Jedes Jahr die gleiche Frage: Warum ist die Materborner Kirmes so viel besser?

So kennt man's: Kirmes in Materborn 2024

(Aktualisiert) Ganz Kleve trifft sich, aber nicht auf der Kirmes, die den Namen der Stadt trägt und eines der größten und mit neun Tagen auch längsten Volksfeste am Niederrhein ist, sondern exakt eine Woche später in einem Vorort – in Materborn. Und jeder weiß: Das ist die eigentliche Klever Kirmes. Doch was hat Materborn, was Kleve nicht hat? So einiges…

Kleve hat zwar ein Kirmesareal, aber das ist halt einfach nur ein umfunktioniertes Gebilde aus zwei Parkplätzen am Rande der Innenstadt, ohne jede Anbindung ans echte Leben. Wenn man so will, ein Getto zum Feiern. Materborn pflanzt das Volksfest mitten in den Ort, zwischen Kirche und Dorfkneipe, und schon die Platzierung macht es gleich zu einem Fest mit „Seele“. Ob die Klever Kirmes mehr Flair hatte, als sie noch am Heideberg stattfand, sei dahingestellt. Tatsache ist halt, dass Kleve keinen einzigen gescheiten zentralen Platz hat.

Kleve hat kein Festzelt. Die Kirmes ist auch nicht mehr an ein Schützenfest gekoppelt, immerhin vermittelt der Schützenumzug zur Eröffnung am Samstag noch eine Ahnung der Ursprünge des Volksfests. Materborn hat zwar auch kein Festzelt, aber immerhin einen Fallschirm, den Gastronom Volker Lenz jedes Jahr über dem Platz hinter seiner Kneipe aufspannen lässt. Schutz vor Regen bietet der zwar nicht, schafft aber etwas Heimeligkeit.

Kleve hat zwar den „Durstlöscher“ der Familie Janßen als Graviationszentrum, allerdings wird die Anziehungskraft nur sehr ungleichmäßig ausgeübt. Der wichtigste Tag in Kleve ist der Donnerstag, an dem sich tout le monde dort versammelt, insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen und Behörden, die sich traditionsgemäß an diesem Tag dort treffen. An anderen Tagen versammeln sich die feiernden Menschen zwar auch dort, aber die Menschenmassen verlaufen sich auf dem Gelände und sind plötzlich auch wieder weg – denn sie haben keine Biermarken in der Tasche, die zu Anfang in Erwartung großen Durstes und vieler Begegnungen gekauft werden und dann auch tapfer, mitunter gegen jede Vernunft, abgetrunken werden. In Materborn gibt’s beim Dorfkrug Biermarken (20 Stücke 46 Euro), und dann ist der Besucher erst mal gefangen. Der Durstlöscher ist natürlich auch in Materborn – und die Stimmung dort ist besser als auf der Klever Kirmes. Doch das Epizentrum des Volksfests ist der Ratskrug, insbesondere mit kostenlos benutzbaren Toiletten (Kleve: 1 Euro!), die der Verursacher der Flut halt verantwortungsvoll bereitstellt. Die Materborner Kirmes dauert zwar nur vier Tage (Samstag bis Dienstag), hat aber zwei Tage, an denen sich jeder dort blicken lässt (Samstag und Montag (also heute)).

In der Klever Kirmes gibt es auch nur Musik aus der Konserve. Die Spotify-Playlist Volksfest 2024 lässt grüßen, natürlich mit aktuellen Hits und nicht das schlechteste, aber was ist das schon vom Charme her gegen eine Handvoll in die Jahre gekommener Musikinstrumentenbeherrscher, die auf einer vier mal drei Meter großen Bühne stehen und von dort aus zuverlässig mit der Ekstase von Tina Turner oder Bruce Springsteen die Hits der vergangenen 40 Jahre nachspielen – wobei die Band am Samstag zum ersten Male in der Geschichte meiner Besuche dort nicht „Tausendmal berührt“ von Klaus Lage spielte. Diesmal ist also tatsächlich nix passiert. Gegen 1 Uhr musste der Bandleader darum bitten, dass das Leergut von der Bühne geräumt wird, sonst könnte sich beim Abbauen jemand an den Scherben verletzen – that’s Kirmes! Man weiß nicht einmal, wie die Band heißt, aber gut ist der Auftritt ohnehin, selbst wenn zuverlässig wie vom Ansageband der Bandleader um halb zwei darauf hinweist, dass „die Gesetze“ verhindern, dass man noch länger spielen darf und die Veranstalter doch „in Frieden mit den Nachbarn“ leben wollen. Aber der Zapfenstreich um zwei Uhr verhindert auch grundsätzlich Schlimmeres. „Nothing good happens after 2 AM“ (How I met your mother).

Ergänzend sei hinzugefügt, dass am Montag zum ersten Mal keine Band spielte, sondern der aus der einstigen Discothek World Center bekannte DJ Oliver, der eine faszinierende Mischung von Hiphop bis Helene Fischer zusammenstellte, die das jüngere Publikum verlässlich in seinen Bann zog. Tausendmal berührt lief deshalb auch am Montag nicht, bzw. erst zu früher Morgenstunde im Ratskrug selbst.

