NEOWISE über CLIVIA

So schön kann Restmüll sein: Der Schweifstern NEOWISE am nächtlichen Himmel über Kleve (Foto: Christof Iserlohe)

Streng genommen, handelt es sich bei Kometen – der Name kommt bekanntlich von altgriechisch κομήτης, komḗtÄ“s, („Haarstern“), abgeleitet von κόμη, kómÄ“, („Haupthaar, Mähne“) – um kosmischen Restmüll, allerdings illuminieren die oft nur wenige Kilometer messenden Klumpen aus Gestein und Eis, die bei der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind, den nächtlichen Himmel aufs Prächtigste, wenn in der Phase der Sonnennähe (Perihel, wie der Fachmann sagt), die Ausgasungen dazu führen, dass der Drecksbrocken einen prächtigen Schweif hinter sich her zu ziehen scheint. So lange NEOWISE, wie der aktuell den Himmel durchsausende Komet, also zu sehen ist, sollte man sich selbst ein wenig der sicher wohlverdienten Nachtruhe berauben und den Blick nach NNO richten, wo er am Sternbild Ursa maior scheinbar gemächlich seine Bahn zieht. In Wahrheit ist er natürlich pfeilschnell, mit 77,6 Kilometer pro Sekunde schießt er durchs All. Übertragen auf die irdischen Verhältnisse, könnte man sagen, er fliegt in weniger als zwei Sekunden von Kleve nach Köln. Weiter von der Sonne entfernt (Aphel) kann es aber durchaus gemütlicher zugehen, da bringen Kollegen von NEOWISE beispielsweise nur 0,9 km/s auf den Tacho. Müssen wir noch was zum Schweif wissen? Ich denke ja. Wie lang mag er wohl sein, ist die Frage. Unsereins, im Schätzen ein Meister, denkt, einige tausend Kilometer. Man sieht ja ganz gut was, obwohl er ziemlich weit weg ist. Dann Wikipedia: „[Der Schweif] kann aber bei großen und sonnennahen Objekten eine Länge von mehreren 100 Millionen Kilometern erreichen. Meistens sind es aber nur einige 10 Millionen Kilometer.“ Oha. Wer NEOWISE verpasst, wird ihn vermutlich nicht wiedersehen (eine metaphysische Erwägungen beiseite gelassen): Erst im Jahr 8850 kommt er erneut in unsere Gefilde. Kann aber auch bis zu 285 Jahre früher oder später sein, also lieber nicht in den Jahresplaner eintragen.

Fun Fact: Warum wissen Sternefreaks, dass sie den Brocken in ihrem Leben nicht wiedersehen werden? Sie erkennen es am astronomischen Originalnamen: C/2020 F3. Das C steht für Umlaufbahn > 200 Jahre!

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3 Kommentare

  1. 3

    Restmüll
    estmüll
    stmüll
    tmüll
    müll
    üll
    ll
    l

    am Himmel ist besser als Mikroplastik im Meer.

     
  2. 2

    Komet

    Ein weisser Schweif dringt aus dem fernem All
    In dunkler Nacht in unsre kleine Kleverwelt,
    Und sprühet Hoffnung! Tod! Vom Himmelszelt
    Du drohend Angesicht von einem schönen Lichterball

    Die Schwanenburg lauscht schweigsam mit der Macht
    Der Ewigkeit, die in den Fenstern scheinet!
    Sie steht wie Ritter hoher Welten auf der Wacht
    Ruft mahnend in das flache Land, das träumt, das weinet.

    Der schweifend Todesengel wird bald stürzen ins Gemäuer!
    Doch schwarz schweigt steinern das Gewölbe
    Wo klingt Schrei der Urzeit und der Sternenruf von neuen Zeiten.
    Oh Lichtball, flammend, wie ein Feuerspiel von Weiten

    Du Vogel eines neuen Weltenfrühlings, gleitend Schwalbe
    Du schöner Anblick, oh wie heilig, teuer!
    Du Sternenbruder unsrer starken Burg, du Bild der Ewigkeit!
    Du Todeskuss mit Schwanensang, du Lied von neuer Zeit!

    Amsterdam 21.7.2020

     
  3. 1

    Ein Schweif von einigen tausend km wäre aber auch bei seiner Entfernung von einigen Mio km gerade einmal ein paar Pixel auf Netzhaut oder Digitalkamera.
    Ãœbrigens, die Geschwindigkeiten gelten auch nur bei geostatischer (sprich Betrachtungsstandpunkt Erde.
    Aber was wir nicht spüren, ist, dass die Erde selbst mit zwei Millionen km/h durch den Weltraum saust. Dabei umkreist sie die Sonne, die mit ihrem ganzen Gefolge wiederum das Zentrum der Milchstraße umkreist, die sich ja ihrerseits durch den Weltraum bewegt.
    Ganz schön kompliziert, und so wissen wir noch garnicht so genau zu sagen, ob Neowise im Jahre 8850 in unsere Gefilde, oder wir in die Gefilde des Neowise kommen.
    Jedenfalls bei den Sternenregen der Perseiden und Leoniden, von denen ich gelernt hatte, dass die im Juli bzw. im November unsere Erde besuchen, habe ich mich schon vor langer Zeit belehren lassen, dass die nicht zu uns, sondern wir zu denen kommen.
    Noch eine Zahl: mit durchschnittlich knapp 30 Kilometern pro Sekunde (108 000 km/h) umkreist die Erde im Laufe eines Sonnenjahres die Sonne.
    Da macht es doch keinen echten Unterschied, ob man sich nun mit 30 km/h oder mit 100 km/h durch die Fussgängerstrasse bewegt 🙂