Hannes Wader! Das ist so was von 70-er!!

Hannes Wader! Muss man mehr sagen?! Bei Leuten, die zwei, drei Jahre älter sind als ich, dürfte allein die Namensnennung wohlige Schauder der Erinnerung an Zeiten, in denen Gesellschaftskritik chique war, hervorkitzeln. Dann kamen die Räucherstäbchen. Und nun? Bruno Schmitz und seinem Kulturbüro Niederrhein haben wir es zu verdanken, dass der Barde (so hießen die Kritischsten der kritischen Sänger damals) am Sonntag, 13. Februar, in der Klever Stadthalle gastiert (20 Uhr, Eintritt 25,55 Euro) – zum ersten Mal seit ca. 30 Jahren wieder in der Stadt. Leute, die damals da waren, sagen, dass er die erste Stunde des Konzerts mit dem Stimmen seiner Gitarre verbracht habe. Vielleicht auch deshalb eigentlich ein Muss! 68 Jahre ist der Mann alt. Singt er immer noch von Frau Klotzke, die ihre T… übers Fensterbrett schleudert? Fragen…

Zeilen wie diese, das ist doch fast Bob Dylan: »… und kippte, um alles wieder gutzumachen, dem Ärmsten ein volles Glas Bier in den Rachen. Der nahm von alldem nichts mehr wahr, weil er schon vorher besinnungslos war und erstickte, ohne sich sehr zu quälen, bliebe zum Schluss noch zu erzählen, dass mein Nachbar mir gleich einen Vorschlag machte, als ich grad an nichts Böses dachte, das mit der Leiche sei wohl weniger schön, doch müsse das Leben ja weitergehn, ob ich Lust hätte, seiner Frau das Singen und Gitarrespielen beizubringen.«

Allerdings habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass der gute Mann sich mittlerweile sehr intensiv mit der Romantik auseinandersetze, naja, vor der Flucht in die süßen Tiefen der Innerlichkeit sind auch die härtesten Sozialisten nicht gefeit. Und wo wir gerade in Erzähllaune sind, lassen wir auch diese dank Wikipedia der Nachwelt überlieferte Geschichte nicht aus:

Im Oktober 1971 überließ (Wader) seine Wohnung im Hamburger Stadtteil Poppenbüttel für einige Monate Hella Utesch, einer vermeintlichen NDR-Reporterin. Während dieser Zeit reiste Wader zum letzten Mal per Anhalter durch Europa, um anschließend mit seiner gerade fertiggestellten und erfolgversprechenden LP 7 Lieder auf Tournee zu gehen. Nach seiner Rückkehr fand er seine Wohnung jedoch völlig verwüstet vor. „Hella Utesch” war der Deckname von Gudrun Ensslin, Mitglied der RAF, die sich Waders Behausung als Hauptquartier eingerichtet hatte und dort Experimente mit Sprengstoff durchgeführt hatte. Bei einem Konzert wurde Wader verhaftet.

Schön auch, was der Mann auf seiner Homepage über seinen ersten Plattenvertrag erzählt, die Knut Kiesewetter mit einem Trick eingefädelt hatte:

»Wie konntest du uns derart in den Rücken fallen? Diese ganze Wader-Scheiße hatten wir doch schon mal auf dem Tisch und einstimmig abgelehnt. Kein Mensch will diesen Mist hören!« Das Album erscheint. Es kostet die Company Pfennigbeträge. Ein bisschen Vinyl, die Pressung und die Pappe fürs Cover, das ich selbst kostenlos entwerfe. Schließlich bin ich Grafiker. Für Werbung wird keine Mark ausgegeben. Dabei geht es der Branche gut. Spesen in astronomischer Höhe werden widerspruchslos abgerechnet. Für Journalisten, die in ihren Artikeln nur den Firmennamen erwähnen, hagelt es Gratis-Puff-Besuche bis zu Weltreisen für zwei Personen, oder wahlweise ein VW-Kabrio. Einem Platten-Debütanten, gut beworben, der zu jener Zeit innerhalb eines Jahres auf 3 – 4000 verkaufte Exemplare verweisen kann, ist ein mehrjähriger Vertrag sicher. Für ein unerwünschtes, nicht promotetes Produkt ist der Verkaufserfolg von Hannes Wader singt überwältigend. Es werden binnen weniger Monate mehrere zehntausend Scheiben abgesetzt und auch meine Plattenbosse sind überwältigt. Aber ins Unrecht gesetzt? I-wo. Jetzt haben sie es auf einmal alle immer schon gewusst und jedem kommt das Verdienst zu, mich entdeckt zu haben. Wohl nie hat ein Erfolg so viele zeugungsunfähige Väter gehabt. Immerhin komme ich so zu einem langfristigen Plattenvertrag.

Das ist so was von 70-er! Das könnt‘ ihr euch gar nicht mehr vorstellen!!

Deine Meinung zählt:

15 Kommentare

  1. 15

    Franz-Josef Degenhardt ist sowieso der Urvater, nicht vergleichbar mit Wader. Degenhardt hat hier gewohnt in meinem heimatort in den Sechziger jahren als er an der Uni Saarbrücken war.
    über Liedermacher bin ich total informiert

     
  2. 13

    Papperlapapp! Frank Zander!

