Über kein Thema wurde in der vergangenen Woche in Kleve mehr diskutiert als über die offenbar pädophilen Neigungen des Pfarrers Alfons Freistühler, der vor einem halben Jahrhundert Direktor des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums war. Als das Bistum Münster mit den Informationen Ende der vergangenen Woche an die Öffentlichkeit ging, lagen dem Interventionsbeauftragten Peter Frings eine Handvoll Fälle vor. Alle hatten sich unabhängig voneinander gemeldet, die letzten beiden bei ihm, woraufhin sich die Aufklärung in Gang setzte.
Eine gute Woche später haben sich sechs weitere Menschen gemeldet, die dem ehemaligen Schulleiter Missbrauch oder zumindest grenzüberschreitendes (und für einen Pädagogen völlig unangemessenes) Verhalten vorwerfen. Nach Meinung von Frings eine bemerkenswerte Anzahl. Sie lässt darauf schließen, dass es – wie zuvor schon vermutet – nicht um wenige isolierte Fälle geht, sondern um einen systematischen Missbrauch. Dieser Eindruck wird verstärkt dadurch, dass sich nun offenbar auch ein Betroffener aus Brilon gemeldet hat, wo Freistühler vor seiner Klever Zeit tätig war und von wo er nach völliger Zerrüttung mit dem dortigen Kollegium auf Weisung des Kultusministeriums wegversetzt wurde.
kleveblog dokumentiert hier zur Vervollständigung der Berichterstattung noch die aktuelle Pressemeldung des Bistums Münster sowie – eingedenk der Tatsache, dass die Redaktion weiß, dass nicht alle Kommentare immer gelesen werden – die Stellungnahme von User Lehreroderso, die sich eingehend mit der Frage beschäftigt, wie sich das Geschehen aus der Binnensicht des Kollegiums darstellt.
Pressemitteilung des Bistums Münster:
Grenzverletzendes Verhalten durch ehemaligen Schuldirektor in Kleve – Auch aus Brilon gibt es einen ersten Bericht einer betroffenen Person
Kleve (pbm/cb). Im Fall des 1991 verstorbenen Priesters, der von 1970 bis 1980 als Studiendirektor am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Kleve tätig war, haben sich nach der Berichterstattung über den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern sechs weitere Betroffene beim Bistum Münster gemeldet. Von den sechs Fällen soll sich einer in einer Schule in Brilon ereignet haben, an der der Priester vor seiner Zeit in Kleve tätig war. Die Meldung hat auch das Erzbistum Paderborn erhalten.
Nach Gesprächen mit den Betroffenen geht der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings, davon aus, dass es noch mehr Fälle grenzverletzenden Verhaltens und sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern durch den beschuldigten Priester gab. Die Taten ereigneten sich demnach sowohl im Umfeld der Schule als auch der Pfarrei, in der er tätig war. Der beschuldigte Priester war seit 1971 auch als Seelsorger in Reichswalde eingesetzt und war von 1980 bis 1988 Pfarrverwalter in Keeken und
Bimmen.
Nach der Berichterstattung wurden im Internet Abschriften von Briefen einer ehemaligen Schulsekretärin veröffentlicht. Kopien dieser Abschriften hat auch Frings erhalten, der sie an die Staatsanwaltschaft Kleve weitergeleitet hat, falls dort Ermittlungen aufgenommen werden. (Ansatzpunkt ist der in einem Dokument genannte Name eines Mitreisenden, der eventuell noch lebt und der möglicherweise etwas mitbekommen haben könnte – Anm. d. Red.)
Der 1991 verstorbene Priester ist im sogenannten Priesterrondell auf dem städtischen Friedhof in Kleve beigesetzt, die Liegezeit ist mittlerweile abgelaufen. Man habe sich, betont Frings, bewusst dagegen entschieden, die Grabplatte schon vor Veröffentlichung der Vorwürfe entfernen zu lassen. Vielmehr habe die Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt in Abstimmung mit der Stadt Kleve nun die Möglichkeit, über den Umgang mit dem Grab zu entscheiden.
Weiterhin können sich ehemalige Lehrerinnen und Lehrer, ebenso wie weitere Betroffene oder andere Menschen, die Angaben machen möchten, direkt an den Interventionsbeauftragten Peter Frings, Telefon 0251 4956031, E-Mail: interventionsbeauftragter@bistum-muenster.de oder an die Ansprechpersonen bei Fällen sexuellen Missbrauch wenden. Alle Kontaktdaten sind auf der Internetseite des Bistums zum sexuellen Missbrauch zu finden: www.bistum-muenster.de/sexueller_missbrauch.
