Weihnachten gerettet: Einpfünder Heimat im Handel

Illustration
TitelseiteDie gute Nachricht vorweg: Der Gewichtsrückgang beim Kalender für das Klever Land konnte deutlich abgemildert werden. Während die Ausgabe 2008 nur noch 525 Gramm wog und somit gegenüber der Vorjahresausgabe 35 Gramm verloren hatte, wiegt die soeben erschienene aktuelle Ausgabe 520 Gramm, also lediglich fünf Gramm weniger. Das lässt hoffen! Beim Durchblättern fällt auf, das mehr Farbe ins Spiel gekommen ist (zumindest gefühlt), auch wenn diese nach wie vor in den meisten Fällen dafür verwendet wird, Grabsteine und Kirchenglocken abzubilden, sodass die meiste Farbe wieder rausfällt. Doch auch Leser, die nicht so auf erdenschwere Geschichten über verloren gegangenes Kircheninventar stehen, werden diesmal reichlich belohnt. Für alle, die nicht die Berichte in den lokalen Gazetten studieren wollen, hier der Überblick über den neuen Einpfünder Heimat.

Fakten 520 g; 256 S.; 9,80 €
Schönste Geschichte Jürgen Kwiatkowski über das Schicksal einer 1862 verstorbenen Dienstmagd aus Schenkenschanz nach einem Siechtum, für das keiner aufkommen wollte (inkl. eines aktuellen medizinischen Gutachtens, das fast an Dr. House denken lässt)
Beste Illustration Die Geschichte von Joseph Beuys muss neu geschrieben werden! Die Abbildung oben zeigt eine Illustration des Klever Zahnarztes Hans W. Füth, der als kleiner, am Schrank (l. u., „ich“) stehender Junge zufällig und unerwünschterweise eine Unterhaltung von vier Damen am Tisch mithörte, in deren Verlauf die Mutter von Joseph Beuys erzählte, ihr Sohn sei in einem Straßengraben bei Geldern geboren worden (während des Umzugs der Eltern von Krefeld nach Kleve, und nicht, wie bisher gedacht in Krefeld). Sogar, wer damals wo am Tisch gesessen hat, ist verzeichnet (Lily Greven, Lili Füth, Johanna Beuys, Anna Wehren, v. o. im Uhrzeigersinn).
Erste Abbildung eines heute noch lebenden Menschen vermutlich S. 163
Beste Anekdote Rainer Hoymann erzählt, wie 1934 die Geheime Staatspolizei tätig wurde, um zugunsten des VfB 03 Kleve und gegen den SC 1863 Kleve die Fußballmeisterschaft zu entscheiden – letztlich aber erfolglos
Geschichten über Parkplätze 0
Fazit Natürlich kriegt mein Vater ihn zu Weihnachten. Mischung eindeutig besser als im Vorjahr, und alltagsnäher (in der neu hinzugekommenen Chronik wird beispielsweise dreimal der 1. FC Kleve erwähnt)
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4 Kommentare

  1. 4

    Dass die Anschuldigung „staatsfeindlicher Umtriebe“ völlig haltlos waren, bedeutet dieses im Umkehrschluß vielleicht dass die SC Anhängerschaft doch aus den treueren Parteisoldaten bestand?

    Ich würde mich jedenfalls nicht damit brüsten damals eher durch linientreue als durch staatsfeindliche Umtriebe aufgefallen zu sein.

