Il Nido: Wirt muss hinter Gitter, Koch kommt frei

Falsche Fünfziger

Es ist selten, dass der Saal 110 der Schwanenburg ein Ort überschwänglicher Freudenbekundungen, herzlicher Umarmungen und laut schmatzender Küsse wird, doch gestern um 14:45 Uhr war es soweit: Die 1. Große Strafkammer unter Vorsitz des Richters Jürgen Ruby hatte das Urteil im Geldfälscherprozess gegen den Betreiber des Restaurants Il Nido, seinen Koch und zwei weitere Italiener gesprochen. Was es bedeutete, fasste Ruby in verständlicher Alltagssprache zusammen: »Herr G., Herr D., Sie können jetzt nach Hause gehen.«

Der Koch Saverio D. und Antonio G. erhielten wegen Beihilfe zur Geldfälschung jeweils eine Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Pasquale P., der Wirt, sowie Tino L. erhielten dagegen als Haupttäter jeweils Haftstrafen in Höhe von drei Jahren und drei Monaten – bis zu 15 Jahre wären möglich gewesen.

Drei der Verurteilten waren in Bayern in einem Auto mit 111.000 Euro Falschgeld unter der Rückbank aufgegriffen worden, der Wirt des Il Nido hatte als vierter Täter das Geschäft von Kleve aus angebahnt und koordiniert, ohne zu wissen, dass einer der Beteiligten als V-Mann mit der Polizei zusammenarbeitete…

Als Ruby nach der Begründung die Verhandlung fünf Minuten untersprach, spielten sich im Zuschauerraum Szenen überwältigender Freude ab – die Mamma von Antonio G. wollte gar nicht mehr aufhören, ihren Sohn zu küssen. Auch die Verabschiedung von den beiden Mittätern, die es nicht so gut getroffen hatte, fiel äußerst herzlich aus – Umarmungen, Küsse, Wangenkniffe.

Mit seinem Urteil war die Kammer weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt, die im Wirt und seinem Komplizen Tino C. die Haupttäter gesehen hatte und im Koch und Antonio G. untergeordnete Gehilfen, allerdings von der banden- und gewerbsmäßigen Dimension der Straftat abgerückt war.

Ruby bedauerte in seiner mündlichen Begründung des Urteils ausdrücklich, dass der V-Mann, dank dessen Mithilfe das Falschgeldgeschäft erst angeleiert und dann aufgeklärt wurde, nicht aussagen durfte. Allerdings: »Die Aussage der V-Person hat sich an jeder Stelle, an der man sie bewerten konnte, als richtig erwiesen.« Zudem hätte die Angeklagten die Punkte, die für eine Verurteilung wesentlich seien, in ihren jeweiligen (Teil-)Geständnissen auch eingeräumt. Ruby: »Pasquale P. und Tino L. haben die Tat genau geplant.«

Dagegen sei bei Antonio G. die Tatbeteiligung nur schwer zu fassen gewesen. Zu Gunsten des Koches Saverio D. erachtete die Kammer, dass das zusätzlich in seiner Kleidung gefundene Falschgeld von so mieser Qualität war (»Fehldrucke«), dass keine Absicht bestanden habe, es in Verkehr zu bringen.

»Kaution bitte in Echteld«

Der Koch und Antonio G. konnten das Gericht als freie Männer verlassen. »Mission erreicht«, so Anwalt Claus-Armin Kürschner. Das schien auch bei Tino C. möglich zu sein - schließlich waren bei ihm bei der Festnahme auch 13.000 Euro echten Geldes gefunden worden, das in keinem Zusammenhang mit dem Falschgeldgeschäft steht. Diese sollten nun mit einer Abtretungserklärung als Sicherheit für eine vorläufige Haftentlassung für Tino C. dienen. Nur Pasquale P., der Wirt, sah sich nicht imstande, eine Kaution zu hinterlegen. »Es wäre sehr wichtig, dass es echtes Geld ist«, so ein freundlicher Hinweis von Richter Ruby.

