Krimskrams-Walhalla am Fischmarkt – Lichtblicke für die Innenstadt

Wundertüten-Ästhetik: Nanu Nana

Als die Textilkette Jack & Jones am Klever Fischmarkt ihren Geschäftsbetrieb einstellte und sich vor dem Laden zwei Container befanden, aus denen Mitbürger am helllichten Tage weggeworfene Kleidung und entsorgte Einrichtungsgegenstände klaubten, wirkte dies wie das Menetekel einer untergehenden Innenstadt. Nun auch Jack & Jones!, eigentlich ein unverwüstlicher Fels in der Brandung im Bekleidungsgeschäft, so dachte es der Klever, und erinnerte sich zugleich der Leerstände und Havarien in der Nachbarschaft. Ein Bubble-Tea-Laden in der Kirchstraße – nach wenigen Monaten schon wieder Geschichte. Die Bäckerei Derks am Eck – zur Zeit wegen Personalmangels geschlossen. Ecco-Schuh – Filiale dicht. Und stadtabwärts dann noch einige weitere Problemfälle. Grund genug also, den baldigen Untergang der Innenstadt herbeizuraunen.

Dokumentation des Niedergangs im Personalwesen am Beispiel der Bäckerei Derks, Hagsche Straße: Erst montags-freitags 8-18 Uhr und samstags 8-17 Uhr, dann nur noch donnerstags bis samstags, dann donnerstags bis samstags nur noch 8-15 Uhr, jetzt ganz geschlossen. Auch für einen Korrektor gibt es keine Stelle.

Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt, um diese etwas abgegriffene Formulierung zu benutzen, die allerdings für das Geschäftsleben am und um den Fischmarkt herum zutrifft, denn schon wenige Wochen später hat sich das Bild komplett gewandelt.

Das liegt zum einen daran, dass der Leerstand bei Jack & Jones nicht einmal einen Monat andauern wird. Schon am 16. Juni eröffnet dort eine Filiale der Kette Nanu Nana – ein Händler, für den das Wort Krimskrams hätte erfunden werden müssen, wenn es dies nicht schon längst gäbe. Nicht zum täglichen Bedarf gehörende Kleinteile zu Preisen, die nicht wehtun, dieses Konzept funktioniert – wie der Autor aus eigener Beobachtung weiß – schon seit Jahrzehnten am Kölner Hauptbahnhof. Für die Klever Innenstadt, deren Kernklientel vermutlich mittlerweile Niederländer sind, die eine Tasse Kaffee trinken und dann für ein paar preisgünstige Mitbringsel „winkelen gaan“, dürfte die Filiale ein Magnet werden, der viele Impulskäufe generiert, die dann am Ende auf irgendwelchen Ablagen in irgendwelchen „woonkamern“ verstauben.

Nanu-Nana ist ein Unternehmen, das sich auf das Angebot von Geschenkartikeln spezialisiert hat. Laut Angaben auf der eigenen Website ist das Unternehmen mit Sitz in Oldenburg „an über 300 Standorten in Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien“ vertreten (Stand: April 2019). Das Unternehmen ist im Besitz der Familie Hoepp. Joachim Hoepp, der das Unternehmen im Jahr 1972 gründete und auch Namensgeber ist, ist in der Geschäftsleitung tätig. Das Sortiment der Geschäfte umfasst besonders kleinere Artikel und Wohnaccessoires wie Kerzen, künstliche Blumen und Geschenkartikel.

Knallbunt: Games & more

Zweiter Hoffnungsschimmer ist der Umstand, dass der umtriebige „… & more“-Händler Ingo Marks das ehemalige ecco-Ladenlokal angemietet hat, um dort elektronische Spiele und das dazugehörige Merch anzukaufen und zu verkaufen, ergänzt übrigens um Klemmbausteine, die Lego-kompatibel sind. Für Marks ist es die ca. 20. oder 30. Filiale, man verliert langsam den Überblick, aber jedes Mal ist es irgendein Laden, der das Konzept eines kurz zuvor geschlossenen Geschäftes fortführt. Im Falle von „Games & more“, das gestern nach akribischer Vorbereitung, die sich über Tage bis tief in die Nacht hineinzog, eröffnete, hat Marks im Vertrauen auf seinen Geschäftssinn das Konzept von Game Stop kopiert. Man darf gespannt sein!

