Weiß überhaupt noch jemand, was Sport war? Wie es in der Umkleidekabine einer Sporthalle riecht? Was es heißt, ein beliebiges Spielgerät in ein dafür vorgesehenes Ziel zu befördern?
Es steht zu befürchten, dass dereinst, wenn die Pandemie nur noch ein Schrecken vergangener Tage ist, die Sportvereine vor den Trümmern ihrer jahrelangen Arbeit liegen. Umso verdienstvoller ist es natürlich, wenn die Politik in Kleve sich schon jetzt darum kümmert, wie in Zukunft in der Stadt Sport betrieben werden soll.
Konzepte gab und gibt es viele, und von allen das reizvollste war der Plan der ursprünglich drei Sportvereine 1. FC Kleve, VfL Merkur Kleve und Rot-Weiß Kleve, oben in der Stadt am Bresserberg eine Anlage aus einem Guss zu kreieren, in der nicht nur die drei Vereine eine neue Heimat finden könnten (mittlerweile hat sich auch der Boule-Club der Allianz angeschlossen), sondern die zudem von jedem Bürger besucht werden kann, der den Drang verspürt, seinen Körper außergewöhnlichen Belastungen auszusetzen.
Allerdings kamen die Pläne, für die das Gelderner Architekturbüro Ruhnau verantwortlich zeichnete, etwas spät (hier eine Website, auf der die Pläne vorgestellt werden: Sportzentrum Bresserberg). In der Zwischenzeit hatte sich nämlich in der Stadtverwaltung so etwas wie eine Eigendynamik entwickelt, und nun sollten Ergebnisse präsentiert werden – in diesem Fall die Ausschreibung einer Sporthalle, deren Bau den Umzug des VfL Merkur Kleve von der Unterstadt in die Oberstadt besiegeln soll.
Dieser Umzug ist seit mehr als einem Jahrzehnt Thema der Kommunalpolitik. Im Verein selbst, mit 1100 Mitgliedern der größte der Stadt, hat man viele Versprechungen gehört und sich auflösen sehen. Im Grunde spiegelt der Umgang mit dem erwünschten Umzug das Kleinkleckersdorfhafte, das sich die Stadt gut leisten konnte, als sie noch Kleinkleckersdorf war. Hier ein Sportplatz, da eine Halle, dort ein Bolzplatz, alles egal.
Platz war genug vorhanden, früher in Nachbarschaft des Schlachthofs und der berüchtigten Mau-Mau-Siedlung, heute aber in bester Wohnlage. So kam es, dass zwei konkurrierende Fußballvereine (VfB 03, SC 63) riesige Areale für ihren Betrieb in Beschlag nehmen konnten und gleich nebenan dank einer großzügigen Spende der Schuhfabrik Gustav Hoffmann 1963 auch noch ein nach dem Unternehmensgründer benanntes Stadion fertiggestellt wurde, das allerdings nur zweimal Menschenmassen anzog – einmal, als der FC Barcelona im Rahmen seiner Saisonvorbereitung gegen eine Stadtauswahl spielte, das andere Mal, als Franz-Josef Strauß eine Wahlkampfrede hielt.
Die Idee, diese aus dem Zufall geborene Flächennutzung hinter sich zu lassen und den Bürgern der Stadt ein großzügiges Areal für vielfältige sportliche Betätigungen zu schaffen, droht jedoch auf der Strecke zu bleiben. Ein Antrag der SPD, die ursprünglichen Planungen erst einmal auszusetzen, um das größere Konzept der Vereine zu integrieren, wurde im Rat abgeschmettert.
In der vergangenen Woche nun unternahmen die Sozialdemokraten einen neuen Anlauf – und stellten am Freitag ihrerseits für das Areal am Bresserberg ein Konzept vor, das aus 23 einzelnen Punkten bestand. Christian Nitsch, der Vorsitzende der Fraktion, konstatierte, dass das Konzept der Vereine auf viel Begeisterung gestoßen sei, weshalb seine Partei nun viel Detailarbeit geleistet habe, um einen weiteren Antrag auf den Weg zu bringen.
„Wir sind es den Vereinen schuldig, dass wir ihnen Wege zeigen, dass eine Umsetzung möglich ist“, so Niklas Lichtenberger, SPD-Ratsmitglied, Pressesprecher und zugleich Vorsitzender des Sportausschusses. Idealerweise soll schon vor der nächsten planmäßigen Sitzung des Sportausschusses am 2. Juni ein Ortstermin stattfinden, um zu prüfen, was auf dem Gelände überhaupt möglich ist.
Fraktionsmitglied Peter Brückner, gelernter Bauingenieur und passionierter Leichtathlet, stellte anschließend die Eckpunkte des Konzepts vor. Das sieht zunächst einmal eine Zustandserfassung der gesamten Anlage vor. Die Leichtathletikanlage soll so modernisiert werden, dass dort auch Wettkampfsport stattfinden kann. Das Großfeld des Stadions soll den American Footballern des VfL Merkur belassen werden, die Areale jeweils hinter den Toren sollen als Sprung- bzw. Wurfanlage und als Kleinspielfeld für verschiedene Sportarten ausgebaut werden.