Sollte es weitere Betroffene aus dem Raum des Erzbistums Paderborn geben, bittet das Erzbistum um Meldung beim Interventionsbeauftragten oder bei den unabhängigen Ansprechpersonen. Alle Ansprechpersonen aus dem Erzbistum Paderborn finden sich hier: www.erzbistum-paderborn.de/beratung-hilfe/hilfe-bei-missbrauch/.
Kommentar von Lehreroderso:
Die Frage „Rechtfertigung?“ hat die traurige Angelegenheit mancher Kommentare hier auf einen Punkt gebracht!
Sitzen die damaligen Lehrer am Stein nicht in einer Falle?!
In den Jahren von 1971 bis 1979 war Freistühler Schulleiter – Warum schweigt sein Kollegium von damals?! Macht Schweigen nicht verdächtig? (Bei manchen ist es entschuldigt, denn sie sind in der Zwischenzeit verstorben.)
Dann gibt es andere (von denen man nicht weiß, ob sie zum vorher genannten Kreis gehören; aber was soll’s?), die argumentieren, und sprechen von Substanz-losen Mutmaßungen, von haltlosen Spekulationen, wenn es um die damalige Rolle und mögliche Mitverantwortung des Kollegiums ging!
– Sind diese Argumente, auch und gerade in ihrer Ausführlichkeit, nicht „Rechtfertigungen“?! – „Man“ weiß doch: Wer sich rechtfertigt, der klagt sich auch ein wenig an, will irgendwas wohl…. vertuschen, verharmlosen, relativieren…?! (Eigentlich geht es bei Rechtfertigungen um Handlungen oder Unterlassungen, die einen Schaden hervorgerufen haben. Muss man sich für die Nichtexistenz von etwas rechtfertigen, das andere sich so vorstellen?!)
Das Ganze stellt für die, die sich angesprochen fühlen sollen, eine Zwickmühle dar: Schweigen oder Argumentieren?! – Beides macht verdächtig!
Die, die die „Fragen“ stellen, die fühlen sich reinen Herzens: Sie haben doch nur lautere Motive?! Sie wollen doch „bloß“ mithelfen, eine üble Schweinerei aufzudecken, die Umstände eines verabscheuungswürdigen Verbrechens! („Ich habe doch nur die Frage, wann Sie aufgehört haben, ihre Frau zu schlagen?!“)
Als ich am Samstag in der RP las, wie eine Bemerkung von Herrn Frings den Fokus auf Lehrer richtete, war mir schon unwohl, und meine Ahnung sah sich dann (leider) durch die hier auf dem Kleveblog zu lesenden Kommentare bestätigt: Aus der Frage, ob es Lehrer gebe, die vielleicht doch etwas beobachtet haben, wurde zunächst eine Skepsis: „Wie kann es sein, dass Lehrer nichts bemerkt haben?!“, dann die Formulierung eines massiven Zweifels „Es ist nicht zu glauben, dass nichts bemerkt wurde!“; und schließlich ein wütendes „Warum verschweigen die, was sie doch beobachtet haben müssen?!“
Um bis dahin zu gelangen, musste z.B. Nichtwissen als Bestätigung von Tatsachenbehauptungen herhalten: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass…!“
Irgendwann war der Bann und alle Dämme gebrochen: Da stand nun fest, dass Stein-Lehrer schweigen und schwiegen, obwohl sie etwas bemerkt haben. Einige haben sofort Erklärungen dafür: Die Lehrer, die, die verhalten sich doch so, weil sie Angst um ihre Karriere haben und hatten. Ein anderer wusste: Die halten die Klappe, denn wenn sie etwas mitteilen, zeigten sie doch nur an, dass sie sich damals durch Wegschauen und Schweigen mitschuldig gemacht haben.
Ein anderer, sein solides Wissen gerne zur Verfügung stellender Kopf, erinnert(?) daran, dass es doch damals (?) Gruppen gab, die Pädophilie ideologisch legitimiert haben – und daher könnte es doch auch wohl – damals junge – Lehrer mit dieser „Überzeugung“ am Stein gegeben haben?! (Bemerkung: Lehrer, die ihren Schüler sagten: „Heute müsst ihr das machen, was ihr wollt!“, scheint es am Stein eher wenige gegeben haben; da erzählt man sich ganz andere Erlebnisse!)
