Fun Garden: Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Das Urteil war ebenso klar wie ausgewogen – und es hat das Potenzial, in ganz Deutschland das Geschäft mit der käuflichen Liebe zu erschüttern. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kleve unter Vorsitz von Richter Christian Henckel verurteilte gestern den Bordellbetreiber Esed D. (53) aus Emmerich zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, seine Lebensgefährtin muss für zwei Jahre und sechs Monate hinter Gittern. In der Begründung zeichnete das Gericht ein Bild von Deutschland als Gesellschaft mit beschränkter Haftung – keiner will es so genau wirklich wissen, vom Finanzamt bis zum Freier. Und das auf Kosten junger Mädchen, denen das Blaue vom Himmel versprochen wird.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass D. sich des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung schuldig gemacht hat. Auch die Förderung dieses Delikts hielt es für gegeben. Zudem gab es mehrere Einschleusungstatbestände. Dann war da noch Steuerhinterziehung in großem Ausmaß – und schließlich in 79 Fällen das Vorenthalten von Arbeitsentgelten. Olga G. sah das Gericht lediglich in der Rolle einer Helferin, die bei einigen Delikten unterstützende Dienste geleistet habe. Sie blieb im Gegensatz zu ihrem Lebensgefährten auch auf freiem Fuß.

Was die Folgen des Urteils angeht, war die Analyse des Beschäftigungsverhältnisses der Prostituierten entscheidend. „Die im Betrieb beschäftigten Prostituierten waren Arbeitnehmerinnen“, so Richter Henckel in der mündlichen Urteilsbegründung. Und sie waren eben nicht, wie von der Betriebsleitung vorgegaukelt, „selbstständige Unternehmerinnen“.

Akribisch listete das Gericht Merkmale auf, die dagegen sprachen – vom fehlenden unternehmerischen Risiko über nicht vorhandene eigene Kundenakquise bis hin zum Schichtplan. Henckel: “ Der Höhepunkt jedoch ist – sarkastisch und entlarvend zugleich – der [im Bordell aushängende] Hinweis: ,Die Damen haben sich auf bestimmte Preise verständigt.` Das ist schlicht gelogen.“ Es sei regelrecht eine Show abgezogen worden, mit der der Sachverhalt des Beschäftigungsverhältnisses vorsätzlich verborgen werden sollte.

Bordellbetriebe, die mit einem vergleichbaren Geschäftsmodell arbeiten, dürfte das Urteil vor erhebliche Probleme stellen, da es die Kalkulation solcher Betriebe in den Grundfesten erschüttert. Die Verteidigung hatte bereits einige Betriebe in der Region genannt, die ähnlich auftreten – woraufhin sich Staatsanwalt Hendrik Timmer für die Ermittlungsanregungen freundlich bedankte.

Bei den Zahlen, die das Gericht in dem Urteil ansetzte, dürfte wohl einigen der rund 30 Zuhörer im Saal A110 der Klever Schwanenburg schwindlig geworden sein. Demnach waren in den Jahren 2005 bis 2011 im Fun Garden (bzw. im Vorgängerbetrieb Villa Auberge) zwischen 700 und 1000 Prostituierte tätig, die einen Umsatz von fast 10 Millionen Euro erwirtschafteten. Es seien weit über 60.000 Kunden bedient worden.

Die Kammer ging davon aus, dass insgesamt aus verkürzten Steuern und nicht gezahlten Abgaben ein Schaden von rund 4,1 Millionen Euro entstanden ist. Unter anderem seien hinterzogen worden: 900.000 Euro Umsatzsteuer, 825.000 Euro Lohnsteuer sowie 1,9 Millionen Euro Sozialabgaben.

Von den Fällen des Menschenhandels, die ursprünglich breiten Raum in der Anklage einnahmen, hatten nach Ansicht der Kammer nur der der Laura-Linda S. sowie der mit der ungarischen Zuhälterin „Big Mama“ Bestand. Somit ging das Gericht dort auch nicht mehr von einem gewerbsmäßigen Vorgehen aus. „Ein System von Menschenhandel hat sich nicht erkennen lassen“, so Henckel.

