5 Jahre, 3 Monate für „Coder420“: Klever Darknet-König muss ins Gefängnis

Der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt/Main machte deutlich, wie Verbrechen heute auch ablaufen kann: Die drei Männer, die sich dort wegen bandenmäßigen Drogenhandels in großem Maßstab verantworten mussten, sahen zum ersten Mal Auge in Auge auf der Anklagebank, alle anderen Absprachen und Handlungen fanden im Darknet, jenem sagenumwobenen, nur begrenzt kontrollierbaren Teil des Internets statt. Und die Drogen, die den Besitzer wechselten,  unter anderem 75 kg Kokain, 11 kg Heroin und über 2,4 Tonnen Cannabisprodukte, kamen nie auch nur in die Nähe der drei Männer. Sie stellten nur die Plattform bereit, eine Art Ebay oder Amazon für illegale Produkte, auf der dann die schmutzigen Deals stattfanden. Als der Laden im April 2019 aufflog, waren über 63 000 Verkaufsangebote eingestellt sowie über 1 150 000 Kundenkonten und über 6 200 Verkäufer angemeldet.

Die Unachtsamkeit von einem der drei Männer, der eine Kennung auch außerhalb des Darknets verwendete und damit die Tür für die Ermittler – beteiligt war unter anderem auch das amerikanische FBI – öffnete. Seit April lief nun vor dem Landgericht in Frankfurt der Prozess gegen das Trio, zu dem auch ein mittlerweile 24 Jahre alter Mann aus Kleve gehört. Gestern fielen die Urteile. Der Klever, der zum Zeitpunkt der Taten eine Lehrstelle in einem Softwareunternehmen hatte, muss für 5 Jahre und 3 Monate hinter Gitter. Als „Coder420“ hatte er die Plattform programmiert, auf der die Geschäfte stattfanden. Die Zahl 420 ist eine Szene-Code für den Konsum von Cannabis.

Der Klever wurde noch nach Jugendstrafrecht verurteilt, die Strafen für seine beiden Mittäter fielen ein bzw. zwei Jahre höher aus. Klaus-Martin F. (31) und Jonathan K. (33) waren für den organisatorische Abwicklung der Wall-Street-Market-Geschäfte zuständig. In den knapp drei Jahren ab 2016, in denen die Plattform betrieben wurde, flossen umgerechnet etwa 36 Millionen Euro in Kryptowährungen (Bitcoin, Monero) über den „Wallstreet Market“, von den Angeklagten als Treuhänder in sogenannten „Wallets“ verwaltet. Als Jonathan K. die Sache zu heiß geworden und er deshalb ausgestiegen war, planten die zwei übrigen offenbar, die Kundenguthaben einzukassieren („Exit Scam“). Sie überwiesen 8,6 Millionen Euro von Kundenkonten auf eigene.

Einer der Angeklagten, der Familienvater F., legte vor Gericht ein reumütiges Geständnis ab. Schon mit 15 habe er sich entsprechenden Foren herumgetrieben, und beseelt von dem Drang, es besser zu machen, sei dann der Wall Street Market aus der Taufe gehoben worden. „Wir haben mit zunehmender User-Zahl gemerkt, dass der Stress einen kaputt macht.“ Die Schattenseiten des Geschäfts habe man ignoriert. Im Prozess sagte er: „Ich würde sowas nie wieder machen, es lohnt sich nicht, in keiner Hinsicht, nicht für mein Leben, nicht für das Geld. Es tut mir leid.“

Allein die Verlesung der Anklage in dem Prozess hatte dreieinhalb Stunden gedauert. Die Frage, die das Gericht mit Ja beantwortete, war die, ob man die Angeklagten tatsächlich wegen Handels mit den Betäubungsmitteln verurteilen könnte. Wie im Prozess deutlich wurde, agierten sie nur als Mittler zwischen Verkäufern und Käufern, kassierten allerdings eine Provision zwischen zwei und sechs Prozent der Kaufsumme.

Der Gesetzgeber hat die Lücke allerdings mittlerweile erkannt. Im Februar legte die Bundesregierung einen Entwurf zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen vor. Demnach droht Personen, die eine solche Plattform gewerbs- oder bandenmäßig betreibt, eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren rechnen. Sollte der Betreiber wissen, dass dort Verbrechen ermöglicht oder gefördert werden, liegt der Strafrahmen zwischen einem und zehn Jahren.

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8 Kommentare

  1. 8

    @7 Jack Tar. „Sie bemängeln zurecht die Verhältnismäßigkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit“
    Nur um das klarzustellen, ich bin 100% bei Ihnen, und Alles was mit Drogenhandel u.s.w. ist mir mindestens so verhasst, wie Ihnen.
    Es war mir aber trotzdem ein Bedürfnis, in diesen Fall den advocatus diaboli zu spielen, auch wenn ich, wie bereits benachdruckt , durchaus für härteste Strafen eintrete, dann aber bitte für Alle gleichermassen.