Was am Vormittag geschah, hier im Überblick:

10:12 Uhr: Richter Jürgen Ruby bittet den Angeklagten G. um weitere Angaben zur Person und zum geplanten weiteren Lebensweg. Sein Anwalt Claus-Armin Kürschner sagt, er wolle nach Italien zurück und sich dort wieder »im Bereich des Gebrauchtwagenhandels« betätigen.

10:15 Uhr: Der Strafregisterauszug des Angeklagten G. wird verlesen. Eine Urkundenfälschung – aus dem Jahre 1999.

10:21 Uhr: Auch Tino L. hatte schon mal mit der Justiz in Italien zu tun – Hehlerei, 2006. »Mein Mandant weiß davon nichts«, erläutert sein Rechtsanwalt Dr. Frank Seebode.

10:26 Uhr: Das Protokoll der richterlichen Vernehmung nach der Festnahme in Landshut wird verlesen. Darin sagt Tino L.: »Ich bin es gewesen, der das Falschgeld in Italien gekauft hat.« Er bestätigt, dass diese Aussage richtig ist.

10:28 Uhr: Der Angeklagte G. möchte etwas mitteilen und sagt via Rechtsanwalt: »Ich bin beim Umpacken der Pakete behilflich gewesen und habe erfahren, dass darin Falschgeld war. Ich wusste also während der Rückfahrt, dass Falschgeld transportiert wurde.«

10:29 Uhr: Nun möchte auch der Wirt noch etwas zur Aufklärung beitragen. Ja, er habe 10.000 Euro Falschgeld zum Preis von 35 Prozent des Nennwertes angeboten, der V-Mann der Polizei habe in Bezug auf das Falschgeld richtige Aussagen gemacht, aber ansonsten übertrieben. Zur Beteiligung anderer Personen kann er nur sagen, dass Saverio D. als Koch bei ihm gearbeitet habe, Tino war als Gast in seinem Lokal, und den vierten Angeklagten G. kenne er überhaupt nicht. Auf Befragung seines Rechtsanwalts Dr. Peter Lukassen berichtet er, über keinerlei Kontakte zu Falschgeldherstellern zu verfügen.

10:36 Uhr: Nun darf Oberstaatsanwalt Guido Schulz sein Plädoyer halten. Er schildert minutiös, wie sich das Tageschehen aus seiner Sicht darstellt. Den Tatbestand des gewerbs- und bandenmäßigen Falschgeldhandels sieht er nicht mehr als gegeben – »dafür gibt es zwar Anhaltspunkte, aber die Verhandlung hat keine Beweise erbracht«. Er fordert für den Wirt Pasquale P., genannt »Massimo« und Tino L. wegen Mittäterschaft jeweils 3 Jahre und 3 Monate Haft, für die beiden anderen (den Koch und Antonio G.) jeweils eine Verurteilung wegen Beihilfe, für den Koch 2 Jahre und 6 Monate, für G. 2 Jahre zur Bewährung.

11:02 Uhr: Dr. Lukassen hat das Wort. Er beginnt mit einer kleinen, vermutlich nicht ganz ernst gemeinten Presseschelte wegen Vorverurteilung (»fast Kachelmannsche Verhältnisse«, dabei hält er eine Ausgabe der Grenzland Post mit meinem Artikel in die Höhe), schildert, dass sein Mandant die Tat bereue und schwer unter der mittlerweile neunmonatigen Untersuchungshaft leide. »Fest steht, dass mein Mandant nicht im Auto gesessen hat. Er kennt keine Mitglieder der Mafia, er ist kein Bandenboss. Er hatte keine betriebswirtschaftlichen Vorkenntnisse und eine Leidenschaft für Autos.« Jetzt habe er alles verloren, befinde sich in Privatinsolvenz. »Ich selbst war in dem Lokal und habe dort gegessen – mit hat er kein Falschgeld angeboten.« Soll heißen, hier geht es um einen einmaligen Ausrutscher, durch einen V-Mann angezettelt. Das Fazit des Anwalts: Allenfalls Beihilfe zum Falschgeldhandel, höchstens zwei Jahre zur Bewährung.