Es zog in der Urteilsbegründung aber ausgerechnet einen Satz einer Zeugin heran, die sich im Prozessverlauf als zumindest in Teilen unglaubwürdig herausgestellt hatte. „Ich war doch erst 18“, hatte die Ukrainerin gesagt. Und dies bleibe auch wahr: „Sie war doch erst 18.“ An diesen Satz knüpfte das Gericht einige grundsätzliche Bemerkungen zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen das Prostitutionsgewerbe gegenwärtig stattfindet.

Das wiederum führte die Kammer auch zur Rolle der Behörden. Der Sachbearbeiterin des Gewerbeamtes Emmerich, das massenhaft die Gewerbescheine als Tänzerin oder Hostess ausstellte, attestierte sie kein individuelles Verschulden, da sie keinen großen Ermessensspielraum gehabt habe. Aus den Zollkontrollen wiederum, die ohne Beanstandung abliefen, hätten die Angeklagten keinen Anspruch darauf ableiten können, dass man sie davon abhält, Straftaten zu begehen.

Eine heftige Schelte hatte das Gericht hingegen für die Finanzverwaltung parat. Diese besteuerte den Fun Garden nach dem so genannten Düsseldorfer Verfahren – dies hielt das Gericht für einen Bordellbetrieb für „vollkommen falsch“, zudem verletze es die Würde der Prostituierten. Man könne von einem gewissen Mitverschulden sprechen.

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18 Kommentare

  1. 18

    aus dem JustizPortal :
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    Amtsgericht Kleve, Aktenzeichen: 39 IN 15/13
    In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen
    der im Register des Amtsgerichts Kleve unter HRB 11753 eingetragenen Fun-Garden-Star GmbH, Tackenweide 22, 46446 Emmerich am Rhein, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Gil Benny Tegeler
    Geschäftszweig: gewerbliche Zimmervermietung mit Getränkeausschank
    ist der am 28.05.2013 bei Gericht eingegangene Antrag einer Gläubigerin vom 24.05.2013 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 08.11.2013 mangels Masse abgewiesen worden.
    Amtsgericht Kleve, 08.11.2013
    ### ### ###

    # Geschäftszweig: gewerbliche Zimmervermietung mit Getränkeausschank #

    aha, SO heißt das 😉

     
  2. 17

    Lieber Andreas,

    vielen Dank für Ihren Beitrag. Es ist ja wohl bekannt, dass insbesondere viele Frauen aus Osteuropa
    gegen ihren Willen in diesem Gewerbe versklavt werden. Dass sich hier ein Nutzer dieser kriminellen
    Einrichtungen auch noch äußern darf, ist unerträglich. So eine Sch… gehört verboten. Widerlich.

     
  3. 16

    @ 15. Der Laie :
    Es besteht noch „Hoffnung“ :
    ### Ungeachtet der verhängten Haftstrafen läuft der Betrieb an der Tackenweide übrigens weiter. Das Bordell hat nach wie vor geöffnet. ###
    vermutlich auch ungeachtet der Insolvenz.

     
  4. 15

    @ Martin Fingerhut
    Da wird der Kämmerer der Stadt Emmerich aber traurig sein,fällt doch jetzt der größte Steuerzahler seiner Pimper Steuer weg.

     
  5. 13

    Lieber Bordellbesucher,
    ja, es mag durchaus auch freiwillig in dieser Branche arbeitende Prostituierte geben.
    Ich gebe aber zu bedenken, dass auch Sie nicht hinter jede Fassade geschaut haben werden,
    denn oftmals stehen hinter dem Bekenntnis der Freiwilligkeit massive Drohungen.
    Das sich viele Männer und Frauen im Laufe der Zeit mit ihrer Situation zu arrangieren versuchen, das ist eine natürliche Schutzreaktion der Psyche.
    Sie schreiben von Ausnahmen, die nackte Realität stellt sich anders dar.
    Wie in jeder anderen Tätigkeit auch, macht es sich nicht gut, wenn der „Dienstleister“ gegenüber dem „Kunden“ seinen Unmut äußert – und selbstredend erst Recht nicht, wenn jemand in diesem Gewerbe von Zwang oder Druck spricht.
    Es mag ja immer wieder vorkommen, dass Angestellte vor ein Gericht ziehen weil sie sich unfair behandelt, gemobbt oder in welcher Form auch immer von Ihrem Arbeitgeber nicht verstanden fühlen, weil es Probleme mit Kolleginnen und Kollegen gibt und der Arbeitgeber nicht einschreitet und und und.
    Gemessen daran müsste es im Rotlichtgewerbe echt kuschelig zugehen, Respekt — ist aber Illusion, eine wie auch immer geartete Phantasie.
    Was mit Prostituierten passieren kann welche sich beschweren, dass ist doch auch Ihnen nicht verborgen geblieben, oder?

