Wer je aus seinem Bekanntenkreis oder am Tresen die Geschichten gehört hat, wie man als Kassenpatient vergeblich Arzt für Arzt (Ärztin für Ärztin) auf der Suche nach einem freien Platz abtelefoniert oder abgeklappert hat, mag ermessen, was den Kleverinnen und Klevern da ab Beginn des kommenden Jahres bevorsteht.
Die Website der AOK verfügt über eine praktische Arztsuche, deren Nutzung schnell ins Zentrum der Malaise führt. Wer die Recherche auf die Fachrichtung Hausarzt, den Ort Kleve und die Postleitzahl 47533 eingrenzt, erhält immerhin noch 39 Treffer, was einen fast an die gute alte Zeit erinnert, als gefühlt noch an jeder Straßenecke ein Mediziner seine Dienste anbot. Einmal unterstellt, dass die AOK tatsächlich alle Ärzte in ihrer Liste aufführt, führt dies rechnerisch zu 1300 möglichen Patienten je Arzt.
Die Rechnung macht aber zugleich auch deutlich, welchen Einschlag die Ankündigung von Dr. Michael Pelzer bedeutet, seine Arztpraxis, in der sechs Ärzte tätig sind und die 3,5 Kassensitze in Anspruch nimmt, aus der Versorgung herauszunehmen. Alle sechs Ärzte werden in der Liste der AOK aufgeführt, und ab Anfang 2025 sind sie nicht mehr dabei. Die neue Rechnung müsste also lauten 53.000 Einwohner geteilt durch 33 Ärzte, und das ergibt – rein rechnerisch wohlgemerkt – schon 1600 Patienten je niedergelassenen Hausarzt.
Im tatsächlichen Betrieb verhält es sich natürlich etwas anders, da viele Menschen einen großen Bogen um Ärzte schlagen und andere die Hilfe eines Mediziners erst dann aufsuchen, wenn es sich um einen klinischen Notfall handelt.
Dennoch gibt auch das Bild der 33 Ärzte, die minus Praxis Pelzer noch als Treffer aufgeführt werden, nicht richtig wieder, wie es sich tatsächlich um die ärztliche Versorgung verhält – die Zahl der Arztpraxen beträgt nur noch 24 (viele Mediziner arbeiten zu zweit oder zu dritt), und in der Liste befinden sich auch mit Dr., Aschenbrenner und Laura Beer/Ingrid Großhans zwei Adressen, die auf Kinderheilkunde spezialisiert sind, aber auch als Hausarzt geführt werden, und auch Dr. Paul steht noch in der Liste, obwohl dieser seine Praxis Ende vergangenen Jahres geschlossen hat. Bleiben also exakt 21 Arztpraxen im Gebiet der Stadt Kleve, die sich um 53.000 Einwohner kümmern müssen. Das ergibt ein Verhältnis von 2523 Einwohnern je Arztpraxis. Besser wird es vermutlich nicht mehr werden, da einige der in der Liste genannten Mediziner sich auch schon in der Abenddämmerung ihrer beruflichen Karriere befinden.
Auf der Seite der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein gibt es die Stadt Kleve als eigenständigen Bereich nicht, sondern nur den sogenannten Planungsbereich „Mittelbereich Kleve“, der auch die Gemeinden Kranburg, Bedburg-Hau und Kalkar umfasst und in den ausweislich dieser Statistik exakt 92.527 Menschen leben. Für die gibt es 50,75 Hausärzte (die Zahl hinter dem Komma ergibt sich daraus, dass sogenannte Vollzeitäquivalente ausgewiesen werden), was laut dieser Statistik wiederum einen Versorgungsgrad von 89,7 % entspricht. Es gibt in diesem Gebiet zwölf freie Sitze.
Von den 94 Planungsbereichen im Bereich der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sind nur zwölf schlechter versorgt als Kleve/Kranenburg/Bedburg-Hau/Kalkar – und darunter befinden sich Goch, Kevelaer und Emmerich, was verdeutlicht, wie prekär die Situation insgesamt mittlerweile geworden zu sein scheint.
Dieser Versorgungsgrad wird also zu Beginn des kommenden Jahres deutlich weiter sinken – und zwar auf 75 Prozent, wenn sich nicht etwas Gravierendes ändern sollte. Damit wäre der Bereich Kleve dann in dieser Liste, was die Versorgung der Bevölkerung mit Hausärzten angeht, auf dem vorletzten Platz.
Bringen die Niederlande Abhilfe? Als Landrat Christoph Gerwers im April die Euregio Rhein-Waal besuchte, war der Ärztemangel ein Thema. Damals hieß es, der Kreis und die Euregio wollten zusammen Initiativen entwickeln, um Mediziner aus den Niederlanden am Niederrhein anzusiedeln. Die Kassenärztliche Vereinigung hat ihre Unterstützung ebenfalls zugesagt.
