Adieu, PC & Handy Shop!

Sieht aus wie Windows 95, war aber unter Haube ein IT-Kompetenzzentrum

Es passt auch irgendwie zu diesem an Betrübnissen reichen Jahr, dass ein Geschäft die Segel gestrichen hat, das gefühlt zum merkantilen Inventar der Stadt gehört: der PC & Handy Shop in der Gasthausstraße hat ab sofort geschlossen!

Die Anmutung des Ladenlokals war auch zuletzt noch die von Windows 95, doch die äußere Erscheinung darf als gelassenes Understatement gelten. Denn im Inneren verströmte der bebrillte, bezopfte, bärtige und ab und zu für eine Zigarette nach draußen gehende Mitarbeiter die nerdige Kompetenz, die vonöten ist, wenn verzweifelte Kunden mit streikenden Laptops die Rettung ihrer Daten erbetteln. Sie bekamen sie in aller Regel zurück.

Ich selbst kaufte vor mehreren Jahren ein Netzteil, um einen selbst gebastelten Mac zu neuem Leben zu erwecken. Es funktioniert heute noch. Und als ich einmal bereit war, viel Geld auszugeben, um eine Festplatte auszulesen, verkaufte der gute Mann mir einfach einen passenden Stecker – für nicht einmal zehn Euro, wenn ich mich recht entsinne.

Der PC & ?Handy Shop war für PC-Nutzer das, was der Schrauber im Bekanntenkreis für Autobesitzer ist. Wer Angst hatte, durch das Lösen von Schrauben die Werksgarantie zu verlieren, war in dem Ladenlokal in der Gasthausstraße fehl am Platze. Als Zugeständnis an den Zeitgeist darf gewertet werden, dass in dem Shop seit einigen Jahren auch defekte Handydisplays ausgetauscht werden konnten.

Dass die Kunden ausblieben, kann auch nicht gesagt werden. Wer, wie ich, in der Nachbarschaft geschäftlich zu tun hat, sah einen steten Strom älterer Männer, die ihre Geräte in das Geschäft schleppten, in der Hoffnung, dass der Hardware der Blue Screen of Death (BSOD) ausgetrieben werde möge. Allein, der PC & Handy Shop war die Filiale eines Unternehmens aus Bocholt, und dessen Chef hatte keine Lust mehr auf die stete Pendelei zwischen den Städten. Der Mitarbeiter wiederum schlug das Angebot, das Business zu übernehmen, aus.

Denn das Geschäft ist schwieriger geworden: Corona, klar, aber eben auch der weltweite Chipmangel schlägt bis auf die Zubehörbranche durch. Es ist kaum noch möglich, Teile zu bekommen. Und wenn, kann es sein, dass Grafikkarten, die vor einem Jahr noch 150 Euro kosteten, nun mit 300 Euro in Rechnung gestellt werden. Das ist natürlich auch angetan, Kunden zu vergraulen.

Dieser Beitrag, der den Reigen der kleveblog-Berichte in diesem Jahr beschließt, sollte allerdings nicht ohne einen Funken Hoffnung enden – und so sei mitgeteilt, dass der Mitarbeiter beabsichtigt, im neuen Jahr seine Serviceleistungen noch selbständig privat anzubieten.

Kein Ruhezustand, kein Neustart, alle Systeme komplett heruntergefahren: PC & Handy Shop

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8 Kommentare

  1. 7

    Der Laden hat ja noch eine ältere Geschichte – als Kleves Computerspiele Geschäft nebst Gaming Zubehör, woraus später mehr PC Hardware hinzukamen.

    Aber leider ist das was ich lese immer wieder das selbe – ob der kleine Laden bei dem man immer zufrieden war, die Modefiliale wo man so viele gute Erinnerungen daran hat. Der nette Schuhladen oder sogar die große Kaufhauskette : Wenn man aber fragt wann man tatsächlich das letzte Mal in dem Geschäft war und tatsächlich auch mal richtig Geld dagelassen hat – und da meine ich jetzt nicht den Stecker für 10 Euro,

    dann sieht es meistens mau aus.

    Ich durfte im Einzelhandel diese Entwicklung auch hier miterleben, früher regelmäßig, dann seltener, immer noch gerne ein paar günstige Kleinigkeiten. Liebend gern Informationen und netten Smalltalk, noch lieber gezielte Beratung zu bestimmten Produkten. Gekauft wurde dann im Internet. Peng.

    Ich sehe schwarz für die meisten Branchen, Fahrradläden oder Lebensmittel und ein paar andere ausgenommen.

     
  2. 6

    Frohes Neues … allerseits!

    Wie lange ist van Wickeren aus dem Ladenlokal raus?

     
  3. 4

    Ich verstehe das nicht ganz warum solche Geschäfte dicht machen müssen. Betreibe seit 6 Jahren ein eigenen Computershop in Berlin mit refurbished Geräte und eigene Werkstatt. Und von Jahr zu Jahr steigt der Umsatz. Meine Kunden sind auch teilweise älter, aber auch die jüngeren sind begeistert. Man muss wirtschaften können und mal nen Euro zurück legen. Ich habe mit 5 refurbished Laptop s angefangen und habe inzwischen immer ca 30 Geräte bereit stehen. Reperaturaufträge werden innerhalb 48 Std. ausgeführt ausser bei Ersatzteilbeschaffung. Ansonsten kann ich aus meinem Ersatzteillager profitieren,das jahrelang angesammelt wurde. Mein Geschäftsmodell mit Refurbished funktioniert gut und bin stolz darauf das jede Schraube mir gehört und keiner Bank.

     
  4. 3

    @“Der Mitarbeiter wiederum schlug das Angebot, das Business zu übernehmen, aus.“
    Logisch, was nutzt da die ganze Verkaufsfläche? So ein Geschäft lässt sich ja heutzutage ambulant aus dem eigenen Keller betreiben, ich fürchte nämlich, dass der in den letzten 2 Jahren keine 20 Komplett-PC`s verkauft hat.
    Und die Wünsche der Spiele-Nerds machen jede noch so moderne Grafikkarte innerhalb kurzer Zeit zum Elektronikschrott.
    Und dann die Ladenmiete nicht zu vergessen.
    Ummodeln in eine Kneipe wird auch schwierig, da war einem ja schon jemand zuvorgekommen 🙂

     
  5. 2

    WAAAS?? Ich hoffe, dass hier der Kontakt des „Computer-Nerds“ bekannt gegeben wird.
    Ist egal was ich hatte, ich habe immer zufrieden das Geschäft verlassen.

    Und wer kann nun noch mit PC-Reparaturen aushelfen?

    Benno

     
  6. 1

    Das ist ja eine Tragödie zum Jahresende!!!
    Mein PC und ich, als „technische Katastrophe“, waren dort immer bestens beraten und aufgehoben! Sozusagen war dort für mich die Rettung in der größten PC-technischen Not.