Der nächste Versuch: Hochschule probiert mal wieder was mit „dualem Studium“

Geblendet: Silke Gorißen, Oliver Locker-Grütjen, Peter A. Wolters, Ralf Klapdor

Der Gründungsmythos der Stadt Rom ist, dass die in einem Bastkorb an den Ufern des Tiber angeschwemmten Zwillinge Romulus und Remus von einer Wölfin („Mamma Lupa“) gesäugt wurden. Der Gründungsmythos der Hochschule Rhein-Waal ist, dass die dort angelandeten Abiturienten des Niederrheins von der Alma Mater mit Wissen genährt werden, hier sesshaft bleiben und so dem Fachkräftemangel in der Region abhelfen. Entscheide du, lieber Leser, welche dieser Legenden mehr Wahrheit in sich birgt!

Das Zauberwort, mit dem der Kreis Kleve bei der Bewerbung für den Hochschulstandort punktete, hieß duales Studium. Ausbildung und Studium zu kombinieren, das ist nach Meinung der Experten eine gute Sache. Es könnte Schulabgänger dazu verleiten, eine sichere Ausbildung nahe der Heimat zu beginnen und diese durch einen Studiengang gewissermaßen aufzupimpen. Bekanntlich baute dann die Gründungspräsidentin der HSRW, Prof. Dr. Marie-Louise Klotz, die Hochschule so auf, als sei ihr dieses Angebot herzlich egal gewesen. Sie holte lieber Studenten aus aller Welt.

Irgendwo gab es zwar noch das Angebot, aber war etwa so nachgefragt wie das Abo einer regionalen Tageszeitung. Im vergangenen Jahr gelang es selbst der Lokalzeitung nicht, das Scheitern zu verdecken: Es gab (bei 7500 Studenten insgesamt) „rund ein halbes Dutzend“ duale Studenten in der Fakultät Technologie & Bionik (bei 1250 Studenten), wie der zuständige Redakteur mit einem feinen Gespür für Unschärfe berichtete (Rund ein halbes Dutzend duale Studenten, davon waren zwei Azubis der HSRW selbst). Gegenüber dem Vorjahr war das ein Rückgang – da waren es noch exakt zehn duale Studenten (Bilanz des Scheiterns).

Ein bisschen Nachdenken hätte auch die Schwäche der Konstruktion offen gelegt: Wer eine Ausbildung in Deutschland beginnt, muss in aller Regel über Deutschkenntnisse verfügen. Wer aus China oder Indien nach Kleve zum Studieren kommt, kann meistens kein Deutsch. Das Studium in englischer Sprache erfordert auch keinerlei Deutschkenntnisse. Wer hingegen zum Beispiel als Klever seinen Abschluss an einer hiesigen Schule gemacht hat, kann Deutsch, scheut aber womöglich einen Studiengang in einer Fremdsprache.

Eine der Hochschule freundlich gesinnte Regionalzeitung feierte zwar gerne Jubelmeldungen der Hochschule über irgendwelche Kooperationen mit Berufsschulen ab, aber die Vereinbarungen versanken im Schlamm des Spoykanals, nie wieder wurde etwas von ihnen gehört.

Insofern horchte die kleveblog-Redaktion auf, als die Hochschule nun in gewohntem Großsprech die Nachricht einer erneuten Kooperation verkündete. „Brücke zwischen zwei Systemen“, hieß es nun. Und: „Hochschule und Berufskolleg unterzeichnen Kooperationsvertrag“. Auf einem dazu versandten Foto sind die Landrätin Silke Gorißen, der Hochschulpräsident Dr. Oliver Locker-Grütjen, der Leiter des Berufskollegs Kleve, Peter A. Wolters sowie Ralf Klapdor, Dekan der Fakultät Gesellschaft und Ökonomie (und gerade bei der Landrätin in Ungnade gefallen, weil er ihr einen Sparkassen-Posten weggeschnappt hatte). Sie alle freuen sich.

Und zwar darüber, dass die Fakultät Gesellschaft und Ökonomie der Hochschule Rhein-Waal in Zusammenarbeit mit dem Berufskolleg im Studiengang „International Business and Management, B.A.“ ein Phasenmodell zum dualen Studium anbietet. Das Ganze soll erstmalig zum Ausbildungsstart bzw. Semesterstart im Wintersemester 2021/22 anlaufen.

Der Studiengang ist in englischer Sprache, die Prüfung für die Ausbildung muss vor der IHK in deutscher Sprache abgelegt werden – das Angebot ist also für ausländische Studenten, die hier Fuß fassen wollen, mal wieder denkbar ungeeignet (an die richtet es sich auch nicht primär). Und auch die deutschen Kandidaten aus der Region dürften vor diesem Angebot zurückschrecken, zumal andere Fachhochschulen in NRW Studiengänge dieser Art in deutscher Sprache anbieten, zum Beispiel direkt in der Nachbarschaft die Hochschule Niederrhein in Krefeld.

Immerhin bestünden bereits „erste Kontakte“ mit Unternehmen, so Ralf Klapdor. „Wir sehen uns als Hochschule für die Region, die Studierende durch Praxiselemente gut auf den beruflichen Einstieg vorbereitet“, sagt Dr. Locker-Grütjen. Man darf gespannt sein, wer im Oktober vor die Kamera gezerrt wird, um – diesmal aber wirklich – den Erfolg des Modells zu demonstrieren.

