Wenn man mal kurz innehält und überlegt, womit Kleve imagemäßig in diesem Jahr so richtig punkten konnte, kommt einem zunächst das Großereignis „WDR 2 für eine Stadt“ in den Sinn, das uns am Tag des Festivals selbst bundesweite Aufmerksamkeit bescherte sowie in den Wochen davor eine beständige Radiopräsenz.
Es ist der in diesem Fall vorhandenen Weitsicht der Stadtmarketing-Chefin Ute Schulze-Heiming zu verdanken, die Bedeutung des Themas erkannt und ein schlagkräftiges Team auf die Beine gestellt zu haben (Wiltrud Schnütgen, Kurt Kreiten, Theo Brauer).
Auf Platz zwei kommt sicherlich der Überraschungswahlsieg von Sonja Northing, der wegen seiner politischen Bedeutung auch weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung fand, inklusive reichlich Vor- und Nachberichterstattung beim WDR.
Auf Platz drei aber dürfte sich heute Umweltministerin Barbara Hendricks vorgearbeitet haben, die der Mediengruppe DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung u.a.) ein Interview gab, das in Berlin beispielsweise auf die folgende Überschrift gebracht wurde: „Berlin ist eine Kopie von Kleve“.
Die entsprechende Passage im Text lautet: „Hendricks: Kleve war im 17. Jahrhundert eine der drei gleichberechtigten preußischen Residenzstädte, neben Königsberg und Berlin. Und wir Klever sind fest davon überzeugt: Unter den Linden in Berlin ist der Lindenallee in Kleve nachgebildet. Die Lindenallee in Kleve ist in jedem Fall älter. In Kleve gab es auch schon einen Tiergarten, als es in Berlin noch keinen gab – ebenfalls ohne Tiere, einfach als Grünfläche in der Stadt. Nachdem Henriette von Oranien den Großen Kurfürsten geheiratet hatte, haben die beiden erst eine Weile in Kleve gewohnt, auf der Schwanenburg. Henriette wollte nicht sofort in den als unwirtlich empfundenen Osten. Die beiden haben dann die niederrheinische Kultur nach Berlin gebracht.“ Dann fragt die Redakteurin noch: „Berlin ist also die Kopie von Kleve?“ Und Hendricks antwortet: „Ein bisschen schon.“
Das Interview ist auf den Seiten des Kölner Stadt-Anzeiger frei verfügbar. Hier der Link zum Artikel: Die Ministerien sollen alle von Bonn nach Berlin ziehen.
Fast hätte ich’s vergessen: Platz 496 der wirkungsvollen Maßnahmen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit gebührt natürlich dem wie immer legendären Auftritt des Kreises Kleve und einer handverlesenen Auswahl seiner Bürgermeister auf der Immobilienmesse Expo Real in München.
Weshalb die Ministerin ihre Aussage vermutlich mit diesem Satz eingeleitet hat: „Und wir Klever sind fest davon überzeugt:“
Tja, die eine sagt so, der andere sagt so ….
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-kleve-und-der-region/da-kiekste-wa-id11169292.html
Ist ja alles ganz schön und gut……..nur die Realität sieht eben anders aus……
Lt. Wilhelm Diedenhofen werden einige bedeutende Daten mit Fakten widerlegt.
Einer seiner bedeutungsvollen Sätze: „Kleve war bestenfalls die Residenzstadt Nummer 4 – hinter Berlin, Potsdam und Königsberg. Ein bisschen Bescheidenheit steht uns gut zu Gesicht.“
Mein Reden seit vielen Jahren. Schön, dass mal jemand aus Kleve an so bedeutende Stelle in Berlin kommt, dass das mal dort gehört wird. Danke, Barbara.Ãœbrigens gab es in der Ausstellung, die in dem provisorischen Stadtschloss aus Plastikbahnen gezeigt wurde, Hinweise auf Cleve, gleich in den Schautafeln 1 und 2.
@ 11 laloba,
danke, very nett von Dir!
