O.k., die Überschrift ist natürlich ein bisschen boulevardesk, aber während draußen in der Stadt sich die Ereignisse nur so überschlugen, habe ich im Auftrage der RP zwei Tage im Saal A110 des Landgerichts Kleve verbracht, um den Prozess gegen drei Frauen aus Kleve – zwei davon in den besten Jahren – zu verfolgen, die kiloweise Kokain aus Südamerika nach Europa geschmuggelt hatten. Alle bezogen sie Hartz IV, alle wollten sie „auch einmal auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen, alle wurden verhaftet und müssen nun lange, sehr lange Haftstrafen verbüßen. Eigentlich sehr lehrreich, weshalb ich hier die Texte (die bereits in der Zeitung standen) auch noch einmal online stelle.
Die Klever Curaçao-Koks-Connection
„Ein bisschen Gier war wohl dabei, aber leben Sie mal nur von Hartz IV“ – 3 Kleverinnen müssen sich vor dem Landgericht wegen Drogenhandels in großem Stil verantworten
Es geht vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve um Kokain, kiloweise Kokain, das von Südamerika nach Europa geschmuggelt wurde. Doch es sind keine schillernden Drogenbarone, die auf der Anklagebank gelandet sind und in Gefahr laufen, für bis zu 15 Jahre hinter Gittern zu landen, sondern Gisela und Maria, zwei resolute Mittfünfzigerinnen aus Kleve. Zwischen den beiden sitzt noch Giselas Tochter.
Das ist die Klever Curaçao-Koks-Connection, und da deren Ende unweigerlich feststeht, hat Gisela beschlossen, reinen Tisch zu machen. Sie schildert ihr tristes Leben als Hartz-IV-Bezieherin und berichtet, wie das Sozialamt anrief und ihr die frohe Kunde überbrachte, sie dürfe an einer „Fit 50plus“-Maßnahme teilnehmen. Wenig später rief ihre Tochter an, es gebe da auch noch eine andere Möglichkeit, an Geld zu kommen.
Sie hatte Kontakte zu Drogendealern, die Kuriere anwarben, die offenbar so wenig wie möglich wie Kuriere aussehen sollten – Typ Hausfrau und Mutter. Gisela sah die Chance, der staatlichen Alimentierung zu entrinnen, sagte zu und flog einmal nach Curaçao. Mit reichlich Kokain eingenäht im BH kehrte sie zurück nach Europa und kassierte nach der Landung 7000 Euro in bar. „Ich stand einmal auf der Sonnenseite des Lebens, konnte endlich Stromrechnungen bezahlen, konnte vernünftig essen – und nicht nur vier Wochen Toastbrot mit Salami und Ketchup.“
Später ging`s noch einmal nach Brasilien, nach dem gleichen Muster: „Fünf Tage Urlaub, zwei Tage Arbeit.“ Nach der Übergabe des Stoffs gab es diesmal sogar 10.000 Euro. Doch dann beendete Gisela ihre aktive Laufbahn als Drogenkurier: „Ich habe das nervlich nicht mehr geschafft, da stand einem nach der Landung sofort der Schweiß im Nacken, außerdem hatte ich eine Arbeit als Altenpflegerin auf Burg Ranzow.“
Statt dessen vermittelte sie – zumindest teilweise gegen Bezahlung – andere Kuriere, sodass insgesamt sechs Südamerikaflüge zur Verhandlung stehen. Eine weitere Koksbotin, Maria, sitzt mit auf der Anklagebank, zwei andere sitzen in ausländischen Gefängnissen ein.
Es ist das Verdienst von Staatsanwalt Ralf Trepmann, dass er darauf aufmerksam macht, dass spätestens mit deren Festnahme klar geworden sein müsse, dass es um schwere Straftaten gehe. Daraufhin sagt die bei der Vorbereitung der Reisen hauptsächlich als Dolmetscherin tätige Tochter, sie habe auch aufhören wollen, aber ihr aus Nigeria stammender Mann habe sie ständig bedrängt, neue Kuriere zu besorgen.
Doch sie tat es nicht nur aus Liebe: „Ein bisschen Gier war auch dabei“, sagt sie. „Endlich mal eine ehrliche Antwort“, entgegnet der Staatsanwalt.
