Bereits am Wochenende verstarb eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten des Niederrhein, der Gründer des Süßwarenherstellers Katjes und Erfinder der Yoghurt-Gums, Klaus Fassin. Er wurde 89 Jahre alt. Für den Heimatkalender des Jahres 2012 habe ich den Mann und seine Erfolgsgeschichte beschreiben dürfen – hier der Text:
Produkte des Katjes-Konzerns sind heute in den Süßwarenregalen der Supermärkte allgegenwärtig – Lakritz in allen Variationen, Fruchtgummi, Joghurt-Gums, Brausepulver, Pfefferminzpastillen und Hustenbonbons. Dies alles nahm seinen Anfang in Deutschland im immer noch schwer vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten Emmerich, wo Klaus Fassin 1949 die Leitung eines neu gegründeten Werks übernahm und mit einer Handvoll Mitarbeiter begann, Lakritz zu produzieren.
Klaus Fassin musste allerdings nicht bei Null anfangen, denn schon sein Vater Xaver war auf diesem Feld aktiv. Xaver Fassin war nach dem Ersten Weltkrieg in die am 23. November 1910 gegründete Firma seines Stiefbruders Josef Langenberg eingestiegen, der im niederländischen `s-Heerenberg gleich hinter der Grenze eine reine Importfirma betrieb: Er schaute, was in Deutschland lief und versuchte dann mit einigem Erfolg, diese Produkte in Holland ebenfalls an den Mann zu bringen.
In den 30er Jahren wollten die Gründer sich allerdings mit dem reinen Handel nicht mehr begnügen und begannen aufs Geratewohl, selbst etwas herzustellen – erst Fliegenfänger, und dann, weil die im Winter nicht benötigt wurden, Süßwaren. Die Wahl fiel auf das Zuckerprodukt in den Niederlanden schlechthin: Lakritz.
Der Werbeslogan »Heel Uw keel« (Heile deine Kehle) aus der damaligen Zeit bezeugt, dass Lakritz damals in dem Ruf stand, nicht nur schmackhaft, sondern auch der Gesundheit zuträglich zu sein. Mit der Übernahme der Formgießtechnik aus der Kunststoffindustrie erlangte die N.V. Chemische Fabriek v/h Langenberg en Co. dann ein Alleinstellungsmerkmal, das die Marke bis heute prägt: Damit gelang es den Unternehmern erstmals, Lakritz in Form von Kätzchen herzustellen. Die hießen auf niederländisch also Katjes – die Geburt eines Welterfolgs.
Nach dem Tod von Josef Langenberg 1938 führte Xaver Fassin das Geschäft alleine fort. Es folgte der Zweite Weltkrieg, der das das deutsch-niederländische Verhältnis zerrüttete, und es war klar, dass dies für eine deutsche Familie, die auf niederländischem Boden ein florierendes Unternehmen betrieb, nicht ohne Folgen bleiben würde.
Wir haben während des Krieges viel für die Holländer getan, sagt Klaus Fassin. Dies konnte allerdings nicht verhindern, dass sich auch in `s-Heerenberg antideutsche Ressentiments Bahn brachen – und dass der damals 16 Jahre alte Unternehmersohn nach den schon einschneidenden Kriegserlebnissen (Ich habe die Befreiung auch als solche erlebt, so Fassin) eine weitere prägende Erfahrung machen musste – die, aus seiner Heimat vertrieben zu werden.
Fassin berichtet: 1947 wurden wir überraschend ausgewiesen, ich erinnere mich noch genau an den Tag. Wir wollten eine Fahrradtour machen, waren früh aufgestanden, um 6 Uhr morgens, und bemerkten, dass unser Haus umstellt war. Wir konnten jeder einen Koffer mitnehmen, wurden mit Taxen nach Nimwegen in ein Lager gebracht und von dort nach Deutschland. Zuerst ging es in ein Übergangslager nach Osnabrück, und von dort kehrten wir einige Tage später an den Niederrhein zurück, nur diesmal auf die deutsche Seite. In Emmerich wurden wir von Verwandten als quasi Mittellose aufgenommen. Erst zwei Jahre später konnten wir wieder zurückkehren, nachdem sich in `s-Heerenberg viele Einwohner für uns eingesetzt hatten.