Mit den Vereinen, in denen Tennis gespielt wird (Merkur, 1. FC, Rot-Weiß) soll ein Konzept zum Tennissport entwickelt werden. Rund um die Anlage, das entspricht den Planungen der Vereine, soll eine Laufstrecke führen (Finnenbahn), eine Skater-/Radsportanlage soll hinzu kommen, und etwa da, wo heute die Tennisplätze sind, stellt sich die SPD eine Gymnastik-, Spiel- und Sportwiese vor, die beispielsweise auch für Biwaks oder andere Freizeitaktivitäten genutzt werden könnte.
Zwei Spielplätze sind ebenfalls vorgesehen. Ebenfalls aufgenommen aus dem Konzept der Vereine wurde die Idee einer Gastronomie, in Ergänzung zur Sportsbar und in Abstimmung mit dem VfL Merkur Kleve. Wer schon einmal in einer niederländischen Stadt in einem der dortigen Sportkomplexe war, weiß, dass dies eine logische Fortführung des Angebots ist (Durst löschen).
Ein großes Thema sind natürlich die Parkplätze und der in dem Areal entstehende Lärm aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens. All diese Fragen sollen so gelöst werden, dass die Anwohner nicht auf die Barrikaden gehen – eventuell mit einer Hochgarage. Der ÖPNV spielt in den Planungen überhaupt keine Rolle. Zur Finanzierung konnte logischerweise nicht viel gesagt werden (dafür waren die Planungen noch zu vage), aber in einem Punkt hatte Niklas Lichtenberger sicherlich recht: „Es gibt viele schöne Fördermittel. Aber es muss ein Konzept vorliegen.“
kleveblog-Fazit: Gut, dass das Thema politisch weiter verfolgt wird. Warum allerdings die Planungen der Vereine nicht einfach eins zu eins übernommen werden, bleibt ein Rätsel. Es war bisher das mit Abstand schlüssigste Konzept.
Hier der gesamte Antrag der SPD:
Mich würde mal interessieren: Wenn denn was umgesetzt wird, wem gehören dann die Anlagen und wer muss sie dementsprechend in Stand halten? Hat diese Institution (Stadt/Vereine/der Klever Weltgeist) genug Mittel und vor allem genug Fachpersonal diese Instandhaltung über Jahrzehnte zu garantieren? Ich bin da skeptisch, hätte man z.B. genug Fachpersonal gehabt, das KAG regelmäßig ab, sagen wir den frühen 90ern in Stand zu halten, dann wäre heute kein teurer Neubau fällig, gleiches gilt auch für die anderen Schulen, oder für den RE 10 oder die Autobahnbrücken über den Rhein oder oder oder oder. Erst wenn klar ist, dass das nötige Instandhaltungspersonal dauerhaft da ist, dann kann man bauen, sonst sind nach 5 Jahren deutliche Abnutzungspuren zu sehen, nach 10 Jahren ist vieles veraltet und nach 20 Jahren können wir zusehen wie unsere Steuergelder wieder abgerissen werden. Ich habe nichts gegen ordentliche Sportstätten, genauso wenig wie gegen ordentlichen Nahverkehr oder ordentliche Schulen, Büchereien, Theater, Museen. Aber man muss es in Stand halten, sonst ist es nicht sinnvoll und Geldverschwendung und an Geldverschwendung habe ich als Steuerzahler kein Interesse. Und für Instandhaltung braucht man Fachpersonal. Ist ja schön, dass sich der Sportausschuss im Rat damit beschäftigt, was sagt denn der Personalausschuss dazu? War und ist „Nachhaltigkeit“ nicht gerade so ein gehyptes Thema? Bei der nachhaltigen Instandhaltung aller öffentlichen Infrastrukturen bis hin zum Gesundheitssystem wäre der Nachweis nachhaltigen Handelns zu erbringen. Ach ja, falls es die Stadt sein sollte, die da baut und instand hält, dann wäre zu fragen, wo denn das nötige Fachpersonal untergebracht wird, denn das neue Rathaus scheint ja Gerüchten zufolge schon voll belegt zu sein und keine Reserven mehr zu haben, wenn man da in nachhaltiger Größe gebaut hätte statt sich mit der Fassadenfarbe zu beschäfitgen, ja dann könnte man die nötigen Fachkräfte alle unterbringen und die könnten dann…. Hätte, hätte, Fahrradkette, Ãœbrigens: SPD ist Opposition, schon deshalb wird es nichts, mag es auch noch so sinnvoll sein. Leute, es ist Wahljahr!
