Vor dem Spiel: Vogts mit Spezialauftrag, Glaskasten für Minister

Ein normaler Tag im Juli 1974

Tja, lieber Leser, nun bist du fein die Irre geführt worden, denn es geht nicht um Deutschland gegen Spanien, sondern um Deutschland gegen die Niederlande: Heute vor 50 Jahren war der Tag vor dem Finale der Fußballweltmeisterschaft, und wie die NRZ (siehe oben) damals berichtete, hat Franz Beckenbauer (nicht Bundestrainer Helmut Schön!) die taktische Idee gehabt, Berti Vogts zur Bewachung des niederländischen Spielmachers (und Kettenrauchers) Johan Cruyff abzustellen.

Darüber hinaus, siehe das Foto rechts, hat Nationaltorwart Sepp Maier seiner Rolle als sogenannter „Spaßvogel“ einmal mehr Genüge getan und bei seiner Ankunft in München (damals noch Flughafen Riem, wohlgemerkt), den Asphalt der Landebahn geküsst, weil er so froh war, nach den öden Tagen in der Abgeschiedenheit der schleswig-holsteinischen Sportschule Malente endlich wieder bayerischen Boden unter den Füßen zu haben (eine Geste, die später Papst Johannes Paul II. übernommen hat).

Am wichtigsten aber war den Verantwortlichen, das ist zu spüren, die Sicherheit, das Olympia-Attentat mit dem Geiselbefreiungsdesaster von Fürstenfeldbruck ist ja gerade auch erst zwei Jahre her. „In München wurden die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen getroffen, mit denen je ein Sportereignis geschützt wurde“, schreibt die Zeitung. „Vier Präzisions-Schützen-Kommandos stehen bereit. Spezialeinheiten sind mit modernsten Waffen und Hubschraubern ausgerüstet.“

Dass sich dann ausgerechnet noch der amerikanische Außenminister Henry Kissinger zum Besuch angesagt hat, bereitete den Verantwortlichen einiges Kopfzerbrechen. „Am liebsten würden wir ihn in eine kugelsichere Glaskanzel stecken“, so die Polizei laut NRZ. Am gleichen Tag trat übrigens Erhard Eppler als erster Minister des Kabinetts Schmidt zurück, und dies während einer Kabinettssitzung, in der ihm eröffnet wurde, dass sein Entwicklsungshilfe-Etat um zwei Millionen Mark gekürzt werden soll.

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21 Kommentare

  1. 21

    @20 Benno Grundsätzlich haben Sie wahrscheinlich Recht.

    Aber Fußball läuft ja oft ganz anders. Und ich meine, wer so viele Fouls wie die deutschen Spieler nötig hatte, ist vielleicht doch nicht so ganz von sich überzeugt.

    Frankreich ist jetzt mit zwei Eigentoren der Wettbewerber und einem Elfer aus dem Spiel heraus ins Halbfinale gekommen und wird schon Equipe Minimaliste genannt… dabei strahlt sie insgesamt mehr Selbstbewusstsein und Lockerheit aus als bei unserer Mannschaft zu beobachten war.

    Bin jetzt jedenfalls sehr gespannt, ob man damit auch Europameister werden kann. Wenn ja, müssen wir nochmal sprechen, Benno.

     
  2. 20

    @18:
    wer so gegen Spanien spielt, einen Rückstand ausgleicht und kämpft wie unsere Jungs, der kann auch Weltmeister, wenn kein ungeahntes Handspiel dabei ist oder ein Musiala unfair von den Beinen geholt wird. Wir hatten Chancen, die Spanier hatten Glück.

    Benno

     
  3. 19

    @16 Thomas Beler

    Danke für Ihre Eindrücke von jenseits der Grenze. Dass in Holland nach dem Finale deutsche Autos beschädigt wurden, ist mir, damals 11, auch noch in Erinnerung.

    Btw: Willem „Wim“ van Hanegem, einer der Vizeweltmeister von 1974, verlor 1944 bei einem Bombenangriff mehrere Angehörige, darunter waren auch sein Vater und der 10-jährige Bruder. Außerdem sollen ein weiterer Bruder und eine Schwester im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sein. Van Hanegem.nahm damals als einziger nicht am Festbankett teil.

    Es bleibt wohl immer ein besonderes Spiel, wenn die deutsche und niederländische Mannschaft in einem Turnier aufeinander treffen.