Bei manchen ist ziemlich deutlich, dass ihre Gewissheiten durch Aversionen gegen Lehrer im Allgemeinen, und durch Aversionen gegen „das Stein“ im Besonderen genährt werden. Einigen ehemaligen Schülern ist auch klar: Diesen Lehrern war alles zuzutrauen!
Hoch und hell lodert das Feuer des Verdachts…..
Der kleveblog ist offenbar Tummelplatz von Menschen, die gerne aus dem Schutz der Anonymität heraus, die sie unverletzbar macht, andere anprangern und gar an die Öffentlichkeit zerren, um ihnen eine Art „Volksprozess“ zu machen. Ein Bedürfnis, das den Zivilisierungsprozess der Menschheit über Jahrhunderte hinweg als dunkler Schatten begleitet. Populismus ist, Herr „Hans“, wenn man den „heiligen“ Zorn über ein übles Verbrechen dadurch befriedigt, indem man Schuldige sucht, und den nächstbesten („naheliegenden“) als einen solchen hervorzerrt, um ihm einen kurzen Prozess zu machen, gerne auch Beweise „von Hörensagen“ zulassend.
Zum Glück spielt der Kleveblog, und sein Betreiber ist dafür sehr zu loben, insgesamt aber eine äußerst positive Rolle: Betroffene nutzen die Anonymität als Schutz, um endlich von dem zu berichten, was ihnen angetan wurde; alte Briefe werden veröffentlicht, solide Recherchen dargestellt. Aus all dem ist m.E. (IMHO) ein relativ deutliches Bild von dem zu erkennen, was damals geschah.
Es gibt Pädophile, die sich ihrer Neigung bewusst sind, und sich ein Leben lang zusammenreißen. Andere suchen fast ständig nach Gelegenheiten. Freistühler in seiner von ihm erreichten Doppelposition als Schulleiter und Priester muss sich wie die Spinne in einem Netz gefühlt haben, in dem sich früher oder später Opfer verfangen werden, fangen lassen. (Wie er dahin kam, ist offenbar auch eine eigene Geschichte!) (Es ist schon gesagt worden: Seine Briefe an die Nonnen lassen eine gewisse Vorfreude spüren.)
Das Schulsekretariat nutzte er offenbar für die Organisation seiner Missbräuche. Die Sekretärin hatte Briefe zu schreiben, die ihr irgendwann seltsam vorkamen. Vielleicht ging der Schulleiter davon aus, dass sie einen Verdacht wohl nicht entwickeln werde, aber er konnte sich doch fast hundertprozentig sicher sein, dass keine Sekretärin mit bloß „komischen“(?) Briefen an die Öffentlichkeit gehen konnte, denn ihr, die dann Regeln der Geheimhaltung und Vertraulichkeit gebrochen hätte, hätten erhebliche berufliche Nachteile gedroht! Schon immer ist es häufig so, dass der Zorn gegen den, der ein Verbrechen aufdeckt (oft der „Zorn der Mächtigen“) sehr viel stärker ist, als der Zorn gegen das Verbrechen selbst. Julian Assange, der schlimmste Kriegsverbrechen bekannt machte, macht seit Jahren diese leidvolle Erfahrung (und „wir“ bleiben in der Mehrheit ruhig). Erst in diesen Tagen, also 45 Jahre nachdem eine Schul-Sekretärin besorgt auf ihr verdächtige Briefe blickte, verabschiedet der Bundestag ein Whistleblower-Gesetz!
Ein Gesetz, das aber im Vorfeld schon sehr verwässert wurde, und zum Beispiel keine Einrichtung von Instanzen verpflichtend macht, an die man sich anonym wenden kann.
Als Lehrer in den 5./6. Klassen fand Freistühler ein Feld vor, aus dem er gezielt seine Opfer wählen konnte. Wie viele Schüler und ihre Eltern werden seine Einladung als Ehre empfunden haben: „Da bist du ja wohl durch gute Mitarbeit aufgefallen?!“ Es werden wohl nicht nur Stein-Schüler gewesen sein?! Allgemein werden Eltern froh gewesen sein, dass sie ihr Kind bei freier Kost und Logis mal die Sommerferien lang mit anderen etwa Gleichalterigen auf eine Reise mitgeben konnten?!
Wie viele Jahre lang hat Freistühler diese „kirchlichen“ Freizeitaktivitäten durchgeführt, mit jeweils wie vielen Kindern?! (Eventuell auch noch nach seiner Pensionierung?!) Es wird viele Betroffene geben; keines der beteiligten Kinder wird im folgenden Jahr wieder mitgefahren sein.