Mir geht die Gesundheitspolitikdiskussion seit Jahren auf den Nerv. Es ist mir scheißegal ob mein Zahn-/Haus-oder was auch immer für ein Arzt, drei 911er und einen Panamera in seiner Garage stehn hat. Er soll mich fachmännisch behandeln. Und wenn ich eine Entwicklung grauenhaft finde, dann ist das „Arztranking von Patienten“. Obwohl Verfechter freier Meinungsäußerung, eins der ersten Felder wo ich dieselbe einschränken würde. Was soll diese S……? (Oh, meiner verschraipt Optium, deiner nhur Hachisch) Meine Vorstellung ist: Alle zahlen in das Gesundheits-Renten-Sozial-System ein, jenseits von althergebrachten preußischen BeamtenPrivilegien. Ein weiter Weg, wir werden ihn gemeinsam gehen. Ich bin übrigens ein zufriedener Patient. Die Wartezimmerlektüre hat im Laufe der Jahre an Qualität nachgelassen
Die Sache mit dem MVZ könnte ältere Ärzte in Kleve dazu bringen, ihre Praxis früher aufzugeben.
@20 GH
Also, halten Sie sich fit… wenn es so weiter geht, werden wir darauf zurückkommen müssen 😉
Einen kleinen Luftröhrenschnitt können Sie ja sicher auch, aber bitte ohne Kuli… das ist nämlich Blödsinn.
Mal im Ernst, damit es so weit nicht kommt, den Heimlich-Griff zum Beispiel sollte doch jeder physisch gesunde Mensch können. Hat jemand noch nie davon gehört? Dann wird es Zeit: https://www.youtube.com/watch?v=d99OJnQzuLw
@19. Klever
Aus dem praktischen Leben (nicht als Patient) ist zu berichten, dass natürlich auch ausländische Studierende, die in Deutschland, aus Berufung das Medizinstudium gewählt haben, auch in diesem Sinne, diverse Praktika in deutschen Krankenhäusern absolvieren.
Sprachenvoraussetzungen zur Approbation:
„Die Fachsprachenprüfungen sind auf dem Niveau C1 nach der GER (Europäischer Referenzrahmen für Sprachen) abzulegen.“
Ich habe eine Lösung. Vielleicht kann man dann doch den einen oder anderen Kassenarzt zum Weitermachen motivieren.
Eine nahezu kostenneutrale Lösung.
Es ist ja sicher bekannt, dass die jetzt plötzlich „aufmüpfigen“ Kassenärzte nicht unmittelbar mit Geld entlohnt werden, sondern mit Punkten, also einer Art Fleisskärtchen. Wobei der Wert dieser Fleisskärtchen erst nach getaner Arbeit von der Kassenärztlichen Vereinigung festgelegt wird.
Also hat der Kassenarzt am Ende eines Quartals, wenn er fleissig war und viele Patienten behandelt hat, erstmal nix verdient, sondern nur Punkte gesammelt. Und der unbekannte Wert dieser Pünktchen wird erst Monate später von seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV) festgelegt und dann schließlich in Euro ausgezahlt….
Also nix fleissig gewesen, viel gearbeitet und viel verdient. Es kommen erst immer nur diese Punkte auf den Tisch….
Jetzt mein Vorschlag : wie wäre es, wenn die KV statt der langweiligen Punkte nicht besser mit bunten (wichtig !) Glasmurmeln zahlen würde. Ich bin ziemlich sicher, dass so eine Verbesserung nicht nur den Herrn Dr. Pelzer zum Weitermachen überzeugt hätte. :-))
Biete an, erfahrene Bw Sanität aus *W18 ( *Kommunisten Jagd Zeit ) 👍🏽 😂 versiert, auch „Kleine Eingriffe“ 🔪🪓 🔝 .. 😎
@15
Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Bayern ist die Hürde zur Zulassung als zugewanderter Arzt erheblich höher als z.B. In NRW. Hervorragend ausgebildet lass ich mal im Raume stehen. Aus eigene Erfahrung (nicht als Patient) laufen in Kliniken Ärzte rum die noch nichtmal das Fachwissen eines Erstsemesters im Med. Studium in Deutschland haben. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit in der Landessprache zu kommunizieren
@9
Es gibt bisher allerdings keinerlei KI, nicht einmal in Ansätzen, wenn es irgendwann in 50-100 Jahren mal eine geben sollte, wäre das quasi die beste Alternative überhaupt.
Der Doktor der Voyager würde nie einen Patienten abweisen weils 2 Minuten nach „Praxisschluss“ ist 😀
Es wäre vielleicht gut, Erste Hilfe-Kenntnisse schon in der Grundschule zu vermitteln und das dann in den folgenden Jahren zu erweitern.
Es gibt mittlerweile ja auch die mobilen Rettungshelfer. Wir sollten alle mehr wissen und können in dem Bereich.
Frage dann, wenn ein MVZ nicht die Lösung ist, was dann? Was hat bisher die Stadtverwaltung gegen den Ärztemangel unternommen? Wer nichts macht, wird keine Lösung finden.
