Franz Schubert 1939-2009

Er war die wandelnde Wikipedia des rheinischen und niederländischen Amateurfußballs – am Dienstag ist Franz Schubert im Alter von 69 Jahren gestorben. Vor seiner Zeit: Einer wie er hätte mindestens 90 werden sollen, plus Nachspielzeit, versteht sich.

Ich kannte Franz Schubert seit 1984, als meine Reporterlaufbahn in der Sportredaktion der Rheinischen Post in Kleve begann. Bei meinem ersten Außentermin, einem Radrennen in Kellen, entging ich beim unachtsamen Wechsel der Straßenseite nur knapp einer Kollision mit dem führenden (und blitzschnell reagierenden) Fahrer, was mich eindeutig für höhere Aufgaben qualifizierte, und so fand ich mich schon bald an der Seitenlinie diverser Fußballplätze im Kreisgebiet wieder. Damals sprachen alle nur voller Ehrfurcht von Franz Schubert.

Warum, erfuhr ich irgendwo in Straelen, wohin der NRZ-Kollege mich in seinem auberginefarbenen Ford Sierra mitgenommen hatte (Äußerlichkeiten waren ihm herzlich egal, wie er mit der Wahl des Wagens demonstrierte. Vielleicht war der Wagen aber auch weiß und der BMW des damaligen NRZ-Sportchefs Hans-Gerd Schouten hatte diese unmögliche Farbe). Gut, wir standen also an der Seitenlinie und der Stadionsprecher gab die Mannschaftsaufstellung durch. Mit Mühe schaffte ich es, die 22 Namen rechtzeitig und untereinander aufzuschreiben. Dann warf ich einen verstohlenen Blick auf Schuberts Notizblock. Oje! Ich nichtsahnender Novize!! Franz Schubert hatte in Windeseile aus den Namen die taktischen Aufstellungen à la 4-4-2 gebastelt. Heimlich begann ich abzumalen. Ojeoje!! Als er mein Bemühen bemerkte, hielt er mir seinen Block freundlichst zum Abpinnen hin. Stephan Wappner hat in seinem Nachruf in der NRZ schon auf Schuberts unglaubliche Hilfsbereitschaft hingewiesen, die mir in den folgenden Jahren auch immer wieder zuteil wurde – weil ich meistens gerade dann Notizen machte, wenn irgendwas Entscheidendes aufm Platz passierte. Er aber sah alles, und er machte sich noch viel mehr Notizen.

Sein Humor mag Unwissenden vielleicht zu grantlerisch erschienen sein, aber dahinter verbarg sich bei Franz Schubert wie bei Ernst Happel ein großes, gütiges Herz. Und eine taktische Anweisung wie die folgende hat einen Anspruch darauf, der niederrheinischen Fußballwelt für immer erhalten zu bleiben. Diese Anweisung gab er 1982 aus, als er als Trainer des ca. siebtklassigen SC Kleve mit seiner Mannschaft gegen das Starensemble des FC Barcelona (u. a. mit Bernd Schuster und Allan Simonsen) antrat, das sich zur Saisonvorbereitung ein Freundschaftsspielchen am Niederrhein gönnte. Einer von Schuberts Manndeckern fragte nun den Coach, wenn er denn bewachen solle.

Antwort Schubert: „Egal. Such dir doch den Schwächsten aus!“

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5 Kommentare

  1. 5

    @escorial grün

    Ralf Daute‘ s Nachruf ist treffend. Da wird – bis auf den Ford Capri – alles so in Worte gegossen, dass habe ich für mich beschlossen habe, einfach mal die Klappe zu halten und die Fan-Mütze zu ziehen.

     
  2. 4

    Die doch dürftige Anzahl von Kommentaren zu Franz Schubert überrascht. Jeder Mensch in Kleve, der sich für diesen Sport interessiert (sind doch so viele seit der Fusion) sollte ihn kennen. Aber klar, Tangententango, Bankenkrisen etc. sind natürlich wichtiger.
    Franz Schubert war einach ein netter Kerl, kannte wirklich alle Spieler bis zur Seria C und war vor allen Dingen neutral, hat sich nie angebiedert, ist nie auf nen fahrenden Zug aufgesprungen. Welcher Schreiberling kann das von sich behaupten (vor allem im Lokalsport).
    Eines der letzten Originale ist nicht mehr da, schade.

     
  3. 3

    „Wandelnde Wikipedia“ beschreibt Franz Schubert sehr gut! Bei einem Pokalspiel des Sportclub Kleve am Bresserberg gegen den damaligen Oberligisten Rheydt kam der Gladbacher Sportredakteur und vermisste die Vornamen der Rheydter Spieler auf dem Pressebogen. Franz Schubert hat sie ihm alle aus dem Kopf genannt. Kleves Fußballszene verliert einen ganz besonderen Menschen, ein schmerzlicher Verlust.
    Uwe Dönisch-Seidel

     
  4. 2

    einer der menschlicheren Charaktere in der NRZ-Redaktion neben den vielen Wichtigtuern.

    Kann mich da Herrn Evers nur anschließen

     
  5. 1

    Die Besten sterben leider immer zu jung.
    Wir alle haben Ihm viel zu verdanken !!
    (ehem. Jugendgeschäftsführer SV Siegfried Materborn)