     
  4. 18

    In den Medien machte ja schon nach dem Schottland-Spiel die Einschätzung „Weltklasse“ die Runde…

    Spaniens Mannschaft hat im Viertelfinale aber wohl ihr bis dahin schwächstes Spiel abgeliefert. Und die DFB-Elf ihr nickeligstes.

    Nagelsmann hatte bislang keine Erfahrung mit Turnieren, wäre vielleicht auch besser wieder Vereinstrainer geworden, wenn auch nicht in München.

    Jetzt bleibt er erstmal bis 2026 DFB-Trainer, der Vertrag wurde ja erst im April verlängert. Finde ja, zum Anforderungsprofil für einen Bundestrainer gehören unbedingt kommunikative Fähigkeiten. Da ist Nagelsmann ein weiterer Trainer auf Flick-Niveau. Aber immerhin hat er die Vorrunde überstanden.

    Und jetzt träumt Deutschland schon vom WM-Titel… An irgendwas muss man sich ja festhalten.

    Und im Schönreden ist Deutschland ja wirklich Weltklasse.

     
  5. 17

    @15 Da war die Selbstüberschätzung schon im vollen Gange…

    Nagelsmann hätte sich klarmachen müssen, dass er nie wieder die Gelegenheit bekommt, eine Heim-EM zu gewinnen. Die Angst vorm Ausscheiden in der k.o. Runde, schon im Viertelfinale, war offenbar nicht groß genug. Und die Vorstellung von der eigenen Enttäuschung war wohl auch nicht real vorstellbar. Dann lieber nachher heulen. Das will ich dann nicht sehen. Nagelsmann kriegt 400.000 Euron für den Job als Bundestrainer. Im Monat. Da ist dann auch Schmerzensgeld mit drin.

    Taktik ist doch im Fußball das A und O, wenn ich das richtig verstanden hab…

     
  6. 16

    Das WM-Endspiel 1974 habe ich als 10 jähriger am Fernseher miterlebt. Mit der Familie und Oma aus Deutschland saßen wir bei unserer niederländischen Onkel, Tante und Cousine im Wohnzimmer in Nijmegen.

    Draußen war ordentlich Stimmung die darauf hindeutete das Alle diesem Spiel, nur 29 Jahre nach Kriegsende gegen die damals noch in weiten Teilen der niederländischen Bevölkerung verhassten Deutschen, eine herausragende Bedeutung zumaßen.
    Wollte man es doch den Deutschen (Nazis) es doch wenigstens im Fußball so im WM-Finale richtig zeigen.
    Die aufgeladene Spannung, die in der Luft lag, war schon auf der Hinfahrt mehr als greifbar gewesen, überall stolze Oranje Beflagung an allen Häusern und der ausgestreckte Stinkefinger Richtung deutschen Autokennzeichen sprach Bände.

    Als das Spiel zugunsten Deutschlands auf, Niederlande und BRD 1:2 kippte, war draußen ein Wutgeschrei in der gesamten Gegend zu vernehmen.
    Die Schwester meines Vaters wurde nervös schaute immer wieder vor ihr Haus und meinte schließlich auch weil mein niederländischer Onkel immer missmutiger uns gegenüber wurde, es wäre wohl besser wenn wir umgehend wohl aufbrechen würden!
    Wir sollten so schnell wie möglich aufbrechen und zusehen das über wir noch sicher über die Grenze kämen, es könnte jetzt alles passieren.
    Also brachen wir sehr hastig auf und fuhren nur ein paar Minuten später quer durch Nijmegen zurück Richtung Deutsche Grenze bei Kranenburg – Wyler.
    Der Stinkefinger und geballte Fäuste in unsere Richtung und das Ausbremsen durch niederländische Autos (Vater fuhr teilweise Slalom) waren zum Glück das geringste was uns auf dem Rückweg passiert war und über die Grenze kamen wir auch ohne Kontrolle, denn die Zollbeamten winkten alle deutschen Autos ohne anhalten zu müssen durch und es waren nicht wenige die an der Grenze auffuhren.

    Meine Tante erzählte meinem Vater am nächsten Tag am Telefon das kurz nachdem wir weg waren, hätte sich die ganze Wut gegen alles in Raum Nijmegen gerichtet hatte was Deutsch aussah und nicht wenige Autos mit deutschen Kennzeichen hätten auch in ihrem Stadtgebiet, wie in vielen Teilen der Niederlande an diesem Tag, gebrannt oder wurden aus Wut über die Niederlage der Niederlande gegen die Deutschen kurz und klein geschlagen.