    Kann mal bitte jemand über das Konzert berichten. Ich hätte unverhofft doch noch zwei Karten nutzen können aber aus terminlichen Gründen ging’s nicht.

    Was war das vorherrschende Thema im Foyer?
    Welche Promis waren da?
    War Mom da und wie hat er geparkt?
    Wie viel Prozent der Zuschauer waren Zahnärzte oder Angestellte des ÖD im weiteren Sinne?

     
  3. 12

    hallo, Franz Josef Degenhardt ist besser. Wölfe mitten im Mai, Ballade vom verlorenen Sohn, Schmuddelkinder und Dreizehnbogen sollten hier nicht unerwähnt bleiben

     
  4. 10

    Klepeter, früher war Links noch Gütesiegel für eine Gesinnung und stand für fortschrittlich, aufklärerisch, human, sozial, demokratisch etc.

    Heute seht Links bestenfalls für antiwissenschaftlich, antiwestlich, beharrend, büroktratisch und elitär. Schade!

    In der damaligen Zeit bekämpfte man noch den einengenden, freiheitsraubenden Staat, um es sich dann im laufe der Zeit genau in diesem Staat, zu Lasten der Allgemeinheit, bequem zu machen. Unkündbar, pensionsberechtigt, ausgesorgt.

    In Anlehnung an D. Maxeiner zur Definition Besserverdienende:

    Vormals Ärzte, Rechtsanwälte, Selbstständige. Heute Wähler der Grünen oder Funktionäre der Linken ab TVöD13 (früher BAT IIa).

    Außerdem, so toll war’s damals auch nicht, wie man am Beispiel des Jim M. ablesen kann. Mit seinem merkwürdigen, typischen 60-70er Protest-Song-Textstelle … tell me the way to the next whiskey bar… kündigte er bereits 1967 die Umstände seines Endes an. Aber der, oder vielmehr seine Band, waren musikalisch wenigstens recht akzeptabel.

     
  5. 9

    Ach, das waren noch Zeiten. Da wurde diskutiert und protestiert.Musiziert und marschiert. Da stand das Volk auf der Straße, wenn die Politik überzog.
    Und heute? Monatelange Debatten über ein paar Euro Hilfe zum Lebensunterhalt, Milliardenschwere Soforthilfe an notleidende Banken und spontane Hilfe für bankrotte Staaten, sozialer Abstieg für abhängige Beschäftigte, Geldverschwendung bei den Kommunen durch gezielte Vetternwirtschaft…

    Das Volk schaut zu und beruhigt sich beim Schmuddelfernsehen.

     
  6. 7

    @ Messerjocke: Das Einheitsfrontlied ist kein 70er-Protest-Song, sondern entstand bereits im Jahre 1934! (Text: B. Brecht, Melodie: Hanns Eisler)

    Wenn man keine Ahnung hat, …. (D. Nuhr)

     
  7. 6

    Wie weit sind 70er-Protest-Songs mit Passagen wie, Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zum Essen bitte sehr. (Erinnert mich übrigens an die Demonstranten in der DDR, kurz vor’m Mauerfall, die einfach nur -zum Schock der Linken- statt Weltrevolution in einem echten Kaufhaus einkaufen wollten) und Oliver Simon mit einprägsamen Textstellen wie, Wie kann ein Bahnhof voller Menschen so leer und trostlos sein? voneinander entfernt?

    Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=yevzKBhPdoo (M.w. ist dieser Text schon in 40 weiteren Liedern verwurstet worden)

    Hier der Vergleich Hannes vs. Oliver:

    Takt: 4/4 — 4/4
    Sänger: 1 — 1
    Musikalisch: bedeutungslos — bedeutungslos
    Instrumente: 1 Gitarre — 1 Computer
    Text, Inhalt: Gesör — Gesör
    Retro-Feeling: 70/80er — 70/80er

    Trotzdem werde ich vielleicht hin gehen- wg. des Feelings und der Besucher.

     
  8. 2

    Die Standard-Seite für Musikrecherche allmusic.com
    listet als „sinilar artists“ Stephan Mross und die Wildecker Herzbuben auf. Jopie Heesters fehlt jedoch in der Liste.

     
  9. 1

    Wieder aktuell… (wobei „Arbeiter“ durch „Arbeitnehmer“ zu ersetzten wäre)

    http://www.youtube.com/watch?v=DIT6cZ2SNP0

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,
    drum braucht er was zum Essen bitte sehr.
    Es macht ihn kein Geschwätz nicht satt,
    das schafft kein Essen her.

    Drum links, zwei, drei
    drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist.
    Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil du auch ein Arbeiter bist.

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,
    drum braucht er auch noch Kleider und Schuh.
    Es macht ihn kein Geschwätz nicht warm
    und auch kein Trommeln dazu.

    Drum links, zwei, drei
    drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist.
    Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil du auch ein Arbeiter bist.

    Und weil der Mensch ein Mensch ist,
    drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern.
    Er will unter sich keinen Sklaven sehn
    und über sich keinen Herrn.

    Drum links, zwei, drei
    drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist.
    Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil du auch ein Arbeiter bist.

    Und weil der Prolet ein Prolet ist,
    drum kann ihn auch kein anderer befrein.
    Es kann die Befreiung der Arbeiter nur
    das Werk der Arbeiter sein.

    Drum links, zwei, drei
    drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist.
    Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil du auch ein Arbeiter bist.