     
  2. 7

    @6. Jean-Baptiste le Rond d`Alembert

    „Und das wollen Sie einem zur Tatzeit gerade einmal 21-Jährigen vorwerfen? Klar, war da ein Mangel von Anstand, ja sogar Sittenwidrigkeit, bei was er getan hat, aber lebt ihm das nicht unsere Gesellschaft vor?
    Als erfolgreich gilt, wer anderen ihr Geld abluchst, und das je mehr, je besser, und dem skupellosen gehört die gabze Welt.“

    Sie bemängeln zu recht die Verhältnismäßigkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit meiner Reaktion auf dieses Verbrechen. Genau das Thema Unverhältnismäßigkeit hat mich dazu veranlasst über die drei Betreiber der Plattform so hart zu urteilen. Kann sein, dass ich damit einem oder mehreren des Trios Unrecht tue. Die Diskussion in https://www.kleveblog.de/milde-urteile-fuer-mitglieder-der-audi-bande/#comments

    wo das Thema Ersatzfreiheitsstrafe aufgekommen ist und in einer Fernsehsendung von Monitor das offenbar typische Beispiel eines alkoholkranken Hartz-4-Empfängers mit psychischen Problemen, der wegen Schwarzfahren 8 Monate im Gefängnis sitzt bzw. saß, gebracht worden ist. Ob das verhältnismäßig ist? Nein! Genauso, wenn nicht noch unverhältnismäßiger ist die mangelhafte Strafverfolgung von White Collar Kriminalität. Sie hatten da einige passende Beispiele genannt und es ist ein Skandal, dass außer ein paar halbherzigen Berichten in den Medien es für die Kriminellen im Maßanzug oder im maßgeschneidertem Kostüm keinerlei Folgen hat. Keine Strafrechtliche Verfolgung und noch nicht einmal der Karriere kann dieses kriminelle Handeln etwas anhaben.

    Dennoch haben die drei genau gewusst, was sie tun. Das muss man einem intelligenten 19-jährigen Abiturienten schon zu trauen.

     
  3. 6

    @5 Jack Tar „Mit anderen Worten die drei Betreiber haben ein beachtliches Maß an krimineller Energie und trotzdem wäre es der Justiz beinahe nicht gelungen dieses Vergehen zu ahnden. Eine juristische Hilfskonstruktion und eine nachträgliche Gesetzesänderung waren nötig. “
    Ähm …. war gerade weggerufen, bin nicht mehr im Bilde, und weiss nicht mehr so genau, was ich eigentlich
    kommentieren wollte,aber ich versuch´s trotzdem mal (für wer´s nicht merkt, das ist ironisch gemeint !!!).
    Zu erst eiman das: „nachträgliche Gesetzesänderung“ gibt´s in zivilisierten Ländern nicht, auch wen mancher den Eindruck bekommen könnte, dass wir den Bananen nicht mehr so weit sind.
    Deshalb liegt das ( gerade einmal im Stadium des Entwurfs befindliche , klar, Corona ist für Alles eine gute Entschuldigung) Gesetz in in der Beratung und darf den Delinquenten deshalb ja nicht vorrgehalten werden.
    Aber was war noch mal das Thema ? Bewertung der Tätigkeit von Wirtschaftsberatungsunternehmen, die Wege knapp an der Kriminalität vorbei suchen, um Berge von Steuern zu sparen, oder waren es doch eher Steuerberater, die mit gerade nicht (oder gerade schon) illegalen Steuer- oder Vertags-Tricks ihren Auftraggebern viel Geld zu sparen helfen, und sich auch selbst dafür ( Gelegenheit geben zu … ) fürstlich entlohnen lassen .
    ch Quatsch, ich drifte ja völlig vom Thema ab, natürlich waren es die gutgemeinten Vermittlungsbemühungen von Abgeordneten und Politikern, in Zeiten der Maskenknappheit, die sich selbst nur mit einem Bakschisch entlohnen liessen, bestes Beispiel ist Monika Hohlmeier,Europaabgeordnete, CSU (wer die Dame nicht kennt, sie ist die Tochter von Franz-Josef Strauss, 1988 verstorben, aber noch immer als CSU Koryphäe in aller Munde) die sich mit Milionen dafür entlohnen lassen hat. Oder war es eher die Tochter vom Georg Tandler, die ca. 2 Mio an den Maske verdient hat ??? Nnein, es waren Beide, und mit ihnen noch zig andere Abgeordnete.
    Soviel, Jack Tar, zu dem von Ihnen angesprochenen „eklatanten Mangel an Anständigkeit bis hin zur Sittenwidrigkeit“.
    Und das wollen Sie einem zur Tatzeit gerade einmal 21-Jährigen vorwerfen? Klar, war da ein Mangel von Anstand, ja sogar Sittenwidrigkeit, bei was er getan hat, aber lebt ihm das nicht unsere Gesellschaft vor?
    Als erfolgreich gilt, wer anderen ihr Geld abluchst, und das je mehr, je besser, und dem skupellosen gehört die gabze Welt.

