Kleve hat jetzt die modernste Trampeltieranlage der ganzen Welt

Aus der Sicht der Trampeltiere: Neubau Erstbezug

Als Alfred Brehm ab 1863 sein „Tierleben“ veröffentlichte, kam das Trampeltier nicht besonders gut weg. Gedisst wurde es regelrecht. Wörtlich hieß es in der Abteilung

Elfte Ordnung: Die Wiederkäuer (Ruminantia).

Schwielensohler, Moschustiere:

Obgleich man sagen darf, daß das Trampeltier in seinem Wesen und in seinen Eigenschaften mit dem Dromedar übereinstimmt, kann man doch nicht verkennen, daß es durchgängig frömmer und gutartiger ist als dieses. Leicht läßt es sich einfangen, willig gehorcht es dem Befehle seines Herrn, ohne sonderliche Umstände und nur unter leisem Murren, nicht aber unter ohrzerreißendem Brüllen, legt es sich nieder, und aus freiem Antriebe hält es an, wenn die Last auf seinem Rücken sich verrückt hat. Ein Kamel in des Wortes vielsagendster Bedeutung bleibt es aber doch. Abgesehen von seiner Genügsamkeit, Stärke, Ausdauer und Beharrlichkeit läßt sich wenig zu seinem Ruhme sagen. Seine geistigen Begabungen stehen auf ebenso tiefer Stufe wie die des Dromedars; es ist ebenso dumm, gleichgültig und feig wie dieses. Manchmal versetzt es, laut Przewalski, ein vor seinen Füßen aufspringender Hase in Todesangst. Entsetzt schnellt es zur Seite und stürmt wie sinnlos davon, und alle übrigen folgen, ohne erkannt zu haben, weshalb. Ein großer schwarzer Stein am Wege, ein Haufen Knochen, ein herabgefallener Sattel erschrecken es dermaßen, daß es alle Besinnung verliert und eine ganze Karawane in Verwirrung setzt. Wenn es von einem Wolfe angefallen wird, denkt es nicht an Gegenwehr. Es vermöchte solchen Feind mit einem einzigen Schlage zu fällen; aber es spuckt ihn nur an und schreit aus voller Kehle. Selbst der Kolkrabe schädigt das geistlose Geschöpf, fliegt ihm auf den Rücken und reißt mit dem Schnabel halb vernarbte, vom Satteldruck herrührende Wunden auf oder zerfleischt ihm den Höcker, ohne daß das Trampeltier etwas anderes zu tun wüßte, als zu spucken und zu schreien. Eine Ausnahme von der Regel bilden nur die brünstigen Männchen, die so wütend werden können, daß man sie, um sich vor ihnen zu schützen, mit Ketten fesseln muß. Sobald die Brunstzeit vorüber ist, wird auch der Hengst wieder fromm oder gleichgültig und stumpf wie zuvor.

Das müssen sich die Tiere nicht gefallen lassen. Trampeltiere gibt es immer noch, Alfred Brehm hingegen ist längst tot. Und seine Nachfolger in dem Bemühen, uns die Welt der Tiere nahezubringen, gehen weitaus gnädiger mit den Trampeltieren um und schaffen ihnen die besten Bedingungen für ein sorgenfreies Leben. Seit der vergangenen Woche darf sich der Klever Tiergarten rühmen, den Trampeltieren die modernste Anlage weltweit bieten zu können.

„Es ist ein besonderer Tag für den Tiergarten Kleve“, sagte Tiergartenleiter Martin Polotzek anlässlich der Eröffung. „Ich kann mich noch gut an unsere Vorstellung des Masterplans im Jahr 2022 erinnern, bei dem wir unser Zukunftskonzept mit 42 Einzelprojekten vorgestellt haben. Drei Jahre später eröffnen wir nun bereits das sechste erfolgreich abgeschlossene Projekt, welches zugleich auch das bisher größte Projekt in unserer 66-jährigen Tiergartengeschichte ist.“

Geplant wurde das 1.500 m² große Areal, das zahlreiche spannende Tiererlebnisse in naturnaher Kulisse verspricht, vom renommierten Zooarchitekten Peter Rasbach. Durch einen aufgeschütteten Erdwall und eine intensive Bepflanzung haben die Trampeltiere künftig zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten. Ein gemeinsamer Unterstand für BesucherInnen und Trampeltiere ermöglicht ab sofort neue einzigartige Tierbegegnungen im Familienzoo am Niederrhein.

