird von Clivia nicht mehr angeboten.
Das ist aber ein anderes Konzept und nicht zu vergleichen mit Restaurant- bzw. Kantinenbetrieb oder auch Essen für Schulen und Kitas.
Clivia hat „aus Preisgründen“ das Kinderessen zum Jahreswechsel aufgegeben:
„Mit einem bedauernden Herzen müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir unseren Mahlzeitendienst für Privathaushalte zum 31.12.2024 einstellen werden.“
https://clivia-gruppe.de/kinderessen
Mal sehen, wie lange sie die Gerichtskantine halten können. 😮
@11 achso, sorry, falscher Impuls! Ging mir eher darum, dass es eine weitere Anlaufstelle gibt, falls es finanziell knapper ausschauen sollte!
Die Portion von Ralfs Besuch sieht mir auch etwas größer als bei der Kantine des Kreises aus.
Einfach beide Speisepläne einsehen und dann entscheiden, worauf man mehr Appetit hat 🙂
@5 Glauben Sie, die Restaurantpreise würden sinken, wenn die Mehrwertsteuer wieder gesenkt würde?
Da wird mitgenommen, was geht. Hinzu kommen nicht selten „Zwischenrechnungen“, achten Sie mal drauf. Oder gar keine, wenn man nicht danach fragt.
In Süddeutschland gibt’s oft bessere Qualität zu günstigeren Preisen.
@8:
Wir sollten nicht die Kreiskantine gegen die Gerichtskantine ausspielen, beide Angebote finde ich gut für Kleve.
Eine Preisgestaltung ist zum Beispiel auch von Personalkosten abhängig, welche bei der Kreisverwaltung durch „Haus Freudenberg“ vermutlicherweise geringer sind.
Über die Qualität beider Angebote kann ich noch nicht urteilen.
Schön, dass die Gerichtskantine auch wieder betrieben wird. Am Ende werden sich Angebot und Nachfrage, denke ich ergänzen.
Sie schmeckten gut.
Die Bällekes sehen aus wie Meisenknödel. Hoffentlich haben sie nicht so geschmeckt 😉
Bei der Kreiskantine gibt es jedes Essen für 6,30 bzw 6,00 (vegetarisch). Donnerstag gibt es dort Grünkohl.
In der Verfassung von Hessen stand bis vor 7 Jahren:
„Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.“
Das war seit dem Grundgesetz nicht umsetzbar, aber erst nach einer Volksabstimmung im Jahr 2018 wurde der letzte Satz geändert:
„Die Todesstrafe ist abgeschafft.“
Optik, liebevolle Zusammenstellung des Essens, Interieur, speziell das Tablett und Besteck scheinen direkt aus einer Zeitreise aus den 80gern zu kommen. Vielleicht hat man diese Tabletts auch wirklich aus meiner alten Schulmensa übernommen? Oder waren Requisite bei ‚Back to the Future‘?
Zumindest die Preise sind natürlich aktualisiert worden. Knapp 10 Euro für Grünkohl mit Mettwurst sind ja immerhin doch eine Hausnummer.
Der Satz „..aber ein Mittagessen für unter zehn Euro muss man erst einmal irgendwo bekommen“ könnte für manche auch lauten – „muss man sich aber auch leisten können“ wenn es denn dann regelmäßig nötig ist. Ist schließlich eine Mensa/Kantine und kein Restaurant wo man für Bedienung, Service und Ambiente mitzahlt.
@Schnurz
In der Gastronomie rechnet man eigentlich Einkaufspreis * 3,5 = Verkaufspreis um kostendeckend zu arbeiten.
Vielleicht sind Sie inzwischen auch bei 4,5.
Alle in der Gastronomie klagen das sie für den Lohn kein Personal mehr finden.
Mehr können Sie aber nicht zahlen, da die Gäste bei 1€ mehr für ein Gericht nicht mehr kommen.
Der Bericht strahlt die Zufriedenheit des Autors mit der neuen alten Anlaufstelle für vernünftiges Mittagessen aus…
Glücklicherweise braucht er keinen besonderen Grund, um dort zu essen.
Eine Henkersmahlzeit soll ja so eine Art Rechtsfrieden herstellen. Mit der Annahme dieser letzten Mahlzeit erkennt der Todeskandidat seine Schuld an seinem Tod an. Gleichzeitig wird ihm ein letzter Wunsch erfüllt. (Das ist natürlich die interne Logik in einem Rechtssystem, das die Todesstrafe vorsieht.)
Btw: Wenn man in England im 16. Jahrhundert zu öffentlichen Hinrichtungen durch den Ort zum Galgen zog, wurde an einem Pub Halt gemacht und der Kandidat durfte sich volllaufen lassen…
Die Skaleneffekte scheinen ja beim Mahlzeitendienst gerade für ältere Menschen nicht zu funktionieren. Den Dienst hat die CG zum Ende des Jahres leider eingestellt. Eine Alterntive im Klever Land ist mir leider nicht bekannt.
Grünkohl mit Mettwurst für 9,20 Euro finde ich heftig!
Das sieht ja lecker aus! Werde vielleicht auch einmal dort, speisen.