     
  6. 12

    Für diesen Kommentar muss ich mal meinen Nick ändern, da ich zu sehr aus dem Nähkästen plaudern werde.

    Fünf Jahre lang war ich regelmäßiger Bordellbesucher; eine Zeit lang war ich sogar mit einer Prostituierten quasi liiert. Aus meinen Erfahrungen kann ich allen Lesern garantieren, dass sich keine der mir bekannten Frauen aus Not der Prostitution hingegeben haben. Ich war Stammkunde der Villa Auberge und auch in anderen Bordellen gern gesehener Gast. Für die dort tätigen Frauen war dies ein regulärer Job, den sie angenommen haben, weil er sehr viel Profit verspricht.

    Ich weiß nicht, wie es auf dem Straßenstrich zugeht, aber in den „offiziellen“ Etablissements mird man m. E. keine Frau finden, die mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis und dem zu erzielendem Gewinn nicht einverstanden wäre.

    Was ich aber nicht ausschließe ist die Tatsache, dass Bordellbesitzer gerne die soziale Verantwortung (Steuern und Versicherung) auf die Prostituierten als angebliche Selbständige abschieben wollen.

    Aber das ist kein alleiniges Phänomen der Prostituion. Scheinselbständigkeit wird seit Jahren in ALLEN Bereichen der Wirtschaft bekämpft und verurteilt.

     
  7. 11

    So what?
    Mal ganz im Ernst: Da werden sage und schreibe ZWEI Menschen vor Gericht gestellt und es wird in vielen unterschiedlichen Punkten Anklage erhoben.
    Das die öffentlichen Stellen beide Augen so fest zugedrückt haben, dass es weh getan haben muss … findet sich als nicht weiter erwähnenswerte Randnotiz.
    Prostitution ist nicht gleich Prostitution. Die wenigsten Menschen verkaufen ihren Körper aus freien Stücken. Ausnahmen bestätigen die Regel, bleiben aber AUSNAHMEN.
    Wenn ich jetzt auch nur ansatzweise erläutern würde, wie man meiner Meinung nach die Prostitution und deren Randerscheinungen ein klein wenig eindämmen könnte … man würde mich im besten Fall als bemitleidenswerten Untermenschen bezeichnen, denn dazu müsste man gesellschaftlich sehr viel bewegen, mit Schmerz und Verlust.
    Aber andersrum: Warum florieren denn Bordelle? Weil der Kunde/die Kundin dort für Geld eine wie auch immer geartete Illusion geboten bekommt. Nein, nicht nur Frauen prostituieren sich und ja, es gibt auch männliche Prostituierte mit weiblichen Kunden – und auch diese tun dies bestimmt nicht nur deshalb, weil es ihnen so gut geht und sie den Kick suchen.
    Die Niederländer (zumindest der Teil der sich öffentlich engagiert) haben das Problem auch nicht im Griff, sind aber sehr darauf bedacht, die Ausbeutung nach besten Kräften zu bekämpfen – mit dem Ergebnis, dass der Anteil der niederländischen Freier im deutschen Grenzgebiet deutlich überwiegt. Warum? Vielleicht weil die Niederländer die Prostitution versachlicht haben, durch regelmäßige Kontrollen den Menschenhandel eindämmen, einen schärferen Wind ins Gewerbe treiben und im Ergebnis auch die Preise hochtreiben.
    Das machen die Niederländer nicht nur im Rotlicht, das passiert ganz gewollt und absolut bewusst auch im „normalen“ Arbeitsleben … aber okay, das ist ein anderes Thema.
    Es gibt Gegenden in Schland, da wünschen sich die Politik und auch der verlängerte Arm der Staranwaltschaft die „guten, alten Luden“ zurück, denn der Großteil der (Zwangs-)prostitution wird mittlerweile von nicht deutschen Menschen kontrolliert. Ob nun der Hamburger Kiez, das Frankfurter Rotlichtviertel oder die „Dorfbordelle“, es herrscht „Rassentrennung“. Das international agierende Verbrechen regiert das Milieu, und das ist alleine schon deshalb nicht gut, weil die deutschen Ermittlungsbehörden dort keine Informanten finden, keine Ecken und Kanten wo sie ansetzen und aktiv werden können und letzten Endes jede Form einer wie auch immer gearteten Kontrolle unmöglich wird.
    Wenn dann noch dazu kommt, dass die Familien der Zwangsprostituierten mit dem Leben bedroht werden und die Zusammenarbeit der deutschen Behörden mit den lokalen Instanzen der Heimatländer der Zwangsprostituierten schleppend bis überhaupt nicht funktioniert, wie sollte man diese Menschen dazu bewegen, sich zu offenbaren?

