Rauer-Nachfolge: Zwei Kandidaten und zwei Gerüchte, eines verrückter als das andere

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Jürgen Rauer (vorne rechts) bei der Einweihung des Klever Parkleitsystems (2015). Nun wird sein Nachfolger gesucht. Oder auch nicht.

Die Ratssitzung am Mittwoch, 19. April, hat nur einen Tagesordnungspunkt: „Neubesetzung der Stelle Technische Beigeordnete / Technischer Beigeordneter (m/w/d)“. W und D kann man getrost schon mal streichen, doch aktuell ist nicht einmal M sicher. Zwar sind die zwei verbliebenen Kandidaten, die sich vornehmlich mit dem Hoch- und Tiefbau in der Stadt werden beschäftigen dürfen, Männer. Aber der Ausschuss für Personal und Digitalisierung, der Ende März ein „Einzel-Assessment-Center“ mit den Bewerbern, die in die engere Auswahl gekommen waren, durchführte, konnte sich nicht zu einer Empfehlung durchringen. Weitere Beratungen in den Fraktionen seien erforderlich, so heißt es in der öffentlichen Drucksache zu der Personalie.

Schon diese Formulierung sollte einen hellhörig werden lassen. Wenn ein so allseits respektiertes und geschätztes Gemeinwesen wie Kleve eine so hochdotierte Stelle (Grundgehalt: 8000 Euro monatlich) ausschreibt, sollte man meinen, dass die administrative Elite des Landes nicht lange zögert und sich auf den Posten bewirbt. So aber war es nicht. Es gab nur ein gutes Dutzend Bewerbungen, und von denen waren einige etwas merkwürdig, was hier aber mit Rücksicht auf sehr interne Vorgänge nicht näher erläutert werden kann.

Immerhin drei der Kandidaten wurden noch zu besagtem „Einzel-Assessment-Center“ geladen. Einer hatte da schon keine Lust mehr und kam erst gar nicht. Blieben zwei, aus denen jetzt die Stadtverordneten auswählen sollen.

Aber sollen sie das wirklich? Zumindest einer der Kandidaten, so ist zu hören, ist in der Spitze der Verwaltung nicht ganz so gut gelitten. Die Spitze der Verwaltung besteht aus dem Bürgermeister und dem Kämmerer, also Wolfgang Gebing und Klaus Keysers. Die zu vergebene Stelle wäre die Nummer 3 in der städtischen Hierarchie. Vertrauliche und friktionsfreie Zusammenarbeit wäre da wünschenswert.

Wie aber könnte eine solche Wahl verhindert werden? Rechnerisch haben CDU (21) und Grüne (12) plus Bürgermeister 34 der 55 Ratssitze, sie könnten sich also einfach für den anderen Kandidaten entscheiden. Doch so einfach ist es nicht, denn offenbar hat der, der es nicht werden soll, bei den Grünen gute Karten. Es ist ja auch wichtig, wenn bei künftigen Bauvorhaben etwas genauer hingeschaut wird, inwieweit diese ökologisch vertretbar sind.

So kursierte in der vergangenen Woche im Rathaus noch das verrückte Gerücht, dass Jürgen Rauer auf die Idee kommen könnte, seine Amtszeit ein bisschen zu verlängern. Verhindern ließe sich das nicht. Begründen könnte er damit, dass er noch unbedingt das Bauvorhaben Ringstraße abschließen wolle. Rauer, seit 22 Jahren im Amt und zweimal wiedergewählt, nennt sich wegen der von ihm installierten Kreisverkehre auch „Herr der Ringe“. Die Vollendung der Ringstraße würde also ins Bild passen.

Aber warum das Ganze? Das ist knifflig. Wer immer Technischer Beigeordneter werden soll, wird für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt. Die muss er auch schaffen, das heißt, bei Amtsantritt darf er beispielsweise nicht schon 62 Jahre alt sein. Würde Rauer nun ein paar Monate länger machen, könnte dies möglicherweise die Ambitionen eines der Kandidaten zerstören.