@otto „Meine Präferenzen liegen auf Gebieten, die sich kaum als Diskussionsgrundlagen für den Blog eignen, ohne bei
vielen Langeweile oder Unverständnis zu erwecken“
… das müsste sich ja erstmal rausstellen 😉
@9 Rainer Hoymann,
Es war von mir als Denkanstoss gedacht (Mini-Brainstorming) für z.B die zukünftige Frau Bürgermeisterin und ihren
Zuarbeitern/rinnen. Die augenblickliche Klever-Marketingleitung halte ich auf Grund ihrer bisherigen Aktivitäten
für denkbar ungeeignet.
Meine Präferenzen liegen auf Gebieten, die sich kaum als Diskussionsgrundlagen für den Blog eignen, ohne bei
vielen Langeweile oder Unverständnis zu erwecken (ausgenommen Bemerkungen o. Posts mit oft satirischem
Hintergrund).
@ Otto
Ich habe zwar sehr wenig Zeit, würde mich aber nicht sperren. Haben Sie bereits die finanzielle Seite mit dem Klever Stadtmarketing abgestimmt? 🙂
Könnten mit Rainer Hoymann (als Inspirator) Flyer entworfen werden, die in knapper Form Hinweise über die historische Vergangenheit Kleves, aber auch neuere Themen die Klever GÃ¥ste interessieren, enthalten?
Diese einfachen Informationen liegen in GaststÄtten, Cafe’s, Hotels etc. aus und die Kosten für Druck, Papier
etc. trÄgt der Etat des Kever Marketing. Die Themen, bzw. Informationen wechseln in grösseren, zeitlichen Abständen und sind immer wieder zu verwenden.
Heisst Berlin und Kleve sind beide gleich pleite?
Dann hier auch noch was (zum Anhören), das mir letztens aufgefallen ist … Friedrich der Große und Voltaire auf Schloss Moyland … ist zwar nicht wirklich clevische Geschichte, aber interessant …
http://www.wdr5.de/sendungen/scala/sommerreise-zu-den-preussen-152.html
Wolfgang Look hat zu Recht auf die historische Vorreiterrolle von Kleve hingewiesen. Dass Kleve heute kaum noch
eine Vorreiterrolle spielt, mit Ausnahme unseres Museum’s, dass ist schon traurig, entspricht jedoch der Miss-Gestaltung unseres Stadtbildes in den vergangenen Jahren. Es bleibt zu hoffen, dass sich das nun aendern wird.
Dass in Kleve Barbara Hendricks verstanden wird, verstehe ich als eine positive Entwicklung fuer unsere Stadt und
dass die anderswo grassierende Verbloedung bei uns, natuerlich durch das Wahlergebnis, zum Stillstand
gekommen ist, das freut fast Alle, Ausnahmen gibt natuerlich immer.
Friedrich Leinung
Klever Spurensuche –
„Kleve in Berlin“
Kleve 1999, S. 74 ff
[Die Geschichte von Berlin] ist auf vielfache Weise mit Kleve verbunden. Besonders zu spüren ist das, wenn man die Grablege der erst kurfürstlichen, dann königlichen, dann kaiserlichen Familie Hohenzollern besucht.
Einige der Grabmäler (im Berliner Dom) sind erhalten, so das des Großen Kurfürsten. Sein streng geformter Sarkophag ist mit reichem Schmuck überzogen. Auf einer Löwenhaut stehen die Namen der von ihm regierten Länder verzeichnet, zu denen auch das Herzogtum Kleve zählte. Der Klever Name steht hier nur als einer unter vielen anderen, was nicht der Bedeutung gerade des klevischen Einflusses auf diesen Fürsten entspricht. Der Große Kurfürst und Kleve – das ergibt eine lange Litanei.