     
  8. 10

    @8. Heinz Goertz

    Zusatz zu 9.

    „Sind Frauen von dieser Sache nicht betroffen?“

    Meinen Sie eventuell damit, dass sich die Frauen, deren Ehemänner oder Freunde, denen Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein entgegengebracht wurde, die sich dort „vergnügten“, melden sollten?

    Eventuell diese Frauen zu Hause, die nachhaltig, ohne Verantwortungsbewusstsein der Besucher, gesundheitlicher Gefährdungen ausgesetzt wurden…….denn die dort arbeitenden „Tänzerinnen“usw. wurden meines Wissens keiner regelmäßigen, offiziellen Gesundheitskontrolle unterzogen.

    Was mich noch erschüttert, dass den Besuchern das alles egal war und ist.

     
  9. 9

    @8. Heinz Goertz

    Richtig, es geht nicht um die Prostitution im allgemeinen, das meinte ich auch nicht in meinem Kommentar.

    Sondern die Menschenverachtung, Beraubung der Menschenwürde und -freiheit, Demütigung und die Duldung.

    Dann nach vielen Punkten….. kommt dazu die Steuerhinterziehung.

     
  10. 8

    Von 2005 bis 2011 60.000 Kunden. Also 10.000 jährlich. 10.000 Kunden geteilt durch etwa 300 Arbeitstage macht
    33 Kunden täglich. Das ist nicht viel.
    Prostitution hat es in der Menschheitsgeschichte immer schon gegeben. Denken sie an die Ausgrabungen in Pompeji und Ephesus. In der rekonstruierten Hafenherberge im Archäologischen Park in Xanten fehlt noch ein schlüssiger Befund.
    Also:
    Prostitution ist etwas alltägliches. So tun, als wäre dort ein Sodom und Ghomorra aufgedeckt worden, halte ich für scheinheilig.
    Was zu einem Aufschrei der Entrüstung anlass gibt, ist die Tatsache, dass hier Mädchen/Frauen gegen Ihren Willen dazu gezwungen werden. Das den Frauen das Geld für ihre „Arbeit“ gestolen wird, … Irgend wie alles schmuddelig, halblegal, illegal, …
    Mich wundert, dass sich hier nur Männer melden. Sind Frauen von dieser Sache nicht betroffen?

     
  11. 7

    @ 5. Fisch :
    Daß mich so eine MenschenVerachtung empört,
    ich kaltSchnäuzige AusBeutung verachte,
    halte ich für normal, sprich : nicht bloggensWert.
    Allerdings spüre ich auch eine gewisse „AbHärtung“,
    spätestens seit “ in cold blood “ von Truman Capote,
    der einen 4fach Mord 1959 rekonstruiert.

    PS :
    Im #4. gab es keine zusammenGesetzten Worte,
    deshalb keine „BinnenMajuskel“.

     
  12. 5

    @4. Martin Fingerhut

    Das finde ich gut, dass Sie zumindest reagieren (in einfacher Schreibweise), obwohl ich niemanden persönlich meinte!!!

     
  13. 4

    @ 2. Fisch :
    Falls Sie meine voluminösen Kommentare vermissen :
    Sorry, hier muß ich passen.
    Konzentriere mich auf das, wo ich mich auskenne.

     
  14. 2

    Wo bleiben die, zu anderen Themen oft voluminösen und erschütternden Kommentare?

    Oder hat der Bericht sprachlos gemacht?

     
  15. 1

    Die Tatsachen und Zahlen in so einem „kleinen Landbordell“, machen sehr nachdenklich, in welche niederen sozialen Strukturen ohne Verantwortungsbewusstsein, die Menschheit abgerutscht ist.