Prozente locken: Kiesow Bags & Travel

Wer sich etwas weiter die Fußgängerzone hinuntertreiben lässt, stößt auf derselben Seite auf die nicht mehr wiederzuerkennenden Schaufenster von Kiesow Bags & Travel – sie sind komplett beklebt mit dem Hinweis „Räumungsverkauf wegen Umbau“. Wie Sebastian Kiesow mitteilt, soll das Modegeschäft ausgeweitet werden, weshalb das Erdgeschoss umgebaut wird. Allein die Tatsache, dass solch ein Vorhaben in diesen Zeiten in Angriff genommen wird, darf als klares Bekenntnis zum stationären Handel in der Fußgängerzone einer Mittelstadt gewertet werden – blickt man in die Einkaufsstraßen benachbarter Städte, ist dies schon ein bemerkenswertes Statement.

Danach aber, Richtung Herzogstraße, gibt es schon noch einigen Anlass, an dieser Zukunft doch zu zweifeln. Es gibt einige Leerstände, was der Klever aus diesem Areal eigentlich nicht kennt. Das ehemalige Jeans-Town-Ladenlokal steht seit Monaten leer, das ehemalige Game-Stop-Geschäft ebenso, das Ladenlokal, in dem Kiesow eine Zeitlang einen Abverkauf durchführte, ist wieder zu haben, das ehemalige Backwerk. Noch weiter unten gibt der Frozen-Joghurt-Laden kein Lebenszeichen mehr von sich, das ehemalige DER-Reisebüro sucht einen Nachmieter, in der Wasserstraße hat der Shisha-Mann aufgehört, und das ehemalige Café Lust (An der Münze) ist zwar öfters mit künstlerischen oder ökologischen Projekten kurzzeitig belegt, scheint aber keiner dauerhaften kommerziellen Nutzung mehr zugeführt werden können.

Insgesamt also das klassische: einerseits einige Lichtblicke, andererseits ein paar Fragezeichen. „Mal schauen, wohin die Reise geht“ (W. Koch).

Deine Meinung zählt:

16 Kommentare

  1. 16

    „Grund genug also, den baldigen Untergang der Innenstadt herbeizuraunen.“

    Wieso herbeiraunen? Es ist eine beweisbare Tatsache, dass alle gutgemeinten und gemeinsamen Bemühungen von Geschäftsleuten und WTM durch schnöde Profitkonzerme und Datenkraken sofort konterkariert gemacht werden. Neuestes Beispiel:

    Die Kamerawagen von Google StreetView sind wieder in Deutschland untwegs. Für Kleve gibt es aktualisierte Bilder der Strecke Fernsehturm –> Königsalle –> Albersalle –> Uedemer Straße –> Klever Ring –> Landwehr –> und weiter in die Düffel. Das war’s. Keine aktuellen Bilder aus der Innenstadt. Mit anderen Worten: Die zahlungskräftigen auswärtigen Einkäufer werden über die Umgehungsstraße um Kleve herumgeleitet, die hübschen Hausfassaden der Klever Geschäftswelt werden den niederländischen Kunden vorenthalten. Schlecht für den Umsatz von XYZ-and-more.

    https://blog.google/intl/de-de/produkte/suchen-entdecken/google-street-view-aktualisierung-deutschland/

    Kann man es noch deutlicher sagen als Google?
    Liebe Touristen, macht bloss einen weiten Bogen um Kleve, hier gibt’s nix zu sehen.

     
  2. 15

    @9 Jemand

    ich zitiere: Ich falle beim Einkaufen jedes Mal aufs neue hinten rüber, wie lange soll das noch so weitergehen?
    Es gibt da zwei Antworten auf Ihre Frage:
    1. Es geht so lange, bis die Kunden kein Geld mehr haben, um sich den Einkauf zu leisten.
    2. Es geht so lange, bis sich die Kunden aus rationalen Gründen dazu entscheiden, diese Preise
    für Waren und Dienstleistungen nicht mehr zu zahlen.

