Von Lesern gewünscht: die Sportkolumne

Public viewing in der Zentrale: Großer Sport auf kleinem Schirm

In der etwas kontemplativer war gestalteten Phase der Redaktionsarbeit lief auch ein Kommentar auf, in dem Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht wurde, dass bisher noch nicht über die Basketball-Europameisterschaft berichtet wurde. Dies sei nun, einige Tage nach dem Finale, nachgeholt. Was also muss der Leser, der vermutlich anders als ich nicht schon ca. 100.000 Basketballspiele gesehen hat, über die vergangenen Wochen wissen?

An zwei Tagen war ich in Köln, um insgesamt sechs Vorrundenspiele, darunter Deutschland gegen Frankreich und Deutschland gegen Slowenien, zu begutachten und auf ihre Verwertbarkeit für die Arbeit beim VfL Merkur Kleve zu analysieren. Leider muss ich sagen, so gut der Basketball auch in Kleve gespielt wird (übrigens: am Freitag Saisonbeginn und am Samstag in einer Woche die Heimpremiere gegen – ausgerechnet – Goch), so sehr war das, was in Köln gezeigt wurde, Lichtjahre von unserem Können entfernt. Die deutsche Mannschaft besiegte den späteren Finalisten Frankreich und verlor gegen Slowenien, also gegen Luca Don?i?, einen der vier besten Spieler der Welt, und die ihn umgebenden Kompagnons.

Am Ende scheiterte Deutschland im Halbfinale gegen den späteren Sieger Spanien (knapp, aber verdient) und siegte im Spiel Platz 3 gegen Polen, was dann immer noch ein schöner Erfolg ist für ein Land, das lange Jahre, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bei internationalen Turnieren regelmäßig abgeschossen wurde, wenn es denn überhaupt gelang, durch die Qualifikation zu kommen.

Noch schöner aber ist, dass ich mich nicht im geringsten daran erinnern kann, je eine Mannschaft im deutschen Trikot mit dieser Leistungsdichte gesehen zu haben. Früher gab es, übertrieben gesagt, Nowitzki und supporting cast. Aber jetzt? Dennis Schröder, klar, den hatte man auf dem Zettel, und er wurde im Turnier von Spiel zu Spiel besser und sicherer, und am Ende wurde sein Auftritt immerhin damit belohnt, dass die amerikanische Profiliga NBA ihm einen neuen, wenn auch nicht sonderlich üppig dotierten Vertrag gab, und zwar wieder beim Team der L.A. Lakers. Es spricht für sich, dass deren Superstar Lebron James sich in einem Tweet darüber freute, dass Schröder nach einem Jahr der Irrungen und Wirrungen wieder zu seiner Mannschaft zurückkehrt.

Die Entdeckung dieses Turniers allerdings war Franz Wagner, der ebenfalls in Amerika spielt (bei den Orlando Magic, wie sein Bruder Moritz, der allerdings verletzt war und deshalb bei der Europameisterschaft nicht zum Einsatz kommen konnte). Der Mann misst 2,08 m, und er ist unglaublich „skilled“, wie man dann gerne sagt und wie Giannis Antetokounmpo, ebenfalls einer der vier Besten des Sports, lernen musste, als Wagner einen Step-back-Dreier über ihn versenkte.

Für mich die größte Überraschung allerdings war Andreas Obst, dessen äußeres Erscheinungsbild an einen Sachbearbeiter in einer Sozialversicherungsbehörde erinnert, der allerdings über einen Wurf verfügt, dessen Präzision und technische Sauberkeit jedes Mal nur staunende Aaaahs und Oooohs bei mir erzeugt. Der einzige Wurf, der nicht ohne Ringberührung durch die Reuse flutschte, titschte so lange auf dem Ring, bis er schließlich auch noch reinfiel, so meine natürlich durch eine leichte Euphorie eingetrübt Erinnerung. Ein Blick in die Statistik indes bestätigt mich im wesentlichen: Der Mann spielt im Turnier 96 Minuten, machte in dieser Zeit 52 Punkte, und er traf zehn von 25 Dreiern, was einer sehr respektablen Trefferquote von 40 % entspricht. Obst spielt bei Bayern München, und der Verein darf sich glücklich schätzen, den 26-jährigen unter Vertrag zu haben.

Die beiden Wagner-Brüder sind 21 und 25 Jahre alt (Franz ist der jüngere), einige weitere Spieler im Kader haben ebenfalls noch einige gute Jahre vor sich, und wenn man bedenkt, dass einer der besten und konstantesten deutschen Spieler, der bei den Dallas Mavericks unter Vertrag stehende Maxi Kleber (30 Jahre alt) bei diesem Turnier nicht mitspielen konnte, grundsätzlich allerdings offenbar dazu bereit ist, hat der deutsche Basketballfan viel Grund, für die nächsten Jahre optimistisch zu sein. Und die Weltmeisterschaft findet schon im kommenden Jahr statt.

Niiice,wie man in diesen Kreisen gerne sagt.

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4 Kommentare

  1. 4

    Mal ne andere Frage. Gibt es seitens der Stadt schon Aussagen, wie es mit den Sportstätten im Herbst/Winter aussieht?
    Werden die Hallen weiter geheizt, kann warm geduscht werden, wie sieht es mit den Fussballplätzen aus, Stromkosten (Flutlicht) werden durch die Decke schießen. Die Vereine werden ja nicht die Beiträge signifikant erhöhen können?
    Hoffe für alle Freizeitsportler, dass es da nicht im wahrsten Sinne des Wortes Dunkel wird….

     
  2. 3

    @Marc Es ist ja übertrieben. Schrempf war natürlich auch außerordentlich gut, Basketball ist natürlich ein Mannschaftssport, und selbst die hier als „supporting cast“ bezeichneten Spieler verfügten über eine große individuelle Klasse. Jeder würde beim VfL Merkur Kleve sofort einen Platz in der Starting 5 erhalten (wahrscheinlich sogar heute noch, sofern sie noch laufen können ;-)). Will also nur sagen: Eine solche Leistungsdichte wie in Köln bzw. Berlin zu sehen, das hat es im deutschen Basketball noch nicht gegeben (allein sechs NBA-Spieler inkl. Kleber und Hartenstein).

     
  3. 2

    „Früher gab es, übertrieben gesagt, Nowitzki und supporting cast.“
    Schrempf, Welp, war Deutschland nicht auch mal Europameister?
    Wurde das damals nicht auch von den öffentlich rechtlichen übertragen? Oder wie leider sehr häufig nur 30 Sekunden vor dem Fussball?

     
  4. 1

    Mmuuuhjjuuuh, da ist er, der Bericht von der Basketball-EM aus berruuufener Perspektive, nach dem ich letzte Woche gemmuuuht hatte. Viel informativer und auf den Punkt gebracht, mmuuuh als hinter der Bezahlschranke! Danke!