Schnitt! Bürgermeister Wolfgang Gebing, Rebecca-Schoofs (Trägerverein), Tiergartenleiter Martin-Polotzek, Dirk Posdena (Baamt) und Zooarchitekt Peter Rasbach eröffneten gemeinsam die Anlage

Zwei Jahre sind von der ersten konkreten Idee bis zur finalen Fertigstellung vergangen, wovon die reine Bauzeit mit neun Monaten verhältnismäßig kurz war. „Es wurden im Zuge dieser Baumaßnahme über 1.000 m³ Erde bewegt, rund 200 Tonnen Natursteine gesetzt und etliche hundert Pflanzen gepflanzt“, so Tiergartenleiter Martin Polotzek. „All dies ist größtenteils in Eigenleistung erfolgt. Daher gilt mein besonderer Dank unserem engagierten Handwerker- und Gartenteam, die in den letzten Monaten mit vollem Einsatz an diesem neuen Highlight gearbeitet haben. Unserem gesamten Tiergartenteam, die während der stressigen Bauphase das Tagesgeschäft am Laufen hielten, sowie unserem ehrenamtlichen Team Tiergarten möchte ich ebenfalls meinen Dank aussprechen. Auch den beteiligten Firmen, die uns teils mit einer Spende, Sonderpreisen oder Manpower unterstützt haben, sei herzlichst gedankt.“

Namentlich zu nennen sind Garten- und Landschaftsbau Mähler, Estrich Gründemann, Jansen Bedachungen aus Kleve-Rindern, Holzland Dorsemagen, Architekturbüro Grüntgens, Wald und Holz NRW, Alfs Natursteine, Stauden Peters, Swertz, Studio Grafico Naturalistico sowie Verweyen Erdbewegung.

Auch die zweite Vorsitzende des Trägervereins Tiergarten Kleve e.V. ,Rebecca Schoofs, dankte allen beteiligten Unternehmen, den MitarbeiterInnen sowie allen, die sich finanziell an der neuen Anlage beteiligt haben. Über 400.000 Euro hat die Welt der Trampeltiere, die höchsten tiergärtnerischen Standards entspricht und ein neues Highlight für den Tiergarten Kleve ist, gekostet. Die Stadt Kleve hat im Rahmen eines Investitionskostenzuschuss den Bau der Anlage mit 175.000 Euro unterstützt.

Er bewegt was in Kleve: Martin Polotzek

„Der Tiergarten Kleve ist ein Besuchermagnet und ein Aushängeschild für unsere Stadt“, so Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing. „Das Geld ist hier definitiv sehr gut angelegt.“ Tiergartenleiter Martin Polotzek bedankt sich bei Bürgermeister Gebing und den anwesenden Stadtverordneten für die großzügige Unterstützung, ohne die die Umsetzung dieser Anlage nicht möglich gewesen sei. „Neben meinem großen Dank an die Stadt Kleve und die politischen Entscheidungsträger für den Investitionskostenzuschuss gilt mein Dank der Kisters Stiftung, der Volksbank Kleverland, die im Rahmen eines Crowdfundings Geld für diese Anlage gesammelt hat, der Wolters-Vollhardt-Stiftung sowie allen, die mit einer Spende den Bau dieser Anlage ermöglicht haben. Auch allen, die uns bei unserer laufenden Entwicklung finanziell unterstützen wie unsere beiden Hauptsponsoren die Sparkasse Rhein-Maas sowie Ingo Marks sei herzlichst gedankt.“ Die neue Welt der Trampeltiere ist ab sofort täglich von 9 bis 18 Uhr im Tiergarten Kleve zu erleben. Weitere Informationen unter www.tiergarten-kleve.de.

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Kategorisiert in Alles, Natur

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9 Kommentare

  1. 9

    Solange Tiere artgerecht in Zoos untergebracht sind und man sie somit vor dem Aussterben ihrer Art schützt, spricht nicht gegen einen Zoo. Durch die Einnahmen der Besucher unterstützt man die dort lebenden Tiere. Ebenso durch Patenschaften.
    Tierschutz fängt zuhause an. Wer einen Wellensittich oder einen Papagei in viel zu kleinen Käfigen hält, sollte wissen das diese Vögel in freier Wildbahn vorkommen. Man Stelle sich vor ein Mensch müsste in einer Hundehütte Leben….

     
  2. 8

    Der Klever Tiergarten hätte im Gegensatz zu vielen innerstädtisch gelegenen Zoos – zumindest theoretisch – die Möglichkeit seine Fläche zu erweitern, da er an landwirtschaftlich genutzte Fläche grenzt. Voraussetzung für eine Erweiterung wäre natürlich erstens die Bereitschaft der Eigentümer der landwirtschaftlichen Flächen langfristig die Fläche(n) an den Klever Tierpark zu verpachten und zweitens müsste das natürlich in irgendeiner Form finanziert werden.

    Eine Erweiterung der Fläche gäbe die Möglichkeit den Weidetieren temporär mehr Auslauf zu gewähren. In der Besuchszeit wären sie in ihrem Gehege und nach Schließung des Tiergartens um 18.00 Uhr hätten diese Tiere „Feierabend” und könnten auf der Weide nebenan ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Klar wäre das mehr Aufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tierparks einige Tiere vor der Öffnung des Tierparks von der Weide zu holen und abends wieder dorthin zubringen. Die Investitionen dafür würden Die Umzäunung für die Weide und ein Tor zur Weide hin und ggf. eine bewegliche Absperrvorrichtung zur Überquerung der ehemaligen Bahntrasse bzw. der Europa-Radbahn beinhalten.