In diesem Jahr, 1949, fällte Xaver Fassin auch die Entscheidung, in Deutschland »ein zweites Standbein« aufzubauen. Mit der Leitung wurde Sohn Klaus, damals gerade 18 Jahre alt und frisch gebackener Abiturient, betraut. Das Startkapital waren 50.000 Mark, die der Vater durch einen Grundstücksverkauf erlösen konnte. Mit dem Geld kauften die Fassins ein Grundstück an der Stormstraße, auf das die Wahl gefallen war, weil dort inmitten der Trümmer einer zerbombten Lackfabrik wenigstens noch ein Schornstein stand, der genutzt werden konnte. Bestückt wurde das Werk mit ein paar alten Maschinen aus Holland.
Zum Start schrieb die Rheinische Post unter der Überschrift: Und wieder raucht ein Schornstein im Emmerich, dass ein Betriebsgebäude mit einer Größe von 300 Quadratmetern errichtet sowie neben dem Schornstein ein turmförmiges Kesselhaus erbaut wurde – zweifelsohne große Worte für die bescheidenen Anfänge, wie ein Foto aus dieser Zeit bezeugt.
Der Autor des Textes befasst sich dann eingehend mit den dort hergestellten Waren: Es wurde hier eine Fabrikation aufgenommen, die in Emmerich Tradition hat: die pharmazeutische Produktion. Und schon vor Jahren war das kolonienreiche Holland ein preisgünstiger Lieferant für Grundstoffe. Das neue Unternehmen ist eine Schwesterfirma der Firma Langenberg & Co., die in `s-Heerenberg durchschnittlich 50-60 Arbeitnehmer beschäftigt. Um den ständig wachsenden Kundenkreis in Deutschland bedienen zu können, wurde in Emmerich der Zweigbetrieb errichtet. Man konnte mit der Produktion nicht mehr länger warten und machte daher den Anfang, nach dem die notwendigsten Maschinen und Einrichtungen montiert waren. Zunächst werden Eukalyptus-Menthol-Bonbons, süße Grietten und süße Jujubers hergestellt, beliebte Mittel gegen Husten und Heiserkeit.
Auch darüber, wie an der Stormstraße produziert wurde, berichtet der Artikel mit bemerkenswerter Freude am Detail: Das Geheimnis des Erfolges liegt hier vor allem in der sorgfältigen Auswahl der Grundstoffe. Die Herstellung beginnt in den kupfernen Kochkesseln und vollzieht sich im übrigen maschinell. Die benötigte Wärmeenergie liefert das Kesselhaus, das die unter den Fußböden der beiden Trockenräume liegende Dampfheizung speist. Heiße Luft strömt Tag und Nacht aus den Heizungsrosten, schafft sehr hohe Temperaturen, wodurch in etwa 36 Stunden die Bonbons hart getrocknet werden. In Beutel verpackt treten sie dann ihre weitere Reise an. Das junge Unternehmen hat noch weitere Pläne und will mit der Zeit auch noch andere Erzeugnisse in den Produktionsplan aufnehmen. Das Gelände ist so groß, dass bauliche Erweiterungen möglich sind.
Klaus Fassin selbst war in den kargen Anfangsjahren stets als Erster im Betrieb. Ich fuhr vom Wohnsitz der Familie in `s-Heerenberg mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor und mit einer Blechdose voller Butterbrote jeden Morgen nach Emmerich, wo ich um sechs Uhr die Fabrik aufschloss. In den Anfangsjahren diente das motorisierte Rad auch dazu, die Ware zum Bahnhof in Emmerich zu bringen.
Der wichtigste Rohstoff für die Katjes, das Gummi arabicum, landete per Schiff im Emmericher Hafen. Dort wurden die Zwei-Zentner-Säcke auf einen Pferdewagen gewuchtet und zur Fabrik gebracht. Unser Lager war immer randvoll, erinnert sich Fassin.
In den 50er Jahren und auch noch zu Beginn der 60er Jahre kümmerte sich Fassin auch noch persönlich um den Einkauf des Rohgummis – in Afrika. Fassin: Damals bin ich mit einer schon etwas angejahrten Lufthansa-Maschine nach Kairo geflogen, von dort mit der äthiopischen Fluggesellschaft nach Khartum, und von dort dann in der Privatmaschine eines Zwischenhändlers aus dem Libanon direkt zu den Produzenten im Südsudan. Später, als weitere Lieferanten des Akaziensuds, der damals den Katjes ihre besondere Konsistenz verlieh, hinzukamen, bereiste Fassin auch Nigeria. Erst als in den 60er Jahren die Rezeptur der Lakritze geändert wurde, entfiel die Notwendigkeit dieser strapaziösen Reisen an den Äquator.