Interessanterweise scheint aber Jürgen Rauer selbst von der Idee nicht so begeistert zu sein. Seit Montag nämlich kursiert eine neue Variante im Rathaus. Demnach soll es eine Art Interimslösung geben, auch die allerdings mit dem Ziel, dass am Ende die Karten noch einmal neu gemischt werden können. Sprich: Neue Ausschreibung.

Sollte der Rat entscheiden, dass über die Qualifikation der beiden verbliebenen Kandidaten noch diskutiert werden soll, würde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Solche Gespräche bleiben vertraulich. Aber natürlich werden alle Kandidaten erfahren, was da gespielt wurde. So könnte am Ende dieser Stellenbesetzung ein großer Scherbenhaufen stehen – mit vielen verletzten Eitelkeiten. Angesichts der Aufgaben, die auf den neuen Stelleninhaber warten, ein großes Risiko.

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13 Kommentare

  1. 12

    Fachkompetenz in der Politik – im Bund verzichtbar, in Kleve aber nicht?

    Der einzige Bundesminister, der „Ahnung vom Bauen“ hatte, war Georg Leber, gelernter Maurer. Aber er wurde nicht Bau-, sondern erst Verkehrs- und dann Verteidigungsminister. Und diese Ministerämter wurden und werden seit Gründung unseres Staates von Personen besetzt, deren Berufsausbildung sie dafür, gelinde gesagt, nicht im Geringsten befähigt hat. Ich denke dabei nicht etwa an „Andy“ Scheuer und andere schon längst Vergessene…

    Kommen wir zur Kommunalpolitik: Welcher beruflich-fachlichen Voraussetzungen bedarf es, um Bürgermeister einer Stadt wie Kleve zu werden? Die Antwort: null. Wer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt (bei demnächst wohl nur 20% Wahlbeteiligung), der oder die ist Bürgermeister/in und steht an der Spitze der Stadtverwaltung.

    Kommen wir zum Beigeordneten, genauer gesagt, zum „Technischen Beigeordneten“, zu dem der Rat gestern – in geheimer Wahl, weil die CDU es so wollte – den bisherigen Klimaschutzmanager der Stadt, Christian Bomblat, gewählt hat.

    Unabhängig von seiner Person, auf die ich noch eingehen werde, kann es hilfreich sein, sich zu vergegenwärtigen, dass anerkannte juristische Kommentierungen des § 71 der Gemeindeordnung (unter Berufung auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 3.01.2012) sogar davon ausgehen, dass der Gewählte weder einen vorgeschriebenen noch einen üblichen Ausbildungsweg zurückgelegt zu haben braucht; er muss weder Prüfungen abgelegt haben, noch braucht er als hauptamtlicher Beamter tätig gewesen zu sein.

    Kommen wir nun zu Christian Bomblat. Er hat sich auf eine Stellenausschreibung beworben, an der unter anderem auch die CDU maßgebend mitgebastelt hatte, deren Kernsatz zu den Anforderungen lautete: „Abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium (Diplom/Master), idealerweise erfolgreicher Abschluss des Referendariats zur/m Technischen Assessor/in (ehemals höherer bautechnischer Dienst), vorzugsweise im Bereich Städtebau, Raumplanung, Bauingenieurwesen, Architektur ODER Umwelt-/Klimawissenschaften.“

    Gefordert war/ist also nicht: ein abgeschlossenes Studium im Bereich „Bauen“ UND „Umwelt“, sondern entweder eines auf dem einen ODER dem anderen Gebiet.

    Dass der scheidende Beigeordnete Rauer in den Bereichen „Planen“ und „Bauen“ Spuren hinterlassen hat, wird wohl niemand bestreiten. Als Umwelt- oder Klimaschutzfachmann habe ich ihn nicht kennengelernt. Die Ratsmehrheit hat es hingenommen und die Lokalpresse hat es totgeschwiegen. Sie feiert den angeblichen „Klima-Kämmerer“, der nicht einmal 20.000 EUR für die weitere Förderung von Balkon-Solaranlagen bereitstellt.

