Der Puppaprozess: Ein Kuhfuß im Kofferram

Eigentlich schien es gut gelaufen zu sein für Mesut O. (34), Arbeiter in einer Döner-Fabrik aus Moers. Eine merkwürdige Begebenheit, die sich 319 Tage zuvor ereignet hatte, führte dazu, dass er gestern im Prozess gegen die beiden Männer, die die Klever Gastwirtin Marie-Luise Klar („Puppa Schmitz“) überfallen und ausgeraubt haben sollen, als Zeuge aussagen musste – am Ende des Tages saß er jedoch schweißgebadet auf seinem Stuhl und war froh, als er den Gerichtssaal verlassen konnte. (Artikel steht heute auch in der RP)

Seine Freundin ist die Schwester des Hauptangeklagten Attile Ö., und den Aussagen des Zeugen zufolge war es ihr am frühen Abend des 16. April 2011 zu Hause in Moers wohl irgendwie langweilig geworden. Da sei sie auf die Idee gekommen, die Reste des zuvor von ihr gekochten Abendessens zu ihrem Bruder zu bringen – Essen auf Rädern unter Geschwistern sozusagen.

Gemeinsam sei man also abends von Moers nach Kleve gefahren – Jürgen Ruby, der Vorsitzende Richter der 1. Großen Strafkammer, fragte taktvoll nach, ob das Essen auf dem Weg möglicherweise kalt geworden sei. Nach dem Essen habe man noch zu Dritt ein Café zu besuchen wollen und sei ins Auto gestiegen. „Und dann war auch schon die Polizei da“, so Mesut O.

Einer Zivilstreife war der Wagen aufgefallen, weil er langsam die Königsallee auf- und abgefahren war – so, als solle etwas ausbaldowert werden. Bereitwillig gab das Trio seine Personalien an, beim Blick in den Kofferraum entdeckten die Beamten dann noch einen Kuhfuß. Als Richter Ruby dem Zeugen das Foto des Werkzeugs zeigte, war der geradezu perplex: „Das scheint so eine Art Werkzeug zu sein, es könnte sein, dass man das auf Baustellen benutzt.“ Nein, er habe nicht gewusst dass dieses „Werkzeug“ im Kofferraum des Wagens seiner Freundin gelegen habe, und er habe deshalb auch später mit ihr geschimpft.

Die Geschichte ist so nett, das sowohl Staatsanwalt Nico Kalb wie auch das Gericht keine weiteren Fragen haben und sie in einen Mantel mildtätigen Schweigens hüllen wollen. Doch da hatten sie die Rechnung ohne Rechtsanwalt Peter Nickel gemacht, den Verteidiger des zweiten Hauptangeklagten.

In einem mehr als einstündigen Fragenstakkato löcherte er Mesut O. und wollte beispielsweise möglichst detailgetreu rekonstruieren, wie er an jenem Mittwoch vor 319 Tagen die Vormittagsstunden verbracht habe. Am Ende beantragte er sogar die Vereidigung des schweißgebadeten Zeugen, worauf Staatsanwalt Kalb trocken entgegnete: „Ich weiß nicht, ob man durch eine Druckerhöhung der Wahrheit näher kommt.“

Dabei war das einzig relevante dieser Aussage der unstrittige und zugegebenermaßen merkwürdige Sachverhalt, dass einer der beiden Angeklagten nachts in einem Auto in langsamer Geschwindigkeit unterwegs war, in dessen Kofferraum sich ein Werkzeug befand, welches ideal ist, um Fenster und Türen aufzuhebeln. Allerdings: Dieser Vorfall spielt sechs Wochen vor dem Überfall auf Puppa Schmitz.

Die Wirtin hätte gestern eigentlich auch als Zeugin aussagen müssen, doch ihre Aussage war auf den 26. März verschoben worden, weil sie in Urlaub ist. Der Prozess selbst wird am 14. März mit der Vernehmung von acht Polizeibeamten fortgesetzt, die allesamt mit der langwierigen Aufklärung des spektakulären Überfalls auf Puppa Schmitz befasst waren.

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