Rückblickend erlebt Fassin diese Jahre als eine »Zeit mit Rückenwind«. Als er mit 18 und bestandener Reifeprüfung ins Geschäft einstieg, gingen viele seiner Altersgenossen auf die Universität. Ein Studium stand für mich nie zur Debatte. Ich habe das Geschäft gelernt, indem ich genau geschaut habe, wie gute Leute etwas machten. Und ich fühlte mich, als ob ich Rückenwind hätte, weil ich mit der Firma Erfolg hatte.
In den Gründerjahren der Nachkriegszeit war es auch noch möglich, Erfolg zu haben, ohne auf den Gewinn achten zu müssen. Es zählte der Wille, etwas neu, anders und besser zu machen als es vorher getan wurde. Man konnte auch mal etwas probieren – und wenn es nicht lief, hat man versucht, das Produkt zu verbessern, so Fassin.
Das Unternehmen hat in diesen Jahren oft bewiesen, dass es neue Wege zu gehen bereit war – etwa indem für Süßwaren offensiv geworben wurde, zum Beispiel an Plakatwänden, und gerne auch mit jeweils aktuellen Stars der damaligen Zeit, etwa der Sängerin Caterina Valente. Früher waren Süßwaren keine Produkte, für die man Werbung machte, sagt Fassin. Katjes fing damit an.
Auch der Verkauf von Süßwaren im abgepackten Plastikbeutel ist eine Erfindung aus Emmerich. Ältere Zeitgenossen werden sich daran erinnern, dass es früher papierne Bonbontüten gab, die der Ladenbesitzer auf Fingerzeig Stück für Stück mit den Leckereien befüllte. Fassin machte mit dieser Praxis Schluss – was natürlich mit dem Verkauf größerer Mengen einherging.
Mit Fruchtgummi experimentierte das Unternehmen lange und geduldig herum und ließ sich auch von Fehlschlägen nicht davon abbringen, dieses strategische Feld zu besetzen. Der Durchbruch für dieses Segment war 1971 die Idee, dem Produkt Magermilchpulver beizumengen. Die so entstandenen Fruchtgummis wurden als Yoghurt-Gums vermarktet und entwickelten sich spätestens durch die Werbekampagne mit dem Topmodel Heidi Klum zu einem Welterfolg.
Doch Fassin ist lebensklug genug, um zu wissen, dass er mit seinen Methoden von damals heute vermutlich nur noch begrenzten Erfolg hätte. Umso erfreuter ist er, dass es ihm gelungen ist, in seinem Unternehmen den Wandel zu einem modern geführten Konzern zu bewerkstelligen. In erster Linie ist da 1996 der Einstieg von Tobias Bachmüller in die Geschäftsführung zu nennen, während Klaus Fassin sich aus dem aktiven Geschäft zurückzog. Komplettiert wurde der Generationenwechsel durch den Einstieg seines Sohnes Bastian Fassin 2004 in die Unternehmensleitung.
Bachmüller sorgte mit zahlreichen Übernahmen im In- und Ausland für eine bespiellose Expansion. Es fing 1997 an mit der Pfefferminzmarke Dr. Hillers, im Jahr 2000 erwarb er den Bonbonhersteller Villosa („Sallosâ€), 2002 den Brausepulverproduzenten Frigeo („Ahoi-Brauseâ€), ein Jahr darauf „Gletschereisâ€. 2009 traute sich der Emmericher Konzern das erste Auslandsengagement zu und erwarb schrittweise die Mehrheit beim belgisch-französischen Zuckerbäcker und Lamy Lutti, Marktführer in Belgien und Nummer zwei in Frankreich. Wenn ich sehe, wie er die Dinge angepackt hat, freut sich mein altes Herz, sagt Klaus Fassin.
Sein Unternehmerherz wird sich wohl auch freuen, wenn Klaus Fassin auf die Umsatzzahlen blickt. Die werden zwar nicht veröffentlicht, aber Schätzungen zufolge hat das Unternehmen aus Emmerich 2010 rund 300 Millionen Euro umgesetzt.
„Schau in den Himmel. Wir sind nicht alleine. Das ganze Universum ist freundlich zu uns und hat sich darauf eingeschworen, nur das Beste denjenigen zu geben, die träumen und arbeiten.“ – A. P. J. Abdul Kalam
â˜ðŸ½..ist das evtl. Lale Andersen ? 🤔 ( 🎶 Lili Marleen ) ðŸ˜