    Meine Frage, ob das Urteil schon rechtskräftig ist, oder ob wenigstens T.L. in die Revision gehen will, wurde noch stets nicht beantwortet.

     
  4. 5

    Dieser Fall zeigt die Problematik zwischen kriminellen Taten und Taten für die Habgier und ein eklatanter Mangel an Anständigkeit bis hin zur Sittenwidrigkeit notwendig sind, die aber genau genommen nicht illegal sind. Die drei Betreiber einer Plattform im Darknet agierten anfangs in einer damals vom Gesetz noch nicht erfassten Zone. Es kann davon ausgegangen werden, dass ihnen nicht nur bewusst war wofür ihre Plattform genutzt wurde nämlich zum Handeln mit illegalen Drogen, sondern dass sie sich gerade davon ein für sie sehr einträgliches Geschäft erhofften. Falls letzteres nicht zuträfe, hätten sie ja auch eine Plattform für ausschließlich legale Produkte betreiben können. Mit anderen Worten die drei Betreiber haben ein beachtliches Maß an krimineller Energie und trotzdem wäre es der Justiz beinahe nicht gelungen dieses Vergehen zu ahnden. Eine juristische Hilfskonstruktion und eine nachträgliche Gesetzesänderung waren nötig. Ein weiterer sehr eindeutiger Beweis für das Vorhandensein von großer krimineller Energie ist der Exit Scam. Daran war Jonathan K. allerdings nicht beteiligt.

    Etwas provokant formuliert könnte man sagen: Ein Mensch, der sich gezielt eine Gesetzeslücke zu Nutze macht, um viel Geld zu verdienen und dabei mindestens den Handel mit illegalen Drogen in Kauf nimmt, wäre theoretisch nicht kriminell. Nur die Gesetzesänderung und zuvor die juristische Hilfskonstruktion sorgen dafür, dass das Verbrechen doch geahndet kann.

     
  5. 4

    @“Der Klever wurde noch nach Jugendstrafrecht verurteilt, die Strafen für seine beiden Mittäter fielen ein bzw. zwei Jahre höher aus.“

    Prinzipiell bin ich mit dem Urteil über den Klever völlig einverstanden und hatte auch nichts Anderes erwartet. Allerdings gibt es da 2 Bedenken, die ich zu seinem Vorteil anführen möchte.
    Sind die Urteile denn schon rechtskräftig, sprich hat T.L. auf Revision verichtet, oder dürfen wir und noch auch eine Fortsetzung der not ending story freuen, und ja, rd. war wohl nicht zur Beobachtung in Frankfurt, Heiner Frost vermutlich auch nicht, aber wo gibt es eventuell Berichte von Prozessbeobachtern, die nicht hnter Bezahljournalismus-Schranken ruhen?
    Schaut man sich das in Kleve letzte Woche gefällte Urteil gegen die beiden niederländischen „Plofkraker“ an, muss man sagen, dass die prinzipiell auch direkte Todesopfer in Kauf genommen hätten.
    Die sind erheblich günstiger weggekommen, aber in Kleve gelten nun mal andere Gebräuche, auch vor Gericht.
    Die zweite Sache, die T.L. zum Vorteil gereichen sollte ist „Der Gesetzgeber hat die Lücke allerdings mittlerweile erkannt. Im Februar legte die Bundesregierung einen Entwurf zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen vor.“ .
    Das bedeutet, dass es zur Tatzeit noch nicht so richtig geregelt war und man nur über Hilfskonstruktionen eine Strafbarkeit konstruieren kann, und … ja, sogar bis zum heutigen Tage die Strafbarkeit noch nicht explizit geregelt ist.

     
  6. 3

    @rd „das Kunden einzukassieren („Exit Scam“). Sie überwiesen 8,6 Millionen Euro von Kundenkonten auf eigene.“
    Bitte korrigieren, soll natürlich Kundenguthaben heissen.

     
  7. 2

    Burnout durch kriminelle Taten hat hier sicher nicht strafmildernd gewirkt. Aber glaubwürdig klingt die Aussage des Angeklagten schon. Kriminalität führt eben nicht zu einem besseren Leben. Das ist es ja, was viele sich erhoffen.

    Ein nicht unumstrittener Ansatz in der Rehabilitation ist das Good Lives Model. Straftäter sollen darüber reflektieren, was sie eigentlich wollten mit ihren Straftaten. Oft ein besseres Leben (Gewaltdelikte ausgenommen). Ein besseres im falschen geht aber nicht. Deshalb sollen sie lernen, was ein besseres bzw. gutes Leben individuell ausmachen kann. Und warum sie dafür einen anderen Weg einschlagen sollten.

    Den Ansatz finde ich wegen der speziellen Perspektive interessant. Auch wenn er natürlich nicht zu jeder Straftat passt.