Es ist sehr zu hoffen, dass nun sich immer mehr Betroffene melden werden, weil sie darauf vertrauen können, dass sie anonym bleiben.
Der notorisch faule Lehrer, der inkompetente Schulleiter, der hatte offenbar ein großes Geschick, kirchliche Strukturen für die Umsetzung seines Missbauchs zu nutzen: Eine Art von einseitiger krimineller Intelligenz? Die durch seine Freundlichkeit eingelullten Nonnen machte er zu (bestimmt) ahnungslosen Komplizinnen seiner Verbrechen. Konnten die sich überhaupt vorstellen, was hinter verschlossenen Türen beim „Mittagsschlaf“ passierte?! Es wird, wie in der ganzen Kirchengemeinde auch, die Auffassung eine Rolle gespielt haben: Ein Priester, der macht doch so etwas nicht!
Eine Kirche, die die Heiligkeit ihres Auftrages mit der Heiligkeit ihrer Organisation identifiziert (Die „heilige katholische Kirche“ des Apostolischen Bekenntnisses), trägt bei ihren Mitgliedern zur Überzeugung bei, dass ihre Repräsentanten ganz ehrwürdige und bedeutende Persönlichkeiten sind. Einem Priester vertraut man doch, bringt man Ehrfurcht entgegen, oder fürchtet ihn auch, denn er urteilt über sündiges oder frommes Leben. Einen solchen Priester zu beschuldigen, bedarf einer ziemlichen Überwindung.
Freistühler konnte bei seinen Vergehen auch auf das Phänomen der Scham setzen. Kinder, die seine sexuelle Gewalt erfuhren, wurden dadurch in ihrem Innersten beschämt; sie trauten sich nicht, andere zu fragen: Vielleicht ist es ja nur mir passiert? Was werden die Eltern sagen?
Gab es den Kindern bekannte Instanzen, an die sie sich vertrauensvoll wenden konnten? Einen anderen Seelsorger in der Gemeinde? Einen Klassenlehrer, eine Klassenlehrerin? Ein Vertrauenslehrer, eine Vertrauenslehrerin? – Offenbar nicht! (Sozialarbeiter gehören erst in neuerer Zeit zum Kollegium.)
Wenn innerhalb der Kirche etwas auf „höherer“ Ebene bekannt wurde oder als Verdacht ankam, war bekanntermaßen das Aufklärungsbedürfnis dort auch oft gebremst: Kein Schandfleck sollte auf die Kirche fallen und Zweifel wecken, denn sie ist doch wohl letzter „Halt“ in der ansonsten sündigen Welt?!
Der Interventionsbeauftragte ermöglicht jetzt dankenswerter Weise anonyme Meldungen. Aber er wird mit seiner auf das Justiziable gerichteten Aufgabe, die Täter, Zeugen und Opfer „braucht“, an Grenzen der Erkenntnis geraten, die erst eine Religionssoziologie erweitern könnte. Wenn dann auch noch ein Lokalredakteur mit dazu beiträgt, den Fokus auf die Schule zu richten, die er ja meint gut zu kennen, stellt die Gesamtbetrachtung des kriminell benutzten Systems wohl eine inhaltliche Überforderung dar (In der Wissenschaft nennt man unreflektierte Einseitigkeit einen „Bias“).
Es wird – hoffentlich – zu erheblichen Entschädigungszahlungen kommen, aber noch lebende Schuldige als Mittäter oder Mitwisser wird man kaum finden. (Vielleicht wird der eine oder andere, der mit Freistühler zu tun hatte, sich an Situationen erinnern, die ihm nun verdächtig vorkommen oder eine neue Interpretation erfahren; er wäre aber kein „Zeuge“!)
Die „Öffentlichkeit“ muss sich wohl damit zufrieden geben, dass die damaligen Opfer eine gewisse Genugtuung und Respektierung erfahren, aber ansonsten die langwierige Aufgabe einer Systemreform übrig bleibt, und notwendige Konsequenz sein sollte!
Ziemlich still um das wichtige Thema.