    Das hat sich heutzutage Gott sei Dank alles geändert und die EU offenen Grenzen haben zu einer positiven Verschmelzung entlang des Deutsch-Niederländischem Grenzgebietes geführt, die heutztage zu einem freundlichen Miteinander im täglichen Leben und Arbeiten inzwischen geführt hat. Hüben wie Drüben jeder versteht den Anderen und auch beim Fußball liegen sich Deutsche und Niederländer ob Familie wie Freunde freudig gemeinsam schunkelnd in den Armen.

    Also wird jetzt den niederländischen Nachbarn fest die Daumen in der EM gedrückt, ist doch selbstverständlich.

    Oranje Boven, Oranje Boven !!!

     
  7. 15

    Wäre Deutschland 2024 auch mal so clever gewesen wie 1974!
    In der Vorrunde den Schweizern den Sieg lassen, um erst im Finale auf Spanien stoßen zu können.
    Gegen Rumänien, England und die Niederlande hätte es 2024 sehr gut bis ins Finale reichen können.
    Und da wäre bekanntlich alles möglich gewesen …
    1974 sich in der Vorrunde im einzigen deutsch-deutschen Pflichtfußballspiel durch das Tor von Jürgen Sparwasser schlagen lassen, um dann in der zweiten Runde „nur“ gegen Jugoslawien, Schweden und (in der legendären Frankfurter Wasserschlacht) gegen Polen antreten zu müssen.
    Während unsere seinerzeit nahezu intergalaktischen Nachbarn (außer der DDR) vor allem Argentinien und Brasilien aus dem Weg räumen, um sich dann (davon erschöpft?) im Finale schlagen zu lassen:
    Weltmeister – und trotzdem (in weiser Voraussicht des Mauerfalls 15 Jahre später???) die Brüder und Schwestern hinter dem eisernen Vorhang irgendwie am Erfolg teilhaben und ihr Gesicht wahren zu lassen …

     
  8. 14

    @7 rd Mag sein. Aber das interessiert ja dann niemanden mehr. Gut raus gespielt ist auch raus.

    Finde, es gibt zu wenig Spielerpersönlichkeiten in der Mannschaft. Müller und Kroos fielen nicht so richtig auf, Neuers Präsenz auf dem Platz und der damit verbundene Einfluss auf die Feldspieler hielten sich in Grenzen, auch wenn er seinen Job gut erledigt hat. Rüdiger steht sich schnell selber im Weg. Wirtz und Havertz haben die Ausstrahlung von Büroklammern, auch wenn die Tore für sich sprechen. Kimmich wirkt wie der ewige Jungspund. Gündogan hat(te) zu wenig Biss. Einzig Musialas Spurts brachten dynamische Ausstrahlung. Wer war noch da? Tah… na ja. Weitere Spieler fallen mir schon gar nicht mehr ein. Doch, Füllkrug natürlich, der war super.

    Bei mir ist der Funke insgesamt nicht über gesprungen. Und ich finde es fast gut, jetzt den Franzosen die Daumen drücken zu können. Mein Tipp war 2:3 gewesen, für Spanien. Damit hatte ich den Tagespott.

     
  9. 13

    Es hat mit „Sport“, im eigentlichen Sinn, leider nur sehr wenig zu tun. Für den Großteil, aller insgesamt Beteiligten dieser Veranstaltung, ist es reiner hoch dotierter Kommerz, von anderen wird es dazu noch als Zeichen für politisches „Machtgehabe“ genutzt.

    Persönlich bevorzuge ich den fairen Amateursport.

     
  10. 12

    Jawoll 🇳🇱

    Jetzt verschwindet hoffentlich auch der „Wolfsgruß“ wieder von deutschen Straßen. Luft raus.

     
  11. 11

    ⚽ „HUPP HUPP 🟠 HOLLAND“ ! ⚽ 👍🏼 😂 .. 👏🏼👏🏼 .. 🥳 🍻

     
  12. 10

    Während man übrigens 1974 in München noch traumatisiert war von Olympia 1972 und entsprechend Sicherheitsmaßnahmen aufgefahren hat, wäre zum Beispiel in Stuttgart 2006 nach dem Spiel Deutschland – Portugal alles möglich gewesen. Wir waren damals auf dem Weg in den Urlaub nach Italien und haben spontan einen Zwischenstopp in Stuttgart eingelegt. Übernachtung im Intercity-Hotel am Hauptbahnhof, ein oder zwei sehr teure Zimmer gab es noch… gegenüber vom Steigenberger Hotel, in dem die deutsche Mannschaft nächtigte, bevor es am nächsten Tag nach Berlin ging.