Deine Meinung zählt:

14 Kommentare

  1. 14

    Gerade wurde ich darauf hingewiesen, dass in der Hochschul-Statistik (der letzten verfügbaren aus dem Jahr 2019) von insgesamt 46 „dualen“ Studierenden die Rede ist (Anteil 0,7 %). Den Löwenanteil davon macht der Studiengang Verwaltungsinformatik in Kamp-Lintfort aus (12 Teilnehmer).

     
  2. 9

    Es war in Kleve schon immer eine Sensation und eine Nachricht in der Lokalpresse wert, wenn von mehreren hosentragenden Personen ein unleserliches Dokument vor eine Kameralinse gehalten wurde. Was lernt uns das?

    Das Dokument ist unwichtig, die Personen austauschbar, Aber zwischenzeitlich haben einige Presseabteilungen die Fähigkeit erworben, gewünschte Inhalte von News in Form von sinnträchtigen und bildgewaltigen Fotodokumenten zu versenden, damit die Lokalpresse ihren rasenden Fotoreporter einsparen kann. Effizienz allerorten.

    Gab es bei dem öffentlich gemachten Zuammentreffen der 4 Personen auch Kaffee und Schnittchen? Oder wenigstens Kekse? Welche Hintergrundinformationen werden uns mal wieder vorenthalten?

     
  3. 8

    Mmuuuh, bei den am Spoykanal angebotenen Dualen Ingenieurstudiengängen hapert es vermmuuuhtlich auch daran, dass gut geeignete Ausbildungsunternehmen sich mit dem Abschluss entsprechender Dualer Ausbildungs- und Studiumsverträge sehr schwertun, mmuuuhDieBergenVermeidbareRisiken. Denn einen kombinierten Ausbildungs- und anschließenden Teilzeitbeschäftigungsvertrag über fünf Jahre mit einem mitunter nur aus dem Bewerbungsgespräch bekannten Studierwilligen abzuschließen, kann ziemlich teuer und zur Qual werden, mmuuuhFolgekosten. Da ist ein gewöhnlicher Ausbildungsvertrag über drei oder dreieinhalb Jahre (oder sogar nur zwei oder zweieinhalb Jahre für Abiturienten in Verbindung mit verkürzter Ausbildungsdauer) vermmuuuhtlich viel sachdienlicher und kalkulierbarer, mmuuuhPanungssicherheit. Und wenn die Ausbildung dann gut absolviert wird und sich Ausbildungsbetrieb und Ausgebildeter dabei lieb gewonnen haben, werden sich beide Seiten vermmuuuhtlich sehr schnell auf Fachkraft-Teilzeitbeschäftigungen einigen, die die erforderlichen Freiräume für ein im Anschluss absolviertes reguläres oder Teilzeitingenieurstudium bieten, mmuuuhGuteFachkraftAngebunden. Vermmuuuhtlich ist also die schnelle Sequenz der prallen dualen Parallele klar überlegen, mmuuuhWoBleibtDasPassendeBildungsangebot?

     
  4. 7

    Hat big Boss seine Leute losgeschickt damit die Kunden an Land ziehen oder wartet die Hochschule immer noch darauf, dass die Firmen ihr die Bude einrennen?

     
  5. 6

    Bezeichnend für die mit dieser Initiative zur Schau gestellte Ignoranz der realwirtschaftlichen Verhältnisse ist die Tatsache, dass die Bewerbungen in vielen Berufen mindestens einen Vorlauf von rund einem Jahr erfordern. D. h., für den angekündigten Starttermin ist der Zug längst abgefahren.

     
  6. 5

    Den Versuch dazu gab es vor ca. 5 Jahren. Zumindest ein oder zwei Infoveranstaltungen für Unternehmen haben auch stattgefunden. Die Teilnehmerzahl war überschaubar. Ob es Wiederholungen gab, ist mir nicht bekannt.

     
  7. 3

    Wow! Das klingt großartig. Eine echte Chance für diese Institution. Für mich stellen sich zwei Fragen:
    1. Ist dieser Studiengang akkreditiert? (Hält Oliver Locker-Grütjen da die Akkreditierungsurkunde hoch?)
    2. Wie kann man sich auf ein Foto stellen, wenn das Einzige was man dazu beitragen kann, die Ankündigung „erster Kontakte“ ist (Ralf Klapdor, vermutlich mit seiner eigenen Firma) oder gar nichts (die Landrätin) ist?
    Sich mit Hochschulvertretern dieser Einrichtung ablichten zu lassen, war bisher immer recht toxisch. (Außer für Schöpfer der echten Hochschulpraline im Auftrag des Wirtschaftsförder-Grünkohl-Barons)

     
  8. 2

    Es scheint so als hätte die Hochschule ein Kommunikationsproblem mit potentiellen Kunden des dualen Studiums. Es gilt ja nicht nur junge Menschen für ein solches Studium zu begeistern, sondern auch Unternehmen, die an einem dualen Studium Interesse hätten, davon zu überzeugen, dass das für sie ein Gewinn ist.

     
  9. 1

    Frau K… am Beim hat der Hochschule mit dem schnellen „Erfolg“ einen Bärendienst erwiesen. Wenn so etwas wie eine Hochschule neu aufgebaut wird, wer überwacht eigentlich ob und wie es mit dem Aufbau vorangeht?