Fundsachen im Netz:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article247779800/Erzbistum-Koeln-Dieses-Missbrauchs-Urteil-wird-weite-Kreise-ziehen.html?source=puerto-reco-2_ABC-V32.7.B_test
https://www.nrz.de/staedte/essen/ruhrbischof-mit-hengsbach-zerbricht-ein-ideal-von-kirche-id239689565.html
https://www.zeit.de/kultur/film/2023-09/missbrauchsvorwuerfe-maximilian-schell-tochter-onkel
ich kenn das, dorfschule 60ziger. Schulleiter M und Dorfpfaffe S ,Nazis, der vorherige von S war auch nicht besser, der Nachfolger auch nicht. Uneingeladen tauchten die auf geburtstagen oder hochzeiten auf und haben sich durchschmarrozt und fettgefressen
Das hier ist wirklich ein interessanter (zwar nicht Klever) Fall, wo eine Zetung den Bischof übergeht – Gott sei dank- möchte man sagen.
Wobei ich 2 Dinge nicht verstanden habe in dem Fall:
Den Namen des Pfarrers wussten auch andere. Warum ist der im Inertnetzeitalter nicht schon längst öffentlich gemacht worden? Es stellt keine Straftat dar den Namen zu nennen, im Gegenteil bin ich nicht sicher ob der Bischof nicht durch sein Mauern strafbar macht.
In der Tat bin ich selber geschockt über die Hinhaltetaktik des Bischofs, – das habe ich eigentlich nicht erwartet.
https://www.aachener-zeitung.de/lokales/aachen/wer-nennt-endlich-den-namen-des-vergewaltigers-pfarrer-m_aid-90143193
Bei den Missbrauchsfällen in Schulen oder in kirchlichen Einrichtungen oder auch Kirchengemeinden durch einen Pfarrer zeigt sich immer wieder ein ähnliches Verhaltensmuster bei den in diese Fälle in irgendeiner Form involvierten Personen, die in Behörden oder der Kirche tätig sind bzw. waren oder Kollegen des Täters sind oder waren. Der im ersten Post verlinkte Artikel beschreibt diese Verhaltensweisen genau: Die Opfer nicht ernst nehmen, ihnen nicht glauben, die Straftaten herunterspielen, auf Hinweise nicht reagieren, die Opfer hinhalten (Verjährung der Taten billigend in Kauf nehmen). Warum ist das so? Was haben Menschen davon einen Täter zu schützen, wenn sie ihn möglicherweise noch nicht einmal persönlich kennen (gemeint sind hier Menschen an die Beschwerden über die Täter herangetragen worden sind z.B. in der Schulaufsichtsbehörde oder dem Generalvikariat eines Bistums)?
Ist es der Drang die Organisation (Kirche oder Behörde) rein zu halten nach dem Motto „Ich schließe die Augen, dann sehe ich den Schmutz nicht und alles ist gut?
Warum?
Das hat Tätern ermöglicht sich über Jahre und teilweise Jahrzehnte an Kindern zu vergehen. Natürlich kann man niemanden ohne Beweise verurteilen oder disziplinarisch gegen ihn vorgehen, aber ist Ignorieren die einzige Möglichkeit? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Bei Straftaten, bei denen die Opfer besonders wehrlos sind und das Verbrechen eine besonders zerstörerische Wirkung auf die Opfer hat, sind Zweifel an den Aussagen der Opfer besonders verletzend.
Wer sachdienliche Hinweise zur Aufklärung dieses oder anderer Verbrechen, bei denen es um sexuellen Missbrauch geht, hat, sollte sich an die zuständigen Behörden und Beauftragten wenden.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, was ich gedacht und ob ich getan oder unterlassen hätte, wenn ich Gerüchte gehört oder etwas mitbekommen hätte, was den Verdacht nahegelegt hätte ein Kollege und Vorgesetzter würde Kinder sexuell missbrauchen. Ich hoffe sehr, dass ich dem Verdacht nachgegangen und nicht geschwiegen hätte. Aber ich weiß es nicht und enthalte mich deswegen einer Wertung bezogen auf das Verhalten der damals an der Schule tätigen Menschen. Aber eines können Menschen, die etwas gewusst haben und somit sachdienliche Hinweise geben können, auch nach mehreren Jahrzehnten für die Opfer tun: Reden. Zeugenaussagen machen. Sich den Fragen der Opfer stellen. Wer das tut, kann zumindest die schwerste nachträgliche Verletzung rückgängig machen nämlich die Verletzung, die Opfer erfahren, wenn sie unermessliches Leid erfahren haben und trotzdem noch von der einen oder anderen Seite Zweifel an ihrer Darstellung der Verbrechen geäußert werden. Natürlich birgt die Offenbarung etwas geahnt oder gewusst zu haben die Gefahr mit Vorwürfen konfrontiert zu werden. Aber es wäre die einzige und letzte Möglichkeit den Opfern Respekt zu erweisen.