11:38 Uhr. Dr. Seebode, der Anwalt von Tino L., gibt praktische Tipps, wie das Leben so ist. Es sei, so der Jurist, »bunt und vielschichtig«. Und manchmal sogar »bunter und vielschichtiger, als man denkt«. Womit er dann bei seinem Mandanten ist. »Als im August 2010 die Verdachtsmomente entstanden, war mein Mandant nicht da und kannte Pasquale P. überhaupt nicht.« Gar nicht zufrieden ist er mit der Tatsache, dass der V-Mann nicht aussagen musste, und stattdessen nur Polizisten berichteten, was dieser in den Vernehmungen gesagt habe: »Wir haben hier nur lebende Kassettenrekorder gehört.« Bereits am Tage der Festnahme habe sein Mandant ein Geständnis abgelegt. Er habe eine enge Bindung an Deutschland (wobei die Tatsache, dass ihm jedes Wort im Prozessverlauf gedolmetscht werden muss, diese Aussage ein wenig konterkariert). Er beantragt eine »milde Strafe«, die das vom Staatsanwalt gefordert Strafmaß nicht überschreiten möge.

11:55 Uhr: 20 Minuten Pause.

12:24 Uhr: Der dritte Verteidiger darf ran, André Birkner, der den Koch vertritt. Er kommt schnell zur Sache und beantragt eine milde, bewährungsfähige Strafe. Seine überzeugende Begründung: »Am Steuer sitzen nicht die großen Jungs, sondern solche, die ich als Kleinkriminelle bezeichnen würde.« Es sei im Grunde bei der Fahrt nicht anders zugegangen als in seiner beruflichen Tätigkeit – »er hat eine Bestellung erledigt«.

12:29 Uhr: Claus-Armin Kürschner spricht für Antonio G. »Mein Mandant hatte die Finger dran, aber nicht drin.« Er habe beim Transport geholfen, der Inhalt seiner Rolle sei begrenzt gewesen, was man im übrigen auch daran habe merken können, dass er bei seiner Festnahme als einziger des Kurierquartett gezittert habe. Er beantragt eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann (also höchstens zwei Jahre).

11:35 Uhr: Die Schlussworte der Angeklagten: Der Wirt: »Es tut mir leid.« Tino L.: »Ich schäme mich für das, was ich getan habe.« Der Koch: »Es tut mir sehr leid, ich hab`s für die Kinder getan.« Antonio G.: »Ich schließe mich dem an, was mein Rechtsanwalt gesagt hat.«

11:37 Uhr: Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. 14 Uhr Urteilsverkündung.

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2 Kommentare

  1. 2

    Messerjocke

    Bei der Fachanwältin für Strafrecht handelt es sich nicht etwa um Katja Günther?
    Yep, die hat das Fachgebiet gewechselt!

    Der Delinquent besser alles gestehen auch das was er gar nicht begangen hat. Das gibt weniger Strafe, als wenn er sich von ihr verteidigen lässt. Falls doch gibt es mildernde Umstände (Mitleidsbonus ob der Anwalts-Wahl)

    Ähnlichkeiten mit zwei gewissen Klever Anwälten sind nicht rein zufällig sondern Absicht.

     
  2. 1

    Interessant in diesem Zusammenhang die sicherlich nicht zufällig präsentierten Google-Anzeigen unten rechts:

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    Ralf, hättest Du Dir diese Google-Anzeigen früher installieren lassen, dann gäb es weder das Problem mit dem FC, noch mit Bettelstudenten und sowieso nicht mit dem Kurhaus.