
Kürzlich war im Internet mal wieder eines der zahlreichen Fotos zu sehen, die das Kleve von vor mindestens einem Jahrhundert zeigten. Der Bildunterschrift war zu entnehmen, dass es sich um den Blick auf den Schwanenturm von der Cavarinerstraße aus handelte. Offenbar wurde der Straßenname damals noch mit einem C am Anfang geschrieben, wie Kleve ja auch (erst die Nazis änderten die Schreibweise*).
Das Bild wirft natürlich die Frage auf, von welcher Position aus der Fotograf diesen Blick auf das Wahrzeichen der Stadt hatte. Die Antwort erstaunt: Er stand offenbar direkt an der Einmündung der Straße in die Große Straße und blickte von dort auf ein Sammelsurium von Bebauung, das damals noch nicht von den Häusern in der Wasserstraße und Großen Straße verdeckt ist. Zu sehen sein müssten also Häuser am Gerwin sowie (eventuell) an der Schlosstorstraße. Das Dach am rechten Bildrand könnte zur Großen Kirche gehören; das protestantische Gotteshaus wurde beim Bombenangriff auf Kleve am 7. Oktober 1944 zerstört. Heute steht dort die Commerzbank.
kleveblog-Leser Johannes Pruys war so freundlich, die Angaben zu korrigieren und einige Bilder beizusteuern. Er schreibt: „Ddort wo die Commerzbank steht, war wohl früher das Kaufhaus Koken vormals Mildenberg bzw. Nathan. Die beste Sicht auf die evangelische Kirche (und Schwanenburg) hatte man vom Kloppberg aus und so entstanden zahlreiche Ansichtskarten. Hier eine Ansicht aus dem Jahre 1918. Die Fassade der Kirche und was sonst noch übrig war, wurde nach dem Krieg abgerissen.“


Links vorne scheint es einen Stadtgarten inklusive Baumbestand zu geben, von einer Mauer eingefasst (heute das Spielzeuggeschäft Kindertraum). Davor verläuft dann die Wasserstraße. (Ergänzung/Korrektur: Daniel Rütter meint, dass der Fotograf gut 20 Meter weiter rechts gestanden hat und der Garten der Biergarten des (nicht mehr existierenden) Gasthauses Lampe in der Kavarinerstraße ist. Heute guckt man dort dann gegen das Bekleidungshaus Sinn an.)
Beim Anblick der verhutzelten Stadt kommt einem unwillkürlich der Schriftsteller Joseph Roth und seine Beschreibung Kleves von Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in den Sinn. Darin heißt es: „[In der Umgebung der Schwanenburg] sah ich ein paar Menschen jener Seligkeit frönen, die man Liebe nennt. In den Seitenstraßen spielen unzählige Folgen dieser Seligkeit. Kleve hat mehr als 20.000 Einwohner, davon werden, so scheint es mir, 4000 Kinder sein. Sie spielen in den kleinen bergigen Gassen, die hinauf, hinunter, steil, sanft, abschüssig und auf Treppen laufen. Es sind verspielte Gassen, und ich wollte, ich wäre in einer dieser Gassen ein Kind gewesen.
* Zur Änderung der Schreibweise von Cleve auf Kleve schreibt der ehemalige Stadtarchivar Bert Thissen: „Die Änderung der amtlichen Schreibweise des Ortsnamens ‚Cleve‘ in ‚Kleve‘ fand 1935 statt, nachdem sie 1933 eingeleitet worden war. Die Hauptakteure bei dieser Änderung waren – das lässt sich nicht leugnen – Nazis. Dennoch kann man nicht behaupten, dass ‚Kleve‘ eine typisch nationalsozialistische Schreibweise und somit ein reines Nazi-Erbe ist. Das Bestreben eine solche Änderung zu bewirken, ist viel älter und muss, wenn man es politisch einordnen will, als deutschnational im Sinne eines umfassenden und breit getragenen deutschen Nationalismus bezeichnet werden. Die historische Debatte um die Schreibweise des Ortsnamens ist vor dem Hintergrund von Bemühungen um Sprachreinigung zu sehen, die sich bereits ab der Zeit der Humanisten für verschiedene Länder Europas nachweisen lassen. Als Beispiel sei hier die Sprachreinigung in den Niederlanden im 16.-17. Jahrhundert genannt, in deren Folge man dort bereits früh die alte mittelniederländische bzw. duytsche Schreibweise ‚Cleve‘ durch ‚Kleef‘ ersetzt hat.“
Mmuuuh, Opa Niederrheinstier mmuuuht, dass er sich über die Postkarte von Johannes Pruys doch sehr wundere. Ansicht von 1918, Datum 9-1-19, Stempel von der Legerpost, mmuuuh, soll vermmuuuhtlich Belgische Armeepoststelle oder so heißen. Das passt alles zu 1919, mmuuuh wie auch das Schriftbild. Zwar ist auch die Datumsangabe ganz unten wie der 9-1-19 oben ambivalent, mmuuuh zeitgenössisch oder brandaktuell. Aber, mmuuuhstutz, warum steht auf der Postkarte unten rechts schon die „neue“ Postleitzahl 47533 von Kleve, die erst 1993 eingeführt wurde. Mmuuuh, Herr Pruys oder Herr Daute, können Sie diese vermmuuuhtliche Ungereimheit bitte mal aufklären, damit Opa Niederrheinstier wieder Ruhe gibt?
Immerhin hatte der Kloppberg 1918 noch zwei intakte Gehwege. Das, was da heute links des Kopfsteinpflasters ist, ist nicht so genau definierbar. Rechts wurde der Gehweg zwar vor nicht allzu langer zeit instandgesetzt. Aber an manchen Stellen sackt er nun immer wieder ab. Und Autos parken da auch zu oft drauf. Also, ich finde 1918 (und ohne die großen Baulücken links) schöner als aktuell.
Ich finde heute ist es schöner.
Bin 1945 geboren und kann mich gut an die Zeit nach dem Krieg erinnern.
Überall Trümmergrundstücke und noch viel Armut in der Innenstadt von Kleve.
Lieber Herr Daute,
die evangelische Kirche stand gegenüber der Einmündung Kloppberg. Gegenüber Einmündung Stikkestrasse ist die Commerzbank und war in dem Gebäude jemals eine Kirche?
„mehr als 20.000 Einwohner, davon werden, so scheint es mir, 4000 Kinder sein. “ woher kommen denn all die Kinder ??? … -weiter…–„…sah ich ein paar Menschen jener Seligkeit frönen…“ ja, das erklärt einiges, ohne den Storch zu bemühen.