Letzter Faktor: das Wetter. Das Phänomen ist noch nicht vollständig erforscht, aber zur Klever Kirmes ist das Wetter in der Regel schlecht. Immer. Der Schützenumzug bahnte sich in diesem Jahr seinen Weg durch Regenschauern, auch an anderen Tagen war es sehr uselig, der Wind pfiff durch die Sitzgruppen des Durstlöschers. Aber schon eine Woche später hat sich das Blatt verlässlich gewendet: Wenn Materborn einlädt, ist praktisch immer Hochsommer, wie er im Buche steht.

Wir sehen uns!

Deine Meinung zählt:

15 Kommentare

  1. 15

    „Nothing good happens after 2 AM“ (How I met your mother).
    „um 3 Uhr Nachts passiert nichts Gutes mehr“ (K.I.Z. Görlitzer Park/Samstag ist Krieg)

     
  2. 14

    Ich gönne jedem sein Volksfest, aber die Beschallung der Oberstadt (auch nach 22 Uhr) und das abschließende, vollkommen unnötige Feuerwerk (ab 22:45 Uhr) empfinde ich als absolut störend. Das hat der Vorgänger besser geregelt.

     
  3. 13

    @ Irma Jansen – 7 –
    …mit dieser lautstarken Rückschtslosigkeit nimmt der „Vollblutgastronom“ – lt. Kommentar no. 8 –
    vermutlich etwas mehr Geld als sein Vorgänger Herr Gietemann ein.
    Herr Gietemann hat sich an die nächtlichen Ruhezeiten orientiert, indem er
    die Lautsprecherboxen nicht zur Straße ausrichtete. Außerdem hat er die Lautstärke ab 22:00 h
    um jede weitere Stunde etwas reduziert. Diese Dinge werden durch Vorgaben geregelt lt. Emmisionsschutzgesetz …

     
  4. 11

    Die Klever Kirmes ist mit dem Umzug in die Unterstadt „gestorben“. Auch fehlen mir die altbekannten, nicht mehr existenten Kneipen früherer Zeiten.
    Materborn ist überbewertet…finde ich (da lebt aber noch der Kultfaktor).

    Die goldenen Zeiten der Kirmes zwischen 85 und ca. 95-98 in Kleve, Kellen, Rindern, Materborn, Schneppenbaum, Hasselt nicht zu vergessen, sind scheinbar/wahrscheinlich vorbei.

    Und noch ein Faktor…Backfisch 6-7 Euro usw.
    Kirmes ist zu teuer … geworden
    In Zeiten wo ich für die Nebenkosten soviel los bin, wie für die halbe Miete-spare ich mir die Kirmes.

     
  5. 10

    Sehr schön auszumachen ist das m.E. hausgemachte Kleve-Dilemma, weit über die Platzierung der Kirmes hinausgehend, im Vergleich zu Kevelaer.

    Kevelaer, ist m.E. die Perle am Niederrhein, was die Gestaltung von Plätzen, öffentlichen Räumen, Aufenthaltsqualität, die Qualität der Restaurants, ja sogar die gute Laune, die betont auf den Gast ausgerichtete Haltung der Bedienungen anbelangt.

    Die Kirmes findet in Kevelaer auf dem Peter-Plümpe-Platz statt. Sie erstreckt sich bis an den Roermonder Platz (Alt Derp). Die Kirmes bildet sozusagen ein Bestandteil in der obligatorischen kleinen Spazier-Runde, die man rund am Zentrum entlang durch Kevelaer sehr gut machen kann. Gleich an zwei Punkten dockt sich die Kirmes-Fläche an die Innenstadt an. Es ist ein fließender Übergang ohne „Dead End“.

    Kleve? Eigentlich müsste hier das Kirmes-Geschehen nach diesem Verständnis auf den Minoritenplatz, zwischen Koekkoekplatz und den Opschlag verlegt werden.

     
  6. 5

    Mal eben ! Materborn Kirmes Historie 🤫 Für den „ECHTEN“ Klever ☝🏼 MIT STIL 😳 fing in Materborn der Balkan an ,aber da war auch noch Kellen Kirmes 🙄 Unwürdig 🥶 für die nach WKII Klever Kirmes begattende Klever Schickeria. 😂 Aber es ist schön ,Zeiten ändern sich. 😳 👍🏼 🍻

     
  7. 2

    Ich mochte die Kirmes in Materborn auch immer lieber als die in „Kleve ZentruM“

     
  8. 1

    Es ist ein seit Jahrzehnten ungeschriebenes meteorologisches Gesetz: Zur Materborner Kirmes regnet’s nicht! Zur Wahrheit gehört aber auch: Sie hatte einst schon wesentlich langweiligere Austragungsorte, etwa neben dem einstigen Schweizerhaus und hinter der Anna-Kapelle. Den wahren Charme gewann sie erst durch ihre Ansiedlung um das Epi-Zentrum Dorfkrug.