     
  3. 14

    Pachtverträge laufen in der Regel nicht über wenige Monate, sondern länger. Wenn der Preis von Anfang an zu hoch ist, sollte man es lassen.

    In der Kirchstraße gibt es relativ wenig Laufkundschaft…

     
  4. 13

    @8
    Der Bubble Tea Laden ist beim zuständigen Makler und bei eBay Kleinanzeigen inseriert. Wo sind da die Dollarzeichen ??? Der angebotene QM – Preis ist sehr weit unter Marktniveau. Meines Wissens nach hat der Vermieter den Betreibern über die gesamte Mietzeit weitere, erhebliche Zugeständnisse gemacht. Selbst damit ist es nicht gelungen, das Geschäft betriebswirtschaftlich auskömmlich zu führen. Oft sind es auch ūberzogene Forderungen der Mietinteressenten, die die Leerstände der Ladenlokale verlängern. Oder herangetragen Geschäftsideen sind von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

     
  5. 12

    @6 Es gibt ja durchaus noch den kleinen Bubble Tea Laden, der sich ca. gegenüber der Neuen Mitte befindet (Tea House). Genug Nachfrage scheint ja da zu sein, dass der sich halten kann, nur für zwei Läden vielleicht nicht unbedingt…

     
  6. 11

    @10 Gott sei Dank
    Die Kunden des Ladens parkten immer links vor dem Ladenlokal und damit auch die Wasserstraße zu, so das dort kein Durchkommen mehr war und man im Rückstau minutenlang stand

     
  7. 9

    Es sind eben nicht nur die Lebensmittelkonzerne, die diese Krise ausnutzen und ihre eigenen Taschen füllen wollen….

    Ich falle beim Einkaufen jedes Mal aufs neue hinten rüber, wie lange soll das noch so weitergehen?

     
  8. 8

    Das Beispiel Bubble Tea Laden war nur als eines aufgegriffen, weil ich die Aussage selbst erhalten habe.

    @6 Nischenprodukt, ja ich kenne Menschen die dort regelmäßig waren, dass muss aber jeder selbst wissen was er konsumiert.

    Defakto haben die Immobilienbesitzer an den Einkaufstraßen der Klever Innenstadt für ihre Ladenlokale rollende €uro Zeichen in den Augen, das bestätigen auch zwei der führenden Immobilienhändler am Klever Markt.
    Da werden Qudratmeterpreise inzwischen aufgerufen, die laut einem Immobilienfachmann selbst diese schwindelig werden lassen und das selbst in Nebenstraßen wie zum Beispiel der Stechbahn, der Kirchstraße, Gasthausstraße oder An der Münze.

    Viele Eigentümer einer Immobilie sind der Auffassung das wir nicht Kleve, sondern Köln oder Düsseldorf wären, dementsprechend sind auch die Preise für Ladenlokale die sich eigentlich nur große Ketten leisten können! Und selbst diese ziehen für ihre Mietverträge mitunter inzwischen die Reißleine, bei den aufgerufenen Mietpreisen für Ladenlokale in der Klever City.

     
  9. 7

    @5 @6
    Halt so ein Modekram, der aus Amiland herüberschwappt. Ich kann mir auch Appetitlicheres vorstellen als so ein Glas gefärbten Froschlaich.

     
  10. 6

    @5 Thomas Beler Kennen Sie jemanden, der oder die gezielt einen Bubble-Tea-Laden aufsucht? Ich nicht.

    Es könnte auch an zu wenig Interesse gelegen haben.

    Habe manchmal den Eindruck, dass Leute einen Laden eröffnen, ohne dass eine Marktanalyse stattgefunden hat.

     
  11. 5

    Thema Ladenmieten in der Stadtmitte von Kleve
    ……Bubble-Tea-Laden in der Kirchstraße – nach wenigen Monaten schon wieder Geschichte…
    Hier war nach Aussage der Mitarbeiter des Bubble-Tea-Ladens, die überzogenen Mietvorstellungen und Forderungen des Immobilienbesitzers letztlich der Grund warum man sich Anfang 2023 dazu entschloss dort das Geschäft wieder aufzugeben.
    VIele Immobilienbesitzer meinen Kleve Stadtmitte wäre die Kö- Straße in Düsseldorf und das spiegelt sichauch in den aufgerufenen Quadratmeterpreisen der Ladenlokalen deutlich wieder.