Auch die von Rechtsanwalt Karl Haas verteidigte dritte Angeklagte, Maria, sagt umfassend über ihre drei Brasilien-Reisen aus, für die sie 22.000 Euro erhielt. „Ich habe davon Schulden bezahlt, Essen für die Kinder, und als das Wichtigste erledigt war, habe ich aufgehört. Das Risiko war mir zu groß geworden.“ Zum Nötigsten gehörte allerdings auch eine 4200 Euro teure Reise der gesamten Familie nach Nigeria, wie der Staatsanwalt aus den Akten zitiert, um das Armutsmelodrama etwas abzuschwächen.
Eingehend bemüht sich das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Gerhard van Gemmeren zu klären, inwieweit die Angaben der Angeklagten dazu beitragen konnten, die Hintermänner zu fassen. Da waren Tony, Mike, Titi, Emanuel, Cliff, Ron, Rudolf, Jaques mit von der Partie, um nur einige zu nennen. Mindestens zwei konnten aufgrund der Hinweise der Klever Kuriere verhaftet werden, berichtet ein Polizist als Zeuge – Pluspunkte für das Trio.
Der Prozess wird heute um 9 Uhr fortgesetzt.
„Meine Damen, Sie zeichnen für ein schmutziges Geschäft verantwortlich“
Harte Strafen gegen die Klever Koks-Connection: 8 Jahre Haft für Chefin Gisela, 5½ Jahre für deren Tochter, 9 Jahre für dritte Täterin - „Kriminelle Energie war überdurchschnittlich“, so das Landgericht Kleve im Urteil – Tränen auf dem Gerichtsflur
So oft, wie Richter Gerhard van Gemmeren in seiner Urteilsbegründung davon sprach, er habe diesen oder jenen Umstand strafmildernd berücksichtigt, hätten die Zuschauer meinen können, es sei für die Angeklagten noch einmal glimpflich ausgegangen.
Doch so war es nicht: Der Prozess gegen die „Drogen-Muttis“ aus Kleve, die zwei Jahre eine Koks-Connection nach Südamerika unterhielten und das Rauschgift gleich kiloweise nach Europa brachten, ging vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve mit drastischen Strafen zu Ende. Gisela (51), Haupttäterin, muss wegen bandenmäßigen Drogenhandels für acht Jahre hinter Gitter, ihre Tochter (22) erhielt eine fünfeinhalbjährige Freiheitsstrafe, und Maria (52), die dritte angeklagte Kokain-Schmugglerin, muss sogar für neun Jahre in Gefängnis.
Sechs Schmuggelreisen nach Curaçao und Brasilien wurden dem Trio vorgeworfen, das Gericht ging von rund 20 Kilogramm Kokain aus, die durch Mitwirkung der drei Angeklagten nach Europa kamen. „Hier geht es um einen Endverbraucherpreis von rund zwei Millionen Euro“, verdeutlichte Richter Gerhard van Gemmeren das Ausmaß der illegalen Geschäfte.
„Nicht an der Spitze, aber im Zentrum des Systems standen Mutter und Tochter.“ Den beiden attestierte er eine raffinierte Vorgehensweise, weil die beiden – selbst von der Sozialhilfe abhängig – gezielt Menschen in Finanznöten angesprochen hätten. „Ihre kriminelle Energie und die Gefährlichkeit der Taten waren überdurchschnittlich.“
Strafmildernd war Mutter und Tochter ihre Kooperationsbereitschaft. „Wir bewegen uns hier normalerweise in einem Strafrahmen von 12 bis 13 Jahren“, so van Gemmeren. Diese mildernden Umstände kamen der dritten Angeklagten nicht zugute – deshalb neun Jahre.
Alle Strafen entsprachen etwa dem, was Staatsanwalt Ralf Trepmann zuvor gefordert hatte. „Sie wollten einmal auf der Sonnenseite des Lebens stehen“, sagte er in seinem Plädoyer. „Und dafür war Ihnen fast jeder Preis recht. Meine Damen, Sie zeichnen für ein schmutziges Geschäft verantwortlich.“
Willfährig und bereitwillig hätten sich die Angeklagten in die Hände der Drogenbande begeben, „von einer unglaublichen Geldgier getrieben“. Sogar die Verhaftung mehrerer Kuriere habe sie unbeeindruckt gelassen. Trepmann: „Wir reden hier nicht über gefällige Werkzeuge internationaler Drogenhändler – Sie sind selbst initiativ geworden.“
Die vier Verteidiger der drei Frauen sahen das naturgemäß anders. „Sie haben es aus Verzweiflung und Geldnot getan“, so Sebastian Holbeck. Die Angeklagten hätten in der Hierarchie der Drogenbanden ganz unten gestanden. „In Brasilien nennt man die Kuriere Maulesel, das kann nicht sein, dass sie so hart bestraft werden.“
Nach dem Urteil waren die drei Frauen geschockt. Gisela machte dem Staatsanwalt heftige Vorwürfe, weil sie ihre Mithilfe bei der Aufklärung nicht genügend gewürdigt sah. Auch die Angehörigen der drei Angeklagten, die den Prozess auf den Zuschauerbänken verfolgt hatten, reagierten fassungslos, mehrere Frauen brachen in Tränen aus. Rechtsanwalt Karl Haas, Vertreter von Maria, war mit dem Ausgang des Verfahrens ebenfalls nicht zufrieden: „Wir werden Revision einlegen.“
Die „Damen“ haben nicht aus Not/wehr gehandelt, die haben das ganz große Geld gesehen und gewissenlos andere noch da mit rein gerisssen. Weggesperrt gehören die! Richtig so!