Mit Kleve hatte Friedrich Wilhelm von Anfang an zu tun. Kaum war er geboren, da bestimmten klevische Angelegenheiten sein Leben. Gleich zu Anfang entschieden sich an der klevischen Erbfolgefrage seine Namensgebung, seine Konfession und seine Erziehung. Zu der Zeit seiner Geburt, im Jahre 1620 also, stand für seinen Großvater Johann Sigismund und für seinen Vater Georg Wilhelm die Frage an, ob sie das am Niederrhein gelegene Herzogtum Kleve als rechtmäßiges Erbe würden erwerben können. Der kleine neugeborene Kurprinz erhielt deswegen in der Taufe nicht nur den in der hohenzollerschen Familie gebräuchlichen Namen Friedrich, sondern noch einen zweiten Namen. Es wurde hinzugefügt der Name Wilhelm in Erinnerung an seinen Vorfahren Wilhelm von Kleve, von dem er über Maria Eleonore von Kleve abstammte.
Der kleine Friedrich Wilhelm wurde zum Ärger der Berliner Geistlichkeit nicht in der lutherischen Konfession getauft, sondern in der calvinistischen. Das geschah, weil das Haus Hohenzollern sich dachte, auf diese Weise die calvinistischen Niederlande und das calvinistische Haus Oranien-Nassau dazu bewegen zu können, die Ansprüche Brandenburgs auf das klevische Erbe zu unterstützen. Diese Erbschaft war der kurfürstlichen Familie soviel wert, dass sie dafür in Kauf nahm, in einer anderen Konfession zu leben als die allermeisten Untertanen, womit eine ganze Reihe von Konflikten vorprogrammiert war.
Von Anfang an war auch die Erziehung des kleinen Kurprinzen im Klever Sinne geregelt. Die Klever Stände hatten dem Haus Hohenzollern eine Bedingung gestellt. Sie hatten gesagt: Wenn ihr Brandenburger wollt, dass wir Klever uns eurem Staate anschließen, dann müssen wir Klever Stände den Lehrer aussuchen dürfen, der den Knaben erzieht, der später einmal unser Landesherr sein und uns regieren wird. Dieser von uns ausgesuchte Lehrer muss ihn dann erziehen nach den Prinzipien, die der Humanist Erasmus von Rotterdam für den Klever Hof eigens für die Erziehung der Prinzen aus dem Klever Hof aufgestellt hat. Von seinem 7. Jahr soll er ihn erziehen.
Die kurfürstliche Familie ging auf diese Bedingung ein. Die Klever Stände wählten als Lehrer für Friedrich Wilhelm den Freiherrn von Leuchtmar aus und schickten ihn nach Berlin, wo er den Kurprinzen von Kindesbeinen an in seine Obhut nahm.
Die Kleve gewidmete Erziehungslehre des Erasmus von Rotterdam, die nunmehr vom Haus Hohenzollern für die Erziehung des Friedrich Wilhelm übernommen wurde, war im Jahre 1529 im Klever Auftrag entstanden. Herzog Johann der Friedfertige hatte den Autor Erasmus von Rotterdam als Lohn und als Anerkennung für seine Arbeit einen kostbaren Becher schicken lassen.
In der Klever Erziehungslehre des Erasmus von Rotterdam, die als eine grundlegende Schrift für die moderne Pädagogik gilt, kann man Sätze lesen, die auch heute noch, fast ein halbes Jahrtausend später, recht modern klingen, z. B.:
„Für die Erziehung ist in der frühesten Kindheit ein einziges Jahr mehr wert als zehn, wenn der Geist mit anderen Dingen besetzt ist. Der Stoff ist geeignet, werde allmählich zugeführt und gleichsam spielend angeboten. Eine Schule muss öffentlich sein, sonst ist sie keine Schule. Sind Bürgersöhne etwa weniger Menschen als Königskinder? Der Fürstenerzieher soll darauf hinweisen, dass unter Christen Herrschaft nichts anderes ist als Verwaltung des Staates, nicht Unterwerfung. Der Herrscher soll eingedenk sein, dass er über Freie Christen herrscht, das heißt: über doppelt Freie.“
Der Freiherr von Leuchtmar erzog den Prinzen Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu dem toleranten Fürsten, als der er in den Geschichtsbüchern bekannt ist. Er legte damit den Grund zu dem toleranten Staat Brandenburg-Preußen mit einer toleranten Hauptstadt Berlin.