    Ein technischer Beigeordner (mag er nun Rauer oder Bomblat heißen) sitzt doch nicht in seinem Dienstzimmer und entwirft Bebauungspläne oder architektonische Skizzen. Dafür gibt es den Fachbereich „Planen und Bauen“, der an Recht und Gesetz gebunden ist. Und selbst wenn der neue Beigeordnete der Klever Klinkerarchitektur und flächenfressenden Einfamilienhausbebauung den Kampf ansagen sollte – am Ende entscheidet die Politik (Bau- und Planungsausschuss; Rat). Und dort gilt es – sowohl für Christian Bomblat als auch für seine Kritiker/innen – eine Mehrheit zu suchen. Das ist Demokratie.

    Es ist auch demokratisch, wenn ein Ausschuss beschließt, einen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Das mag für die in einer Abstimmung unterlegene Minderheit (in diesem Fall die CDU, in der Regel sind es die „Offenen Klever“) nicht erfreulich sein, ist aber demokratisch legitimiert.

    Eine öffentliche Debatte im Rat über die Beigeordneten-Stelle zum vorliegenden Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung zur Wahl eines Beigeordneten wäre unzulässig gewesen. Da kennt die Gemeindeordnung keine Gnade.

    Die CDU hätte die Möglichkeit gehabt, zu Beginn der Tagesordnung die Herstellung der Nichtöffentlichkeit zu beantragen, um dann ihren Antrag einzubringen und zu begründen. Danach hätte der Rat beschließen müssen, ob er diesen Antrag annimmt und damit die Wahl absetzt ODER ob er zur Wahl schreiten will. In diesem Wahl wäre die Sitzung öffentlich fortgesetzt worden. Das klingt umständlich und kompliziert, Der Bürgermeister hat korrekt gehandelt, als er den CDU-Antrag auf Neuausschreibung zu diesem Tagesordnungspunkt für nicht zulässig erklärte.

    Die letzte Wahl eines Beigeordneten fand im Dezember 2021 im Rat statt – ohne dass zuvor der Haupt- und Finanzausschuss einberufen worden wäre. Und der Wiederwahl des Technischen Beigeordneten Rauer im März 2016 war ebenfalls kein Haupt- und Finanzausschuss vorgeschaltet worden.

    Der neue technische Beigeordnete ist an seinen Taten/Vorschlägen zu messen. Er tritt sein Amt zum 1. August 2023 an. Bestimmt gibt’s dann Blumen vom Bürgermeister.

    Dem neuen Beigeordneten 100 Tage Einarbeitungszeit in sein Dezernat zu gewähren, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber was ist in Kleve schon selbstverständlich?

     
  2. 11

    9 .) Mal so ! Theo Brauer der Bürgermeister 👍🏽,wie Cäsar (☝🏽 veni, vidi, vici. ) 😂 im Streitwagen …Kleve jubelte. 🙄 Man kann ,besonders in der heutigen Zeit, auch mal weniger guten Zeiten nach trauern. 😢🍻

     
  3. 10

    So, Bomblat wurde gewählt.
    Von den Grünen vorgeschlagen, kein Gegenkandidat. Geheime Wahl, 29xJA, 21xNEIN, keine Enthaltungen oder ungültigen Stimmen. Von den 54 Ratsmitgliedern waren also einige nicht anwesend. Die Zuschauersitze waren alle belegt, der Saal war voll. Abstimmung ohne Debatte, alles ging superfix. Bomblat wurde noch nicht einmal gefragt ob er die Wahl annimmt. Mein Eindruck: Die Sitzung war nur Formsache, alles stand vorher schon fest.

