Schlüsselfragen: Denen das Lachen vergeht

Sicherheitsschlüssel (frühes 21. Jahrhundert)
Sicherheitsschlüssel (frühes 21. Jahrhundert)

Von einem bekannten Klever Unternehmer ist das Bonmot überliefert, dass, wenn jeder jeden ein wenig bescheiße, alle davon gut leben könnten. Will sagen: Eine gewisse Schlitzohrigkeit wird für unerlässlich erachtet, um sich im rauen Wind des Wettbewerbs behaupten zu können. Aber wo ist eine Handlung noch raffiniert und möglicherweise durchtrieben, und wo fängt sie an, verbrecherisch zu werden?

In gewisser Weise ist dies die große Frage, die den Prozess gegen den Betreiber der Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale und seinen Geschäftsführer, der derzeit vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kleve verhandelt wird, durchzieht (zum Bericht über den Prozessauftakt siehe hier: Schlüsselfragen). Ist es noch clever, wenn in einem Branchenfernsprechbuch aus Chemnitz scheinbar ein gutes Dutzend Schlüsseldienst-Anbieter um Kunden buhlt, oder ist es einfach nur eine betrügerische Täuschung, da ein Großteil der Nummern am Ende in ein und demselben Callcenter in Geldern landet?

Am Dienstag, in der noch frühen Phase eines Verfahrens, welches sich aller Voraussicht nach bis zum Sommer hinziehen wird, streifte der Prozess die Niederungen des Geschäftsmodells – unberührte damit eine Frage, die vermutlich nicht nur die Angestellten der Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale bewegte, sondern – mehr oder minder bewusst – zahlreiche Werktätige, die sich fragen, ob das, was sie im Auftrag ihres Chefs so den ganzen Tag treiben, ethisch vertretbar und gesetzeskonform ist.

Das betrifft den Bankmitarbeiter, der seinen Kunden Versicherungen aufschwatzen muss, genauso wie den Ingenieur, der Abschalteinrichtungen für Dieselmotoren zu planen hat, oder den Programmierer, der angehalten ist, alles an Daten möglicher Nutzer abzusaugen – im Grunde also fast jeden, der irgendwo im Wirtschaftsleben unterwegs ist.

Im Fall der Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale sagte gestern eine IT-Mitarbeiterin aus, der befohlen worden war, möglichst viele Domains mit möglichst vielen Webseiten zu bestücken, die am Ende dann doch alle zu den Angeboten des Unternehmens führen sollten.

Die Frau kämpfte innerlich mit diesem Arbeitsauftrag und rang sich am Ende zu einer Entscheidung durch, die sie ihrem Chef schriftlich mitteilte – in Form einer Kündigung. Das Schreiben, das während ihrer Aussage per Beamer an die Wand des Gerichtssaales projiziert wurde, verdient Respekt.

Deshalb sei hier der Anfang dieses Briefes wiedergegeben: „Ich habe mir jetzt eine Woche Zeit gelassen, um ausführlich darüber nachzudenken, ob ich die Praxis der ,Fake-Adressen` gegenüber Kunden mittragen kann. Mein Ergebnis: Nein, ich kann es nicht. Für mich ist es Betrug am Kunden, egal womit du das rechtfertigst, und das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

Die Frau beendete das Arbeitsverhältnis. Eine andere arbeitete bis zum Ende im Jahre 2016 in der Buchhaltung. Das Telefon klingelte oft, und häufig waren aufgebrachte Kunden am anderen Ende der Leitung. „Beschwerden kamen ständig rein“, berichtete die Zeugin. „Dass die Reparaturen überteuert waren, dass keine vernünftige Arbeit geleistet wurde, dass es Mängel gab.“ Sie erledigte diese Aufgabe mit Widerwillen. „Ich habe das nicht gern gemacht, weil ich überfragt war, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte.“

Anfangs hatte sie noch den Eindruck, dass in der Firma korrekt gearbeitet werde. Dann aber stieß sie im Internet auf einen RTL-Bericht über die dubiosen Machenschaften des Unternehmens. „Da wusste ich, dass das alles nicht so normal läuft.“ In einer Vernehmung durch die Polizei wird sie mit den Worten zitiert: „Ich bekam das Gefühl, dass die Monteure mehr kaputt machten, als sie mussten. Es sollte ja das Material verbaut werden, was die Monteure mit hatten.“

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