Seine Studienzeit verlebte Friedrich Wilhelm an der Universität Leiden in Holland. Sein Studium wurde bezahlt durch die klevischen Stände, die für ihn und für den Lebensunterhalt seiner Dienerschaft sechstausend Taler im Jahr aufbringen mussten.
Während seiner Leidener Zeit war Friedrich Wilhelm für längere Zeit nicht in den Hörsälen der Universität zu finden, sondern in den Schützengräben der Festung Schenkenschanz bei Kleve, an der Stelle, an der damals der Rhein sich teilte und die deswegen strategisch extrem wichtig war. Diese Festung war den Niederländern von den Spaniern weggenommen worden und sollte nun unter großem technischen Aufwand zurückerobert werden. So etwas war sicher interessanter als die akademischen Vorträge in Leiden. Außerdem hatte er hier einen Mann kennen gelernt, der ihm ein väterlicher Freund und Mentor wurde, einer, von dem er sich in kulturellen und künstlerischen Angelegenheiten beraten ließ. Diesen niederländischen Feldherrn Johann Moritz von Nassau machte er später zu seinem Statthalter für die Territorien Kleve, Mark und Ravensberg mit Sitz in Kleve.
Schon mit zwanzig Jahren und noch unvermählt wurde er regierender Kurfürst, da sein Vater Georg Wilhelm von Brandenburg früh starb. Im Jahre 1647 heiratet er in Den Haag Louise Henriette von Oranien Nassau, die Tochter des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien. Er kannte sie schon seit seiner von Kleve finanzierten Studienzeit an der Universität Leiden.
Die ersten Jahre ihrer Ehe wohnten die beiden nicht in Berlin, sondern in Kleve. Beraten von seinem Freund Prinz Johann Moritz von Nassau, organisierte Kurfürst Friedrich Wilhelm hier die Umgestaltung seiner Residenzstadt Berlin, während sein Minister Graf Waldeck von Kleve aus das brandenburgische Staatswesen reorganisierte. – Schon damals gab es einen Umzug der Regierung in ein vom Rhein aus umzubauendes Berlin.
(Der Kreis) Kleve ist toll … muss man das mit Berlin vergleichen, diesem Moloch mit all seinen Problemen?
Die Aussage von B. Hendricks enthält unbedingt viel Wahres, auch wenn ein Berliner mit arroganter Pose darüber lachen wird. Wir dürfen nicht vergessen, das Berlin historisch lange eine brach liegende Region war. Durch den 30-jährigen Krieg, fehlender Industrielandschaft, Verwaltung, Pest, schrumpfende Bevölkerung, geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung war sie im Vergleich zu anderen Gebieten Europas, insb. auch der Niederlande und dem Niederrhein auf vielen Gebieten (Landwirtschaft, Baukunst, Handwerk) arm und rückständig. Preussen hat „Unerwünschte und Vertriebene aller Art“ aus ganz Europa (Hugenotten aus Frankreich, Schlesier, Niederländer) zu sich geholt, weil es den Aufbaubedarf sah, der mit eigenen Kräften nicht zu schultern war. Erst spät in den 20ern 20 Jhd wurde Berlin echtes Zentrum von Politik und Kultur, aber es kennt keine jahrhundertealte zentralistische Tradition wie Paris oder Rom. Und auch heute ist Berlin „wirtschaftlicher Trittbrettfahrer“. Kleve dagegen hat historisch eine Blütezeit unter Moritz von Nausau erlebt und (leider) in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich und politisch an Bedeutung verloren.
„Berlin ist also die Kopie von Kleve?“ … die Frage war in dieser Formulierung doch Satire …
In Kleve versteht man Barbara Hendricks sicher, aber anderswo? Lacht man sich eher weg …