Picnic-Start in Kleve mit Verzögerungen, aber: Hast du auch schon Wartespaß?

Manche Kunden haben schon Lieferspaß, andere noch Wartespaß

Ist der Online-Supermarkt Picnic, der seit der vergangenen Woche auch Kunden in Kleve, Kranenburg und Bedburg-Hau beliefert, schon ein Opfer seines eigenen Erfolgs? Jedenfalls geht es aktuell in der Warteliste nur sehr, sehr langsam voran.

Wer sich in der vergangenen Woche anmeldete, bekam einen Platz jenseits der 700, mittlerweile sollen Interessenten schon im vierstelligen Bereich Plätze zugewiesen bekommen haben. Binnen einer Woche rückten die Neukunden langsam vor bis – bis aktuell auf Platz 437 in meinem Fall. Da scheint eine erste Lieferung noch in weiter Ferne zu sein.

Säße der Kunde nun in einer Behörde und hätte aus einem Automaten einen Wartezettel gezogen, es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass er schon den einen oder anderen Wutausbruch hinter sich hätte, das Amt, das System und gleich die ganze Welt verflucht hätte und in Gedanken schon dabei wäre, einen Leserbrief an die Lokalzeitung zu schreiben („unhaltbare Zustände“), und außerdem auch schon eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Erwägung gezogen hätte. Doch wir sind in der Welt der freien Wirtschaft, in der bekanntlich alles ganz anders zugeht, und in der Dinge auch einfach umgedeutet werden können. IT-Spezialisten kennen das, bei ihnen heißt es sehr einprägsam: It’s not a bug, it’s a feature. Auf gut Deutsch: Es ist kein Fehler, sondern eine besondere Eigenschaft.

Viele Einrichtungen und Unternehmen können da von Picnic lernen. Denn der sich in Geduld übende zukünftige Kunde erhält, so klärt die Website auf, ein – und jetzt bitte festhalten – „Wartespaß-Geschenk“. Pro Warte-Woche eines, der Nutzer darf sogar selbst auswählen, beispielsweise zwischen Erdbeerkonfitüre und Spaghetti. Dem für den Text verantwortlichen Schreiber gebührt höchster Respekt, denn es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, einen tendenziell sehr frustbesetzten Begriff wie Warten einfach mit dem Wort Spaß zu verknüpfen und auf diese Weise umzuwidmen.

Hey, Wartespaß!

Die Hälfte seines Lebens wartet der Mensch vergebens, hieß vor Jahren eine schöne Überschrift im Kölner Express. Anlass war eine Studie, die die Wartezeit eines durchschnittlichen Menschen aufaddiert hatte und auf einige Jährchen gekommen war. Es ist also viel Potenzial da!

Totalausfallspaß

Könnte nicht auch die Notaufnahme im Krankenhaus Wartespaß-Geschenke verteilen, Pflaster beispielsweise oder Spritzen? Auch die Kunden des RE 10 ließen sich vielleicht wieder mit ihrem Schicksal versöhnen, wenn sie am Bahnsteig kleine Gaben erhielten, beispielsweise einen ICE aus Schokolade oder eine pfiffige Schaffner-Mütze. Denkbar wäre auch ein „Totalausfallspaß-Geschenk“, ein Zelt und/oder ein Gaskocher und Brühwürfel (wer je nachts in Geldern gestrandet ist, kann sich die leuchtenden Augen gut vorstellen).

Schmerzspaß

Dabei fällt mir ein, dass ganz in den Anfängen meiner journalistischen Laufbahn, als ich für die Rheinische Post der Eröffnung eines Seniorenheims beiwohnen durfte, der mit der Einsegnung beauftragte Pfarrer die Einrichtung als „Wartesaal zum ewigen Leben“ bezeichnete. Auch das geht ja tendenziell eher in Richtung Wartespaß – und weniger in Richtung: Wir behalten dich hier, bist du tot bist.

Der Urgrund dieser Idee dürfte vermutlich im Bereich Sadomaso liegen, Stichwort: Schmerzspaß.