     
  3. 7

    @6

    In Kindertagen war uns die Tragweite natürlich nicht bewusst, aber ich stimme ihnen aus heutiger Sicht vollkommen zu

     
  4. 6

    Erinnert sich noch jemand an das Pyramiden artige Wolfsgehege im Klever Tiergarten? Aus Kindertagen. Die armen Wölfe zeigten ein dermaßen stereotypisches Verhalten, das sie in dem viel zu kleinen Gefängnis nur im Kreis liefen, während gegenüber auf der riesengroßen eingezäunten Wiese irgendwelche Ziegen grasten. Das hatte seinerzeit mit Tierschutz nichts zu tun. Ebenso gehören keine Elefanten in einen Zoo, wie viele Beispiele anderer Tiergärten zeigen.
    Gott sei Dank hat sich durch den neuen Leiter Herr Polotzek vieles zum Guten geändert. Er ist eine Bereicherung für unsere Stadt und dem Tiergarten. Respekt

     
  5. 5

    Das ist eine wunderbare, sehr erfreuliche Nachricht!

    Der Tiergarten Kleve wurde nun in den Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) aufgenommen.
    Herzlichen Glückwunsch an den unermüdlichen Martin Polotzek und sein Team!

    Somit ist Kleve in dieser positiven Richtung, europaweit bekannt …….. 🙂

     
  6. 4

    Einerseits ist es gut und unterstützungswürdig, dass es Verbesserungen und neu angelegte Tiergehege gibt, die den Tieren mehr Lebensqualität bieten. Die Bemühungen und erfolgreichen Umsetzungen des Klever Tiergartens sind durchaus beeindruckend.

    Aber fällt uns Menschen nicht die grundsätzliche Schieflage auf? Das Gehege hat eine Größe von 1500 qm, dies entspricht einer Fläche auf der drei Einfamilienhäuser stehen könnten. Viele Pferdehalterinnen und Pferdehalter würden noch nicht einmal Pferde auf so einer kleinen Fläche halten. Und bei den Pferden handelt es sich im Gegensatz zu Trampeltieren um domestizierte Tiere.

    Vielleicht sollten wir grundsätzlich unsere Haltung zu Tieren überdenken. Für den Artenschutz sind Tiergärten (Tierparks, Zoos) sicherlich hilfreich. Aber trotzdem verschließen wir Menschen (und Besucher) die Augen vor dem Offensichtlichen: Die Gehege haben Größen, die ein winziger Bruchteil des natürlichen Lebensraumes entsprechen. Ich war kürzlich in einem bekannteren Tierpark zu Besuch. Es ist wirklich absurd wie klein die Gehege und Volieren sind. Das spart natürlich Platz und die Anzahl der Tierarten kann dementsprechend groß sein und sichergestellt werden, dass die Besucher auch immer die Tiere sehen können. Aber das kann nicht die Maßgabe sein. Viele Tiere haben in der freien Wildbahn einen Lebensraum von mehreren Quadratkilometern und werden in Tierparks auf ein paar Quadratmetern oder wenn es viel ist auf einigen hundert Quadratmetern gehalten. Wer beispielsweise Rinder hat und die auf Weideland hält, weiß wie viele Hektar den Tieren zur Verfügung stehen.

     
  7. 3

    In meinem E-Mail Postfach stand „Kleve hat jetzt die modernste Tram…“
    🙁 wenigstens ein paar Sekunden die Illusion…

     
  8. 2

    Schlimm, was Brehm sich das zusammen fantasiert hat. Er bereiste u. a. Afrika und beschrieb viele für ihn bis dahin fremde Tiere aus kolonialer, überheblicher Perspektive. Außerdem immer im Vergleich zum Menschen – die Tiere wurden von Brehm als unterentwickelt, „niedriger“ oder minderwertiger beschrieben. Säugetiere kamen meist besser weg.

    Später hielt er sich privat einen Schimpansen. Über diese Tierart schrieb er: „Einen solchen Affen kann man nicht wie ein Tier behandeln, sondern mit ihm nur wie mit einem Menschen verkehren. Ungeachtet aller Eigentümlichkeiten, welche er bekundet, zeigt er in seinem Wesen und Gebaren so außerordentlich viel Menschliches, daß man das Tier beinahe vergißt. Sein Leib ist der eines Tieres, sein Verstand steht mit dem eines rohen Menschen fast auf einer und derselben Stufe.“

    Das Tier galt bei ihm also vor allem etwas, wenn es ihm kaum noch wie ein Tier vorkam.

     
  9. 1

    Besuch für für Trampeltiere, Baumstachler & Co.

    Riesenandrang gestern beim Klever Kinderfest (freier Eintritt für alle) im Tiergarten. Autos auf dem Grünstreifen entlang der B9 bis nach Gnadenthal geparkt.