‚Rechtfertigung?“ war lediglich gemeint als Frage: Rechtfertigt sich da ein (ehemaliger) Lehrer?
@rd Die „Binnenkenntnis“ von Lehreroderso, die du ausmachst, kann ich nicht erkennen. Sein längerer Post ist eine eloquente Wiederholung von schon Gesagten, um eigene Meinung ergänzt. Es wird nicht mal klar, was er eigentlich ist oder war. Vielleicht doch ein Steiner, der es nicht erträgt, dass die alte Schule gerade so negative Schlagzeilen macht?
In einem anderen Post schrieb er, F. sei „seines Wissens“ (woher genau?) beim Kollegium unbeliebt gewesen und schlussfolgert, dass die Lehrer und -innen schon deshalb nichts gewusst haben könnten, weil sie ja sonst die Gelegenheit ergriffen hätten, um ihn loszuwerden. Wow, was für eine Argumentation.
Alles in allem: Im Westen nichts Neues.
Mit folgendem Artikel von 2016 möchte ich den Fokus wieder auf die Sicht von Betroffenen lenken und was ihnen angetan wurde. Es kommen Schüler zu Wort, die über Jahre an einer Schule in Darmstadt von einem Lehrer missbraucht und schwer traumatisiert wurden. Dieser Lehrer konnte bis Anfang der 1990er Jahre über Jahrzehnte Grundschüler missbrauchen, nahezu täglich. Dieser Fall ist auch deshalb erschütternd, weil er ein kollektives Versagen der Gesellschaft zeigt.
https://taz.de/Aufklaerung-sexuellen-Missbrauchs/!5016458/
Wer Details zu sexuellem Missbrauch nicht erträgt, sollte den Artikel nicht lesen.
Ich finde aber wichtig, dass hier genauer beschrieben ist, was sexueller Missbrauch für die Betroffenen bedeutet. Mittagsschlaf spielt übrigens auch hier eine Rolle, ebenso gemeinsame Ferien etc.
Finde schon, dass man bei dem Thema erstmal „durchrühren“ kann, um dann wieder auf den Teppich zurückzukehren. Btw: Wie haben es eigentlich die Lehrer/innen in Brilon geschafft, dass Freistühler da weg musste? Da scheint es ja Widerstand gegeben zu haben.
Was mir bisher gut gefallen hat, ist die öffentliche Anteilnahme an dem Fall, dass Ärger, Wut und Ekel zu spüren waren/sind. Das hilft den Betroffenen.
Ja, der eine oder andere ist mit Vorwürfen über’s Ziel hinaus geschossen. Aber ich würde auch mutmaßen, dass eine solche Sache sich im Kollegium hinter vorgehaltener Hand rumspricht, allein schon zur Entlastung. Es ist aber gleichzeitig schwierig, etwas zu unternehmen, wenn es keine Beweise in dem Sinne gibt. Es war ja keiner dabei. Es waren keine äußeren Verletzungen zu sehen, es waren keine Schreie zu hören. Während die einen Pausenbrot aßen, wurden die anderen wahrscheinlich missbraucht.
Was ich sagen will: Es ist auch möglich, dass alle Bescheid wussten. Das ist aber ebenso nur eine These wie die Vermutung, dass nicht alle oder keiner etwas wusste.
Wer die Kommentare verfolgt hat, hat auch schon den langen Kommentar von Lehreroderso gesehen. Wer die Kommentare nicht verfolgt hat, der müsste sich jetzt erstmal durch den Thread lesen, um zu erfahren, wie der Ablauf war. (Ob es Lehreroderso vor allem um sich selber gegangen ist oder um ein grundsätzliches Prinzip, weiß auch keiner.)
Es gibt übrigens so viele Beispiele von duldender Umgebung, auch heute noch.
https://taz.de/Zahlen-zu-Kindesmissbrauch/!5660648/
https://taz.de/Sexualisierte-Gewalt-im-Sport/!5626255/
Leider wird das Dunkelfeld bei sexuellem Missbrauch von Kindern als sehr groß eingeschätzt.
Die quälendsten Fragen von Betroffenen sind oft auch: Warum war das alles möglich? Warum wurde ich mit alldem alleine gelassen? Warum gab es keine Hilfe?
Weil es keiner wusste, ist selten die richtige Antwort.
*Glaube, dass es den einen oder die andere noch nachträglich erleichtern könnte, sich zu melden, und wenn es anonym ist. Ein Beitrag zur Erhellung der Geschehnisse damals. Als nachträgliche Hilfe für die Betroffenen.