Als Kleve die erste Fußgängerzone bekam…

Attraktionen, Attraktionen

1966 erklärte die Stadt Köln die Schildergasse zur ersten Fußgängerzone Deutschlands, und es dauerte von da an exakt ein Jahrzehnt, bis sich auch Kleve am Niederrhein eine autofreie Einkaufsstraße gönnte. Ein altes Plakat und Zeitungen aus dieser Zeit, aus dem Nachlass von Willi Lievertz stammend, geben Aufschluss darüber, wie Kleve den Umbruch feierte und wie umstritten es damals noch war, die Autos aus der Innenstadt zu verbannen.

Gefeiert wurde am Samstag und Sonntag, 6. und 7. November 1976, mit einem Stadtfest, das damals den Namen KLEFETE hatte. Das Plakat schuf der Grafiker Walter Flinterhoff, es zeigt einen stilisierten Damenstiefel (soll wohl für die einkaufende Frau stehen), von dem ein Flügel abgeht (Zeichen für den Schwan einerseits, andererseits für Merkur, den Gott des Handels, der üblicherweise mit geflügelten Sandalen abgebildet wurde). Nach oben wird das Schuhwerk von einigen Quadern abgeschlossen, die vermutlich die Pflastersteine symbolisieren sollen, die in der Kavarinerstraße den Asphalt verdrängten.

Zur Eröffnung gingen zwei Ballons in die Luft, stündlich wurden kostenlose Stadtrundfahrten mit einem Oldtimer-Bus angeboten, und es gab, wie auf dem Plakat ausdrücklich vermerkt wird, „Verkaufs-, Werbe- und Informationsstände, Imbiß- und Getränkestände, Karussells“.

Die 16-seitige Zeitungsbeilage (!) der Rheinischen Post klärte darüber auf, dass die Errichtung der ersten Klever Fußgängerzone gerade einmal 400.000 DM kostete, wovon mehr als drei Viertel (309.560 DM) auf die Pflasterarbeiten entfielen. Am 7. Mai 1976 entschied der Rat endgültig über das Schicksal der Straße, schon einen Monat später begannen die Bauarbeiten, die an der Ecke Große Straße begannen. Von da aus ging es stadtauswärts weiter. Am 15. Oktober, also gut vier Monate später, waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Die Kritiker des Vorhabens, unter ihnen wohl auch Kaufleute, waren da wohl schon weitestgehend verstummt. Jedenfalls schreibt die Rheinische Post: „Die Tatsache, daß die Anlieger die Bauleute schon vierzehn Tage vor der offiziellen Eröffnung der ersten Fußgängerzone Kleves zu einer internen ‚Kle-Fete‘ bei Spanferkel, Korn und Alt einluden, sagt genug.“

Aloys Puyn, damals Redaktionsleiter der Rheinischen Post, spricht in einer Art Leitartikel die Entstehungsgeschichte der Fußgängerzone an: „Aber es wurden wohl auch selten in Kleve so viele Gutachten gewälzt, über alle schriftlich festgehaltenen Statistiken hinaus ganz persönliche Erfahrungen aus anderen Städten zu Rate gezogen und Urlaubs- und Geschäftsreisen zu Ausflügen in Mittelstädte mit Fußgängerbereichen ‚missbraucht‘. Die Folge war eine Diskussion, in der sich Sachkenner auf allen Seiten gegenüberstanden, so daß vorschnell gefasste Urteile keine Chance hatten, ernst genommen zu werden.“ Man hört eine milde Ironie heraus und fühlt sich an viele andere Diskussionen seitdem erinnert, in denen Klever Experten allwissend die Welt erklären.

Die Große Straße, die später auch Fußgängerzone wurde, war damals noch für Autos geöffnet. Es gab eine „Arbeitsgemeinschaft Große Straße – Obere Herzogstraße“, deren Vorsitzender Josef van Zoggel sich in der Beilage zu den damals ebenfalls schon kursierenden Plänen äußerte, auch diesen Straßenzug für Autos zu sperren. „Vor allen Dingen monieren die Anleger“, schreibt van Zoggel, „daß die Wege, die die Kunden in einem solchen Fall zu ihren geparkten Kraftfahrzeugen machen müssen, für ältere Menschen fast unzumutbar seien.“ Dennoch nehme man die Möglichkeit der Straßensperrung für den Kfz-Verkehr am Wochenende der Kle-Fete gern zum Anlass, das Käuferverhalten aus dieser Sicht zu testen. Das Ende ist bekannt.