     
  12. 4

    @2 Vor einigen Wochen nahm ich an mehreren Meetings teil und zwar im BoriGo in Borken, das Gründerzentrum der Stadt Borken. Modern, innovativ und ansprechend für StartUps.

    Dagegen wirkt das TZK in Kleve wie eine Relikt eines Arbeitsamts. Die Website zeigt alles, nur keine Technologie. Verstaubt und nicht mehr zeitgemäß. Der Wegweiser im Foyer besticht durch die Technologie der Magnetplättchen. Wollen moderne GründerInnen sowas?

     
  13. 3

    Hallo Philip,
    danke für Deine Antwort – genau wie Du es schilderst, ist auch mein Eindruck.
    Wenn ich lästern würde:
    Die Anzahl der Kommentare zu diesem Eintrag widerspiegelt auch etwas das öffentliche Interesse an diesem Thema –
    da ist ein nackter Hintern mit 20l Sprit mehr im Fokus…..
    Aber lästern tue ich natürlich nicht…..

     
  14. 2

    @DM:
    Leider eher wenig. Es gibt für „klassische“ Gründungen, wie z.B. aus dem Handwerk, Gastro etc. einige Angebote der Wirtschaftsförderung, IHK. Aber eher in Form von Workshops etc.

    Unterstützung durch geringe/keine Gewerbesteuer zB für Unternehmen jünger als 5 Jahre wäre super. Gibt es aber nicht. Insgesamt könnte die Stadt die Wirtschaft und junge Gründer_innen aber zB bei den Kosten für Steuerberatung, Mieten etc unterstützen. Das „nebenbei“ benötigt gerade in der Anfangszeit sehr viel Aufmerksamkeit, die dann wieder bei der Umsetzung der Geschäftsidee fehlt.

    Für innovative Gründungen/StartUps sieht es leider noch schlechter aus. Seit Jahren wird ein echtes StartUp/Innovationszentrum von HSRW und Stadt immer wieder angesprochen. Ernsthaft werden die Pläne aber von keiner der beiden Parteien verfolgt. Unternehmen, die ein solches Zentrum unterstützen gaebe es (das wo ich arbeite zB). Mieter auch. Das TZK kann das nicht leisten (aufgrund verschiedener Faktoren wie Lage, bisherige Nutzung usw.), wird aber immer wieder als „bestehende Lösung“ genannt, die aber schlicht nicht funktioniert. Räumlichkeiten gaebe es (Bahnhof wäre perfekt gewesen, nun zu spät; eine der Villen auf der Tiergartenstr. würde sich anbieten). Es fehlt ein wenig an Wille und an Verständnis.

    Coachings für solche Unternehmen leistet die Hochschule, aber logischerweise dann für Unternehmen von Studierenden. Die Entwicklung einer innovativen Unternehmenskultur dauert. Lange. Wäre aber hier sicher möglich, wenn politisch gewollt! „Extern“ ist mir nichts an coachings bekannt. Ich gebe mein Wissen aber gern weiter :).

    Ein wenig ist es ein Henne/Ei-Problem: die Stadt sagt, es gibt keine StartUps in Kleve, daher lohnt auch kein StartUp-Zentrum. Ohne StartUp Zentrum gruendet aber auch kaum jemand ein StartUp in Kleve….
    Von der Hochschule sind viele Studierende zur Gründung nach Mönchengladbach „abgewandert“, weil es dort ein halbwegs gut funktionierendes StartUp Zentrum gibt….

     
  15. 1

    Wie steht es eigentlich mit den Vermietern und Gebäudeinhabern in Kleve, eventuell Mieten und Pachten zu senken, um eine Geschäftseröffnung in Kleve zu erleichtern?

    Wie steht es mit dem Entgegenkommen der Stadt in Richtung Gewerbesteuer etc.?

    Wie steht es mit der Außenwirkung von Kleve, für kleinere Unternehmensgründer attraktiv zu wirken? Gibt es gar etwas wie ein Coaching für junge Unternehmer?