     
  2. 3

    @KHU:
    Zur Erläuterung die Textpassage aus meinem Artikel:
    … Auch der lokale Fußball wird hiervon infiziert. „Vor dem letzten Meisterschaftsspiel
    [1934], in dem ausgerechnet der Lokalrivale VfB 03 Kleve der Gegner war, führte der
    Sportclub mit einem Punkt Vorsprung die Tabelle an. Das Derby Blau – Weiß gegen
    Rot – Weiß musste also über den Aufstieg des Sportclub entscheiden. Kurz vor dem
    Anpfiff erschien die Geheime Staatspolizei beim Sportclub – Vorstand und löste den
    Verein wegen ‚staatsfeindlicher Umtriebe` auf. Um einen Skandal zu vermeiden,
    wurde der Sportclub gezwungen, dennoch gegen den VfB anzutreten. Die Blau –
    Weißen verloren dann auch prompt 1:3. Obwohl die Gestapo in der Folgezeit bemüht
    war, durch wahllose Hausdurchsuchungen bei SC – Vorstandsmitgliedern Material in
    die Hände zu bekommen, stellte sich sehr bald heraus, dass die Anschuldigungen
    völlig haltlos waren. Niederträchtige Denunziationen aus dem gegnerischen Lager
    hatten versucht, den SC den sportlichen Erfolg streitig zu machen. Dieser schlimme
    Vorfall vergiftete das Klima zwischen den beiden führenden Klever Fußballclubs auf
    Jahrzehnte.
    Die Auflösung des SC muss zurückgenommen werden und acht Wochen nach der
    Niederlage erreichen die „Blauen“ im Wiederholungsspiel ein 0:0, was zum Aufstieg
    in die Sonderliga, der höchsten Klasse im Verband, berechtigt. Dies ist zuvor nur
    dem VfB gelungen, der jedoch 1932, mit Ende der ersten Saison, bei lediglich 4
    Punkten wieder absteigen muss. „Der alte VfB büßte immer mehr von seiner
    früheren deutlichen Vormachtstellung im Fußballsport am unteren Niederrhein ein.
    Die Abwärtsbewegung hielt bis zum Kriegsausbruch an.“ …

    Quelle u. a.: Franz Schubert, „125 Jahre Sportclub Kleve“ in Rund um den Schwanenturm, No. 2. Kleve 1988, S.
    42. Der V.f.B. 03 Kleve (Hrsg.) äußert sich zu den Vorfällen 1968: „Diese Auflösung [des Sportclubs]
    wirbelte großen Staub auf. Man wird wohl nie hinter die „Kulisse“ schauen. Es war halt eine politische
    Geheimsache. Im Sportklublager vermutete man die „Hintermänner“ beim VfB 03. Einige führende
    Persönlichkeiten waren nämlich Funktionäre bei der Geheimen Staatspolizei.“; aus: „Jubiläumsschrift
    „65 Jahre VfB „Lohengrin“ 03 e. V. Kleve“, Kleve 1968, S. 27.“

    Das von Ihnen genannte Buch „Fußball unterm Hakenkreuz“ kann ich ebenfalls nur empfehlen.

     
  3. 2

    Ja, so war das damals offensichtlich: Die Braunen auf Seiten der Roten – und gegen die (linken, vom Arbeitermilieu geprägten) Blauen. Das ist m. W. auch schon das ein oder andere Mal beschrieben worden, dazu wird der Autor sicherlich mehr wissen. Danke für den Lektürehinweis!

     
  4. 1

    Hallo Herr Daute,

    ohne dass ich den Artikel von Rainer Hoymann bereits gelesen habe (werde ich umgehend nachholen), habe ich mit der hier verkürzten Variante schon ein Problem.

    Was soll den der geneigte Leser aus Ihrer Variante schließen??? Die Gefolgsleute von Himmler, Göring etc. waren auf der Seite von VFB Kleve (den Roten?)??? VFB Kleve hatte das nötig (und es reichte trotzdem nicht!)???
    Die Gestapo war etwa unfähiger als die Stasi (s. BFC Dynamo Berlin)???
    Zu dieser ganzen Problematik gibt es übrigens ein sehr interessantes Buch („Fußball unterm Hakenkreuz“).
    In diesem Buch wird übrigens schön beschrieben, dass sehr viele Spieler von Schalke 04 der Nazi-Ideologie erlegen waren (die tragen übrigens blaue Trikots).