Das Schöne an Wolfgang Paterok ist, dass er sich auch in der vorgerückten Lebensphase, in der sich nunmehr befindet, immer noch herrlich aufregen kann – als furchtloser Streiter gegen kleingeistige städtische Bauprojekte im Besonderen und gegen jede Form der Mittelmäßigkeit im Allgemeinen.
Dann bricht es mit barocker Sprachgewalt über einen herein, und, wer Zeuge einer solchen Auseinandersetzung wird, könnte den Eindruck gewinnen, dass bald zu den Waffen gegriffen wird. In Wahrheit ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit aber so, dass die Kontrahenten schon wenig später bei einem Glas Wein oder Bier beieinandersitzen und herzhaft lachen.
Das heißt nicht, dass die Auseinandersetzung es nicht wert war, die Fetzen fliegen zu lassen. Das heißt vielmehr, dass der gute Mann weiß, die Form zu wahren – wenn schon streiten, dann wenigstens so, dass es auch jeder versteht. Und diese Form, das ist das Theater.
Wolfgang Paterok ist eins geworden mit der Schauspielkunst, und das liegt natürlich auch daran, dass er nun schon seit 20 Jahren in Kleve sein eigenes Theater unterhält – das XOX-Theater, beheimatet im Dachgeschoss des einstigen Fabrikgebäudes. Am Wochenende wurde dort nun das Jubiläum gefeiert, im Kreise von hundert Freunden und Weggefährten, bei Sekt und Gulaschsuppe.
Das XOX-Theater sei ein „Glanzpunkt im Kulturleben der Stadt Kleve“, sagte Bürgermeisterin Sonja Northing, die dem Gründer und Chef des kleinen Schauspielhauses attestierte, „ein lustvoller Streiter [zu sein], mit dem es nicht immer ganz leicht ist“.
Das Theater sei ein „gelebter Traum, von dem ganz Kleve profitiert“. Northings Fazit: „Kleine Bühne, aber großes Theater!“
Vergessen waren da die bangen Monate, als die Verwaltung das Theater stillgelegt hatte und eine endgültige Schließung drohte, weil es den immer strenger gewordenen Brandschutzvorschriften nicht mehr genügte. Doch auch diese Klippe konnte umschifft werden, wie so viele andere, an die die drei Schauspieler des ersten überhaupt aufgeführten Stückes, York Dehnen, Michael Freiss und Manfred Küper, vor dem Publikum in launigen Sätzen erinnerten. Nachdem im Königsgarten der Plan geboren wurde, ein Theaterstück aufzuführen, zeigte Paterok den Schauspielern die Spielstätte – den leeren Saal in dem Fabrikgebäude.
Um die Nervenstärke und die dem Theaterchef innewohnende Energie zu begreifen, muss man wissen, wann Paterok seine Schauspieler zu dieser Besichtigung führte – exakt einen Monat vor der Premiere. Der – übrigens feuerfeste – Bühnenvorhang, der heute noch seinen Dienst versieht, sei wenige Tage vor der Premiere in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Oldenburg gekauft worden. „Wir haben viel mitbekommen und viel mitgenommen“, so die prägnante Zusammenfassung von Michael Freiss.
Naturgemäß stand das Lebenswerk von Wolfgang Paterok im Mittelpunkt des Abends. Doch Paterok selbst nutzte die Begrüßung zum Gedenken an einen Schauspieler des Ensembles, der das Jubiläum noch mit plante, dann aber am 26. März im Alter von nur 57 Jahren überraschend verstarb: Michael Schläger. Ihm wurde mit einer Schweigeminute gedacht. Schläger war der designierte Nachfolger von Wolfgang Paterok, der künftig kürzer treten möchte. Nun wird nach einem neuen Mann oder einer neuen Frau gesucht, die das Theater in die nächsten Dekaden führt. Eine große Aufgabe.
Hier als lokalhistorisches Schmankerl noch der Bericht zur Eröffnung und die Theaterkritik von Matthias Graß in der Rheinischen Post zum ersten Stück aus dem Jahre 1997:
Gefeierte Premiere-Aufführung im Klever XOX-Theater
Bürgermeister Karl Thelosen: „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen“
Rauschender Applaus für eine gelungene Premiere, rauschender Applaus auch für ein Wagnis, das einzugehen sich gelohnt hat: Rund 100 Premieren-Gäste feierten die Eröffnung des von Wolfgang Paterok initiierten XOX-Theaters in den ehemaligen Hallen der Biskuitfabrik. Paterok bewies, daß mit viel Enthusiasmus, mit privater Initiative und der kräftigen Unterstützung von Freunden das scheinbar Unmögliche möglich wurde: Kleve hat wieder eine ernstzunehmende, eigene Bühne. In einem professionellen Theater auf einer alle Möglichkeiten offen lassenden Bühne gelang dem Klever Studiendirektor mit Laien eine Aufführung, an die professionelle Maßstäbe angelegt werden können und die so manche Aufführung diverser Tourneetheater in den Schatten stellte. „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen“, resümierte Kleves Bürgermeister Karl Thelosen den gelungenen Abend und lobte nochmals den Mut, dieses Unterfangen zu starten… Jetzt gehen hier die hoffnungsvollen Lichter eines Theaters an, das seine Gäste „auf bequemen Sesseln empfängt“, so der Bürgermeister und künftig mit Recht den Titel „Klever Kammerspiele“ tragen dürfte, so Thelosen.