Die als Werbekunden versammelten Geschäft offenbaren den Blick in eine untergegangene Welt des Handels. Es gibt noch den Weinhändler Burgvogt („Ihr Umsatz starker Partner für frohe Stunden“), die „Spezial-Brotbäckerei“ Timmermann, die Buchhandlung Fingerhut, Jagd-Pokale-Sport Schmithüsen, Elektro Hussmann, Elektro Riede, Elektro Senger sowie Radio-Fernsehen Botzen. Wo heute das Modekaufhaus Sinn steht, war noch der Vorgänger des Vorgängers zu finden, das Modehaus Doherr. Allerdings haben sich einige Geschäfte auch bis heute gehalten, unter anderem Haushaltswaren Kotters, Hut Dreis, Möbel Rexing sowie, etwas überraschend in der Liste, Friseur Helga.

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19 Kommentare

  1. 18

    high reporter,, recherchier mal jemand nach: baustelle der lebenshilfe in der wagnerstrasse.kleve, seit monaten passiert nichts und die baustelle sieht aus wie sau

     
  2. 15

    Klever Verkehrführung: Weiss wer weshalb sich die Baustelle auf der Brücke am Ring gefühlt seit 35 Jahren dahin zieht?

     
  3. 14

    Ich finde das es eine gute Idee ist
    Und besser wäre es noch das von der großenstraße bis zur hagsche straße bis zum drei Türmehaus
    Das bis dahin die fußgängerzone und keine Autos fahren
    Dürfen

     
  4. 13

    @ 9 Stefan Schuster

    Meinem Kommentar habe ich Ihren Vorschlag aus Kommentar @5 bzgl. der Radverkehrsführung in der Fußgängerzone voran gestellt. Nur hierauf bezog sich mein Kommentar. Irgendwelche Vorschläge bzgl. des Handels sind überhaupt nicht Gegenstand meines Kommentars gewesen.
    Ihr Vorschlag zum Radverkehr lautete: „Stadtaufwärts wird mittig durch Markierungen ein Fahrradweg als Einbahnstraße(!) eingerichtet, inclusive Einschränkung auf Schrittgeschwindigkeit.“
    Ein eigener Radweg mitten in der Fußgängerzone würde nicht das Problemen lösen, sondern zu noch mehr Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahren führen als sie es jetzt schon jetzt gibt.
    Warum das so wäre, kann sich eigentlich jeder selbst ausrechnen. Außerdem dürfte die „Einschränkung auf Schrittgeschwindigkeit“ bei einem eigenen Radweg noch weniger beachtet werden als es jetzt schon der Fall ist.
    In einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: „Durch die zunehmende Anzahl von Bakfietsen und Satteltaschen an Fahrrädern durfte auch der Handel davon profitieren.“ Das gilt übrigens nicht nur für den Handel in einer Fußgängerzone.

     
  5. 11

    @ Herrn Schuster (Kommentar 5, 8 und 9)

    Sie haben bisher wesentlich bessere Kommentare hier veröffentlicht.

    Eine Fußgängerzone . . . ist eine Fußgängerzone und nichts anderes.
    Die Klever Fußgängerzone ist m.E. attraktiv, gemütlich und vorzeigbar.
    Die Zahl der Radfahrer, die zum Teil schon jetzt an Werktagen mehr oder weniger schnell slalomfahrend
    in der Klever Fußgängerzone herunterfahren wird steigen …
    Was denken Sie, wird damit erst noch geschehen, wenn solche unausgegorenen
    Ideen umgesetzt werden …?

     
  6. 10

    fietser: „ Das wäre so ziemlich das Falscheste, was man machen könnte!“
    Stefan Schuster
    „ Sie versuchen, einen Vorschlag mit einer unbewiesenen Behauptung zu kontern. Das ist nicht nur wenig hilfreich, sondern darüber hinaus auch schlechter Stil.“

    Herr Schuster bei allem Respekt aber das gehört hier dazu. fietser hat immerhin nur eine Behauptung rausgehauen. Ist ärgerlich aber verbreitet und es geht schlimmer.

     
  7. 9

    @fietser, #6:
    Sie versuchen, einen Vorschlag mit einer unbewiesenen Behauptung zu kontern. Das ist nicht nur wenig hilfreich, sondern darüber hinaus auch schlechter Stil.

    Was wäre Ihrer Meinung nach als kurzfristige Maßnahme geeigneter, um den Handel und Wandel in Kleve zu verbessern? Was wäre langfristig besser?

