Schreien bis der Arzt kommt

Ein Mann aus meiner Nachbarschaft hatte kürzlich einen Motorradunfall. Tagsüber, mitten in Kleve, in Sichtweite der Stiftskirche, deren Türme nicht nur zu den Wahrzeichen dieser Satdt gehören, sondern auch an die tiefe Verankerung der christlichen Werte hierzulande gemahnen. Naja, zumindest bis man einen Motorradunfall hat und am eigenen Leibe erleben darf, wie hoch Hilfsbereitschaft im Kurs steht.

Die Maschine krachte auf das rechte Bein des Mannes, zertrümmerte das Fußgelenk und blieb auf den geborstenen Knochen liegen. Er schrie vor Schmerzen, und was geschah? Passanten gingen an der Unfallstelle vorbei, Autofahrer auf Parkplatzsuche kurvten um das Motorrad herum, Anwohner schauten aus dem Fenster. Zwanzig Minuten habe es gedauert, so der Nachbar, bis ihn jemand aus der misslichen Lage befreite. Selbst wenn man nun einrechnet, dass Opfer subjektiv immer glauben, es dauere ewig, bis Hilfe eintrifft – schon eine Minute wäre angesichts der belebten Ecke zu viel.

So lernen wir, dass in Kleve ein moderater Darwinismus praktiziert wird. Wer selbst gestürzt ist, kann auch selbst wieder aufstehen. Survival of the fittest – zumindest die ersten zwanzig Minuten.

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