    Wir hatten das Spiel in einem Kinosaal in der Innenstadt geguckt, und dann später die Ankunft der Mannschaft am Hotel und das Spektakel dort von unserem Hotelfenster aus beobachtet. Polizei habe ich nirgendwo gesehen, Rettungswagen wären auch nicht mehr durchgekommen, auch nicht zum Hbf… Es war eine super Stimmung und die Spieler zeigten sich auch immer wieder an den Hotelfenstern.

     
  13. 9

    Aber die Franzosen haben gestern wieder gezeigt, was Charisma bedeutet… am Ende die Nerven bewahren und dann wunderbar zusammen jubeln…

    Schon jetzt ist klar, was mir von dieser EM in Erinnerung bleiben wird, neben der Maske das Statement von Mbappé, der in einer Banlieue bei Paris in einer sehr sportlichen Familie aufgewachsen ist, zur Wahl in Frankreich… ohne Zettel, einfach frei raus, so passte es…

    https://www.youtube.com/watch?v=CFkR7rveHjg

    Mbappé lachend zu den wenigen Toren seiner Mannschaft (leider bisschen Werbung vorher):
    https://www.sport1.de/tv-video/video/mbappe-lacht-sich-ueber-kritische-frage-schlapp__C3208F53-A68C-4B80-9F75-A96E2A936A9B

     
  14. 8

    @rd:
    Das Spiel der deutschen Mannschaft hat mich dieses Mal auch sehr positiv überrascht. Hätte mich auch auf einen Klassiker 🇩🇪 : 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿 gefreut, hat aber halt nicht sein sollen. Vielleicht beim nächsten Mal. 😉

     
  15. 7

    @Exil-Kellener Die Überhöhung des Geschehens, wie sie im Fernsehen betrieben worden ist (Fußball hat Deutschland wieder zusammengebracht), halte ich für etwas übertrieben, aber man muss auch sagen, dass „die Mannschaft“ über weite Strecken sehr guten Fußball gespielt hat und letzten Endes nicht wegen der Handspielsituation, sondern wegen einiger unbenutzter Chancen (die mal zum Tor führen können und dann wieder nicht) letztendlich unglücklich ausgeschieden ist. Aber, wie es heute in der FAZ steht: „Von sehr gut zu sehr, sehr gut – das ist der schwerste Schritt im Spitzensport.“ Mein persönliches Deutschland-Fazit: sehr positiv!

     
  16. 6

    @3 GH Wenn Sie heute Abend ein orangenes T-Shirt 🟠 tragen, dazu noch Heineken🍺🍺🍺trinken und nach jedem NL-Tor „Oranje boven!“ 🇳🇱 schreien, ist es ganz nah dran an kultureller Aneignung, würde ich sagen 😉

    *Was Heineken angeht, braucht man bei Ihnen aber wohl keine Sorge zu haben

    **Ich besorg mir bis Dienstag noch ein Shirt in schönem Bleu 🇫🇷

     
  17. 5

    Halte Viertelfinale nicht für so schlecht. Immerhin weiter als Italien😉. Mein favorisiertes England fliegt heute wahrscheinlich auch raus. Wieder nix mit „Football is coming home.“ Ein deutscher Titel wäre vielleicht auch mal wieder politisch von AFD oder Links-Grün (KGE et. al.) vereinnahmt worden. Muss meiner Meinung nach auch nicht sein.

     
  18. 3

    ⚽“Morgen sind wir alle Holländer“⚽ hörte ich heute mehrmals .🤫 Ist das schon „Mikro Rassismus“ oder geht das so gerade noch ? 😎

     
  19. 1

    Cruyff, Jongbloed, Neeskens, Krol… diese Namen kriege ich noch ohne Googeln zusammen, auch nachts um drei, aus dem Schlaf kommend, wenn es sein muss… Es gibt nur wenige Tage in der Kindheit, an die man sich noch richtig erinnern kann, aber der Tag des Finals D – NL ist bei mir einer davon. Wir saßen mit der ganzen Familie, Tanten, Onkel, Vettern und Cousinen, bei meinen Großeltern im Wohnzimmer… draußen eine Stimmung, die darauf hindeutete, dass alle diesem Spiel eine herausragende Bedeutung zumaßen. Im Grenzgebiet sowieso. Die Spannung, die in der Luft lag, war greifbar.

    Zwei Wochen später saßen wir im leeren Olympiastadion und blickten von weit oben auf den heiligen Rasen…