    @Alles Neu, #7:
    Sie haben Recht, der Vorschlag fördert natürlich den Autoverkehr nicht direkt. Höchstens indirekt, durch weniger Radfahrerverkehr stadtaufwärts an der Gruftkreuzung. Ihr Ärger ist verständlich, und er wird zunehmen wenn die Ringstraße in Kürze umgebaut wird. Meine These: Autofahrer werden sich künftig immer mehr als Verlierer bei der Bekämpfung des täglichen Verkehrswahnsinns fühlen. Es kann nicht nur Gewinner geben, wenn sich etwas ändern muss.

    In vielen Städten wird versucht, den Fahrrädern zu Lasten des PKW-Individualverkehrs mehr Raum zu geben. Soll Kleve als Radfahrerstadt(!) dabei Schlusslicht sein?

     
  8. 8

    @fietser, #6
    Sie versuchen,, einen Vorschlag mit einer unbewiesenen Behauptung zu kontern. Sowas nicht nicht hilfreich und darüber hinaus auch schlechter Stil.

    Wie ginge es Ihrer Meinung nach besser?

     
  9. 7

    @5
    Die chaotische Verkehrsführung in Kleve, kann meines Erachtens nicht durch eine „Fahrradbahn“ in der Großen Straße geregelt werden.
    Ich habe letztens (was ich die nächste Zeit nicht mehr machen werde), versucht von der Unterstadt (Kino) in die Oberstadt zu gelangen (via Auto), was durch die einseitige Sperrung des Rings, zu einem Desaster wurde (die Gruft war auch dicht) und ich über die Kalkarer Straße umgeleitet wurde, was wiederum zu einem Stau an Haus Simon führte.
    Also von Goch nach Düsseldorf über die A57 ist gefühlt schneller, als von der Unterstadt zum weißen Tor.
    Mal sehen, wie ich da besser jetzt ein 9 Euro Ticket nutzen kann:-)
    Zu den Radwegen insgesamt-in Holland geht es smooth, ob mit Auto oder Rad.

     
  10. 6

    @5 Stefan Schuster

    „Stadtaufwärts wird mittig durch Markierungen ein Fahrradweg als Einbahnstraße(!) eingerichtet, inclusive Einschränkung auf Schrittgeschwindigkeit. Stadtabwärts bleibt alles so wie bisher.“

    Das wäre so ziemlich das Falscheste, was man machen könnte!

     
  11. 5

    Prima Sache, die Fussgängerzone. Aber Stillstand ist Rückschritt. Ein heutiges Problem ist der zunehmende Radverkehr in der Stadt:

    Als kürzeste Verbindung zwichen Unter- und Oberstadt ist die Benutzung tagsüber de facto illegal, findet aber immer häufiger statt, die Polizei kann das Problem trotz Kontrollen nicht lösen. Die Möglichkeit, sich weite und für Radfahrer gefährliche Umwege (Ampelanlage unten an der Gruft) zu ersparen, ist viel zu verlockend.
    Durch die vielen neuen E-Bikes ist die Fussgängerzone selbst für Senioren stadtaufwärts gut zu befahren, was auch in letzer Zeit zunehmend (illegal) genutzt wird.

    Deshalb hier ein Vorschlag zur Diskussion gestellt:
    Stadtaufwärts wird mittig durch Markierungen ein Fahrradweg als Einbahnstraße(!) eingerichtet, inclusive Einschränkung auf Schrittgeschwindigkeit. Stadtabwärts bleibt alles so wie bisher. Durch die zunehmende Anzahl von Bakfietsen und Satteltaschen an Fahrrädern durfte auch der Handel davon profitieren.

     
  12. 4

    Schöne alte Zeit…ich trauere vor allem den damaligen (etwas später) Plattenläden hinterher (Elpee/Dommers)-selbst als Aldi noch auf der Großen Straße zu finden war und Seifenplatz und Adam und Eva, Jeans Town, Hosenzentrale;Burgtheater, Eisdiele, Burgklause, Porst, MC Donalds, Nordsee, Musikhaus Treppmann,Hintzen am Kaufhof, Café Bollinger, Restaurant im Kaufhof usw.usw….ach herje, was war das schön!

     
  13. 3

    Irgendwie ironisch, dass die Menschen, die früher gegen Fußgängerzonen wetterten, heute die größten Profiteure sind. Das ironische ist auch, dass es das gleiche bei den Fahrradstraßen gibt. Die Kurzsichtigkeit einiger Menschen verleitet mich manchmal dazu, dass ich einen weiteren Brillenladen in der Stadt aufmachen möchte ^^

     
  14. 1

    Hoher Erinnerungswert, danke👍. Aber der Gestalter des Plakates war Walter Flinterhoff, sicherlich nur ein Schreibfehler des Verfassers.