Es wäre für Kleve eine einmalige Chance, ein solches Zentrum hier zu etablieren, wird doch immer davon geredet, Generationen zu verbinden. Habe zudem ein interessantes Interview mit Herrn Froböse von der Sporthochschule aus Kölle gelesen, er zeichnet düstere Prognosen für die Sportwelt der Kinder, dem damit einhergehenden Bewegungsmangel mit allen Folgen………
Liegt doch auf der Hand, diese einmalige Chance zu nutzen. Merkur als größter Verein, der dazu auch noch so vielfältig ist, was Sportarten angeht. Die Mitglieder sollten doch alles daran setzen, endlich einen gemeinsamen Standort für alle Sportler zu finden. Und wenn es dann, wie @Müt es formuliert, noch Fördermittel gibt!
Oder kommt es einfach nicht zustande, weil es eine kleine Strasse gibt, die wunderschöne Grundstücke beinhaltet…… Was natürlich Blödsinn ist.
Sportland NRW
Förderprogramm NRW für Sportvereine „Moderne Sportstätte 2022“
Es sind Investitionsmaßnahmen zur Modernisierung, Instandsetzung, Sanierung, Ausstattung, Entwicklung, zum Umbau und Ersatzneubau von Sportstätten und -anlagen
Mit diesem Programm stehen insgesamt 300 Millionen Euro dafür zur Verfügung. Bisher konnten den Sportvereinen in NRW bereits Fördermittel von mehr als 155 Millionen Euro in Aussicht gestellt werden.
Wird das Vandalismus-Argument nicht auch häufig von Anwohnern rausgekramt?
@Klaus Das Vandalismus-Argument wird gerne hervorgeholt. Aber ich habe schon so viele frei zugängliche Anlagen in Deutschland und im Ausland gesehen, teilweise in Top-Zustand, dass ich heute sagen würde: Der Vandalismus lässt sich dort nieder, wo man den Menschen genau das signalisiert: Ihr seid eine Bedrohung.
@4. Der Beobachter
Sie machen es sich zu einfach. Mit einer vernünftigen und durchdachten Planung wäre eine Mehrheit im Rat früher möglich gewesen. Aber dafür hätte man in der Verwaltung auch was bewegen müssen. Nun gibt es Pläne, Mehrheiten und Beschlüsse. Die neuen Ãœberlegungen sind sehr spät. Viele interessante Punkt sind dabei. Mal schauen was daraus noch wird. Eine Öffnung für die Öffentlichkeit halte ich für kritisch (Thema Vandalismus).
@Klaus (3)
Aber Sie kennen schon die Mehrheitsverhältnisse seit Jahren im Rat?
Aber unabhängig davon hat ein „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“-Denken selten Innovationen hervorgebracht.
Ich bin froh, wenn da nochmal Bewegung rein kommt, ganz egal welche Partei den Stein jetzt ins Rollen bringt und wer was wie früher nicht richtig gemacht haben sollte.
Die SPD und ihre Bürgermeisterin haben jahrelang Zeit gehabt und nichts erreicht. Wer zu spät kommt, …….
Der Beobachter.
Stimme ihnen voll und ganz zu. Wäre für alle Generationen eine tolle Sache, und Kleve hätte ein sportliches Aushängeschild. Schauen sie mal bei den Niederländern vorbei, dort gibt es derartige Zentren überall.
In Bezug auf die Anwohner. Glaube es war einigen Damen und Herren, die in der unmittelbaren exklusiven Nähe der Bestandsanlage wohnen, immer schon ein Dorn im Auge. Wer weiß, wer da in Kleve was zu sagen hat und dieses Projekt eh nich will.
Eine solche Chance zur Gestaltung einer solch komplexen Anlage in Kleve wird es nicht mehr geben. Schade, dass nach über einem Jahrzehnt des Wartens nun im Rat keine Zeit mehr blieb noch ein paar Monate zu reflektieren, ob die alten Beschlüsse durch das große Konzept der Vereine nicht vielleicht eine bessere Option gewesen wäre.
Gut, dass die Sozialdemokraten nun noch versuchen (trotz Ablehnung ihres ersten Antrages) den Ball im Spiel zu halten und so zumindest noch für einen großen Teil des Konzeptes der Vereine ernsthaft eine Mehrheit im Rat zu finden. Vielleicht wird die Parkplatzsituation jetzt auch nochmal realistisch betrachtet und Anwohner werden gehört. Und warum nicht außerdem über eine Bushaltestelle am Sportzentrum nachdenken?
Die Zeiten ändern sich, nicht erst, aber umso mehr seit Corona: Kinder müssen „abgeholt“ werden, Generationen brauchen sportliche Angebote über Vereine hinaus. Basketball-Courts, Beach-Volleyball, Skaterbahnen, Finnenbahn, Fußball, Tennis, Boule, Football, Biwaks u.a. an einer Stelle; wann und wo hat man nochmal die Chance zur Umsetzung eines Ortes zur Zusammenkunft für Generationen?
Alle Fraktionen täten jetzt gut daran, mitzuwirken und ihren „Weitblick“ zu entdecken über Parteigrenzen hinaus.
Eigentlich müssten „Weitblick“, „Mut“ und „visionäres Denken“ auf der einen Seite und „im Leben stehen“, „soziales und unternehmerisches Denken“ und „Reflexionsfähigkeit“ im Anforderungsprofil eines jeden Politikers stehen.