…und alles hat eine Vorgeschichte; und diese Paar Damen auch(…)! und die hat nicht nur etwas mit finanzieller Not zu tun
* Helfer…wir sprechen hier über absolut bestes Kokain, damit lässt sich noch einiges anfangen um mehr zu bekommen usw.
(…)von rund 20 Kilogramm Kokain aus, die durch Mitwirkung der
drei Angeklagten nach Europa kamen. „Hier geht es um einen
Endverbraucherpreis von rund zwei Millionen Euro“, verdeutlichte
Richter Gerhard van Gemmeren das Ausmaß der illegalen Geschäfte.(…)
Ohne jetzt irgendwas schönreden zu wollen, aber nach der Rechnung
müßte ein Gramm von dem Zeugs satte 100€ kosten. Kann sein das
dieser Preis irgendwo in dunkel Deutschland erzielt wird, nicht jedoch
in Kleve und schon garnicht von den Zwischenhändlern. Der Kram muß ja schließlich noch „unterverteilt“ werden, aber selbst nach
Abschluß, wo die Ware den Endverbraucher erreicht sind bei weitem
keine 100€ zu erzielen.
Davon abgesehen ist es sowieso nicht nachvollziehbar, weshalb sich
die Damen in Anbetracht des enormen Risikos für ein Taschengeld
solch einer potenziellen Gefahr ausgesetzt haben. Schlimm finde
ich an diesem Ereignis, das die Damen durch finanzielle Engpässe
und Schulden solch eine Tat durchgeführt haben. Schade das wir
soetwas im 21. Jahrundert noch erleben müssen. Ich beführte jedoch
das solche Dinge in Zukunft immer öfters passieren werden.
@Andreas:
> aber nach Lektüre des Berichts halte ich die Strafe für
> ausgewogen und bestimmt nicht leichtfertig verhängt.
Ich möchte nicht in der Haut des Richters stecken, wenn
(angenommen) bei der Verhandlung klar wurde, das die Damen
es aus der puren Not heraus gemacht haben.
Ich bin Vater einer achtjährigen Tocheter und aus meiner
Sicht darf es für soetwas dennoch keinen Freibrief geben. Bin da
eigentlich recht froh wenn die Polizei bei diesem Thema erfolge
feiern kann. => Glückwunsch
Kommentieren macht Spaß 🙂
Klar, Drogen und alles was damit zu tun hat sind böse.
Keine Frage, die Damen haben wirklich Straftaten begangen und die hier vereinfacht dargestellte Urteilsbegründung macht Sinn.
Das die Damen gewissenlos waren und erst beim Erreichen einer gewissen Nervositätsschwelle ihre Aktivitäten eingestellt haben ist nachvollziehbar.
Ein anderer Straftäter würde vielleicht noch als einsichtiger Ersttäter verurteilt und käme mit einer geringeren Strafe davon, aber wenn es um Drogen geht hört der Spaß auf!
Klar, Strafen – und sind sie noch so hart oder gar endgültig – schrecken nicht ab, wissen wir, wissen die Gegner der Todesstrafe und wollen die Bestrafer nicht wissen.
Gleiches Recht für alle, oder?
Es gibt viele Gründe für die Begehung einer Straftat und jeder einzelne Grund muss beachtet und gewertet werden, aber unterm Strich bleibt der Straftatbestand ja meist bestehen (es sei denn aus Mord wird Notwehr … falls das überhaupt mal vorgekommen ist…).
Ich habe den Prozess nicht verfolgt, war also nicht anwesend und bin im Strafrecht so bewandert wie die Kuh im Eierlegen, aber nach Lektüre des Berichts halte ich die Strafe für ausgewogen und bestimmt nicht leichtfertig verhängt.