    Mein herzliches GLÜCKAUF an Herrn Bomblat.

     
  4. 9

    Mmuuuh, was für ein Foto! Links vermmuuuhtlich Theodor B. Rauer und rechts bestimmt Jürgen R. Aua, mmuuuh oder muss das Auer heißen?

     
  5. 7

    Man muss Ingenieur sein, glaube ich @5

    Ach und der Bürgermeister darf nichts gegen einen haben, glaube ich 😉

     
  6. 4

    @3

    die künftigen Kandidaten würden per Fachgespräch gegrilt

    Und wer soll das machen?

    😀

    😀

     
  7. 3

    Frühzeitig einen Nachfolger aufbauen? Ohne dass die Bewerbung des Stellvertreters um die Nachfolge vom Vorgänger als Säge am Stuhlbein aufgefasst wird? Egal, bei internen Bewerbungen besteht immer die Gefahr, dass eine nicht-optimale Praxis bruchlos fortgeführt wird. Besser, man holt sich frische KOMPETENZ ins Haus.

    Das fortgeschrittene Alter war in diesem Fall ein bequemer Grund, zumindest einen unkompetenten internen Interessenten auszusortieren, wie ich gehört habe. Gut so. Ob es noch in weiteren Fällen so war, weiß ich nicht. Bisher weiß ich noch nicht mal, ob dieser eine spezielle Mensch vor oder nach offizieller Bewerbung ausgebremst wurde. Bin kein lokalpolitisches Urgestein.

    Zurück zur Kompetenz. Diese sollte das einzige Entscheidungskriterium sein, über den reinen Ingenieurstitel hinaus, sonst holt man sich veraltetes Wissen ins Haus. Es hat viele Fälle gegeben (ich rede hier nicht von Kleve), in denen ein bestimmter Kandidat nur deshalb genommen wurde, weil er aus fachfremden Gründen „besser passt“. Leider ist es oft noch so, dass es ein Todeskuss für jeden Kandidaten ist, zu früh und/oder zu stark von einer Minderheitsfraktion unterstützt zu werden. Was dann folgt ist unwürdiger Postenschacher.

    Optimal wäre, die künftigen Kandidaten würden per Fachgespräch gegrillt, aber parteiübergreifend nur von Leuten, die vorher wissen, in welche Richtung die Stadt gesteuert werden soll. Fraktionsdisziplin ist da fehl am Platz. Danach muss man auch mutig genug sein, den neuen Technischen Beigeordneten mit dem nötigen „Kawuppdich“ auszustatten, statt vorher schon zu überlegen, wie man ihn notfalls ausbremst und kleinkriegt. Voraussetzung dafür ist eine Portion Vertrauen in die Weitsicht des Kandidaten, und ein tiefgreifendes Wissen über seinen bisherigen Tätigkeiten. Nur auf die Loyalität der Bewerber zu setzen ist Vetternwirtschaft.

    Aber ich träume schon wieder. Wir sind in Kleve.
    Es geht NUR um einen tariflich Beschäftigten, nicht um ein politisches Amt.

     
  8. 2

    @Klaus Genau nicht. Es wurde ein hypothetisch gewählt, um das zugrundeliegende Problem zu veranschaulichen.

     
  9. 1

    Ist die Andeutung mit dem Alter 62 ein Indiz dafür, dass der grüne Favorit bereits fast dieses Alter erreicht hat? In Anbetracht der Vielzahl der laufenden und noch geplanten Baumaßnahmen sollte man darüber nochmal ernsthaft nachdenken. Andererseits gab es beim Kreis Kleve ein lebhaftes Beispiel, dass man auch noch jenseits der Pensionsgrenze erfolgreich Baumaßnahmen leiten kann. Das war aber eher eine extrem seltene Ausnahme. Im Zweifel also die Stelle besser nochmal neu ausschreiben. Schade, dass man nicht schon frühzeitig einen Nachfolger intern aufgebaut hat.