Untergangsspaß

Doch das ganze Konzept ist sehr ausbaufähig. Die AfD beispielsweise ist ganz eindeutig eine Untergangsspaß-Partei. Die Mitglieder haben bekanntlich den ganzen Tag gute Laune, weil Deutschland auf den Ruin zusteuert. Die aktuell hohen Prozentzahlen der Partei in Wahlen und Umfragen sind nichts anderes als Wartespaß-Geschenke für den Untergang. Auch privat lässt sich die Idee bestens einsetzen: Wenn im Restaurant die Rechnung kommt, ist es doch eigentlich ein Bezahlspaß, oder? Wenn eine Beziehung in die Brüche geht, handelt es sich nicht mehr um ein betrübliches Fiasko, zumindest dann nicht, wenn Parship.de den Betroffenen ein Scheidungsspaß-Abo zukommen lässt. Und wenn der Kühlschrank leer ist, weil Picnic immer noch nicht geliefert hat, setzt im Grunde ganz schnell der Hungerspaß ein.

Hey baby, it’s a fun world!

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16 Kommentare

  1. 16

    Ein Produkt bestellen und dann am Ende plus drei, vier … Wartespaß-Geschenke bekommen?

    Ich möchte auch das nicht. Überhaupt ist es mir zu privat, wenn mir Dinge bis an die Haustür geliefert werden (nur wenn es nicht anders geht). Wenn ich mitkriege, was der (freundliche) Bofrost-Mann schon so alles über meine Eltern (und ihre Lebenssituation) weiß…

     
  2. 14

    @12 natürlich werde ich auch weiterhin ohne diesen „Service“ überleben, aber man ist ja auch für was Neues offen. Nur wenn die Warteliste sich in 26 Stunden um ganze 2 Plätze verringert, dauert es wohl bis Ostern, bis ich mein Wartegeschenk (5 Bananen) in Empfang nehmen könnte. Da fahre doch lieber weiterhin mit dem Rad zu den üblichen Geschäften in Kleve.

     
  3. 13

    Willst du lieber 3 Wochen warten bis Picnic deine Bestellung liefern kann? Oder 3 Wochen auf der Warteliste bist du überhaupt was bestellen kannst?
    Wenns dir nicht schnell genug geht dann meld dich in einer Großstadt an und äbder dann deine Adresse. Vielleicht klappt das ja.

     
  4. 12

    @ 10 & 11
    Bislang habt ihr auch ohne Picnic überlebt ?. Warum gebt ihr den Start-Up keine Chance?

    Es ist doch für scheinbar für viele Mitbürger interessant und mit der aktuellen Resonanz hat vielleicht auch der Betreiber nicht gerechnet?

    Aber da ist er wieder, der clevere Klever: SOFORT oder garnicht!!!!

     
  5. 11

    Nach 26 Stunden bin ich 2 Plätze hoch gerutscht auf Warteplatz 1697….App also gelöscht

     
  6. 10

    Ich stand auf Warteliste weit über 1000. Habe die App sofort wieder entfernt. Was soll der Quatsch.

     
  7. 9

    Platz 482. Sah einen Wagen heute mit wehmütigem Blick drei Häuser weiter in meiner Straße stehen. Freue mich jedenfalls schon unfassbar auf die Bonne Maman Erdbeer Konfitüre!

     
  8. 7

    Tja…

    Immerhin muss man sich beim Warten nicht in den Nacken husten lassen…

    Aber wer etwas dringend braucht, muss dann wohl doch raus.

    So, und nun stelle man sich vor, es gäbe keinen stationären Supermarkt mehr und es wäre Krisensituation oder ein Bagger hat das Internetkabel durchgeschnitten…

    Toilettenpapier wäre dann zumindest besser kontrollierbar. Keiner kriegt mehr was.

     
  9. 5

    Ich selber bin auf Platz 489, ich weiß aber, dass schon Leute die Warteliste frühzeitig nach oben verlassen haben und somit auf weiteren Wartespaß verzichten mussten.

    Erstaunlicherweise scheint es auch keine Warteschlange im klassischen Sinne zu sein, da betroffene Person sich nach mir registriert und bereits die erste Lieferung erhalten hat.

    Ich unterstelle mal, dass das Liefergebiet zufällig genau zwischen unseren beiden Wohnungen endet 🙂