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„Kunst“ heißt das Stück von Yasmina Reza: Doch die Kunst, ein 1,2 mal 1,6 Meter großes, monochromweißes Bild, im Stück sinn- wie abfällig als weiße Scheiße abqualifiziert, steht so eigentlich gar nicht im Mittelpunkt. Auch wenn sich alles um diese „Weiße Scheiße“, um dieses „Flimmern und Vibrieren“, um die „ganze Farbpalette in der weißen Monochromie“ dreht. Serge, ein gutverdienender Dermatologe aus der Pariser Schickeria stellt voller Stolz und nicht ohne Arroganz seinem Freund Marc, einem Ingenieur, das Bild vor. Doch als Serge ihm den Preis nennt – 200.000 französische Franc – flippt Marc aus, fällt laut lachend und ohne Rücksicht über seinen Freund her, wie man soviel Geld für eben diese „weiße Scheiße“ ausgeben kann. Serge ist erwartungsgemäß empört.
„Kunst“ von Yasmina Reza ist ein Stück über eine Männerfreundschaft, vielleicht über Freundschaft schlechthin -und trotzdem wird die französische Autorin mit ihrem Text nie schwermütig, bleibt leicht, locker, fast oberflächlich aber immer treffend. Ein Text, der Boulevard-Theater sein könnte, ein Stück, das mit seinen möglichen Slapstick-Einlagen zur Commedia dell’arte werden kann, ein Stück aber auch, bei dem sich die Regie auf den Text und auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die psychologisierenden Elemente konzentrieren kann.
Wolfgang Paterok wählte eben diesen Weg. Nur drei Zweiersofas und ein kleiner Couchtisch bevölkerten die in ihrer Kargheit überzeugende Bühne: Hier stand das Wort im Vordergrund. Und damit hatte sich Paterok nicht gerade die einfachste Arbeit gesucht – denn gerade ein guter Text will auch gut gespielt werden. York Dehnen als Marc, Michael Freiss als Serge und Manfred Küper als Yvan leisteten als Laienschauspieler Beachtliches.
Köstlich Yvans Familienszenario seiner hysterischen Frauen (Braut, Stiefmutter, Schwiegermutter), nur scheinbar in sich ruhend Marc, ständig irgendwelche Pillchen schluckend, und schließlich der betont distinguierte, alle greifbaren, leeren Kunstphrasen dreschende Serge, ganz betont Bildungsbürger… Kunst bleibt unter Pateroks Regie ein ausgesprochen kurzweiliges Stück mit lustvoll aufspielenden Protagonisten… Ein Stück, das in Kleve ebenso die lauten Lacher provozierte, wie es nachdenkliche, fast traurige Seiten auslotet und in seinem wortreichen Dreikampf niemals ermüdet.
Als kleiner nachtrag zum Courage am Samstag
Die Zitat: „Strengen Kontrollen†waren lächerlich, am neuen ersten Einlasspunkt wurd kurz in die Tasche geguckt, am eigentlichen Eingang dann gleich noch mal, es wurd auch ein bisschen abgetastet. Aber keinesfalls mehr als letztes Jahr. Es waren auch nicht mehr Securityleute im Einsatz am Haupteingang.
Sprich, ich hätte alles reinbekommen was irgendwie gefährlich wäre. Wenn ich diese absicht gehabt hätte…
Gratulation an Herrn Paterok und alle seine MitStreiter !
aufrichtigen Dank für 20 Jahre immer wieder faszinierende Inszenierungen und überzeugende Leistungen !!
toi – toi – toi für das nächste JahrZehnt !!!
Einer der wenigen Zeitgenossen mit positiver Ausstrahlung. Möge er weiterhin wirken
Hier viel zu schreiben wäre nur eine Wiederholung dessen, was du Ralf über Wolfgang Paterock mit Worten
gezeichnet hast.
Wir alle schätzen Ihn sehr.
otto