Benno
@14. Klever
Zitat: „……… und wenn man Glück hat ist der Arzt der deutschen Sprache mächtig ……..“
Das ist u.a. von vielen fachlichen Prüfungen in Deutschland, auch überhaupt Voraussetzung!
Viele eingebürgerte Ärzte wurden in ihren früheren Heimatländern vorzüglich ausgebildet, müssen aber in Deutschland nochmals eine Approbation erhalten. Dieses Verfahren kann bis zu 2 Jahren in Anspruch nehmen.
@ 12 Das durschnitts-MVZ ist gegenüber der hausärztlichen Versorgung ein Meilenweiter Rückschritt. Demotivierte angestellte Ärzte die Dienst nach Vorschrift machen… Keine langfristige Patientenbindung…. hohe Personalfluktuation etc… und wenn man Glück hat ist der Arzt der deutschen Sprache mächtig…. Das Hausarztsystem das gut funktionierte wurde von der KV kaputtgespart und unattraktiv gemacht. Von der irrwitzigen Bürokratie ganz zu schweigen (glaube in der Coronazeit wurde wöchentlich die Abrechnungsziffer zur Impfung geändert).
Des weiteren ist wohl den wenigsten bewusst das der Hausarzt nur einmal im Quartal den Patientenkontakt abrechnen kann. Beim 2. 3. 4. ….x. Besuch im Quartal verdient der Arzt nicht einen Cent. Das ist so als würde man dem Maler sagen, für das erste Zimmer kannst du Geld bekommen…. Dann kommst du die nächsten 3 Monate und machst die restlichen Zimmer fertig.. Geld bekommst du dafür nicht, weil du das erste Zimmer ja schon bezahlt bekommen hast. Der zeigt einem zurecht den Vogel!
Solange sich da nichts dran ändert bleibt der Hausarztberuf unattraktiv für weite Teile der Ärzteschaft….
Hausärztliche Medizin ist nicht beliebt. Ein MVZ wird auch keinen Hausärztesegen mit sich bringen. Leider.
@11 „Ein kommunales MVZ ist eine ärztlich geleitete Einrichtung, in der Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte unterschiedlicher oder gleicher Fachrichtung tätig sind. Träger ist die Kommune, die ärztliche Leitung muss bei einem Arzt liegen.“
„Vorteile für Ärzte: Arbeiten in Anstellung und Teilzeit möglich, flexiblere Arbeitszeiten und Familienfreundlichkeit, kein wirtschaftliches Risiko, keine Investitionen, weniger Bürokratie, Konzentration auf die medizinische Versorgung, Teamarbeit, einfachere Stellvertretungsmöglichkeiten.“
Wie kommt es zu weniger Bürokratie?
Das Modell erinnert bis auf die kommunale Trägerschaft an die Praxisklinik Rindern.
Weitere Informationen zum Thema:
https://www.offene-klever.de/2024/02/25/aerztemangel-in-kleve/
@9
Interessant, wie die IT Industrie die Politik vor sich hertreibt. Und der Gesundheitsminister ist bekanntermassen auch höchst interessiert an einer KI in der Medizin. Digitalisierung ist halt zur Zeit die neue Religion. Ok, EDV in der Arztpraxis ist mittlerweile unersetzlich, Gott sei Dank. KI wird ihren Platz bekommen müssen. Aber was den Ärztemangel angeht, ist das nicht die Lösung, zumal jeder Patient und jede Patientin, um die es ja letztlich geht, bzw. gehen sollte, nach wie vor
zu 100 % ANALOG ist, genauso analog wie der gute alte Hausarzt….
🙂
In der Politik will man das Problem bestimmt wieder mit der Allzweckwaffe KI lösen. 😉
Demnächst also nicht mehr zum Arzt oder der Ärztin aus Fleisch und Blut, sondern zum holographischen Doktor wie bei Startrek Voyager (da war der Doktor glaube ich noch das medizinische Notfallprogramm, falls kein Arzt an Bord sein sollte).
@7
Es ist natürlich auch nicht jeder für eine selbstständige Tätigkeit geeignet.
Meine Hausärztin kann sich jedoch nichts Besseres vorstellen. Ein gutes Praxismanagement mit erfahrenen Fachkräften ist wichtig, sagt sie.
Das war vor Jahren absehbar, schon als ich 2009 die Praxis von Dr. Roidl übernahm.
11 Jahre hielt ich den Druck und die Gängeleien der kassenärztlichen Vereinigung aus, bevor ich 2020 meine Praxis übergeben konnte.
Bin froh, dass ich wieder angestellt, die letzten Jahre meines Berufslebens „genießen“ kann. Der schönste Beruf der Welt wird durch Bürokratie derart zunichte gemacht, dass es nicht verwundert, wenn junge Kolleginnen und Kollegen den Schritt zur Selbstständigkeit nicht mehr wagen. Schade.
Nun ja: am besten nicht auf Ärzte:innen angewiesen zu sein; das wär‘ das beste, und der Idealfall! Aber, ich weiss: das kann man sich ja nicht immer aussuchen. Leider! 🙁
.Sogar in manchen Großstädten ist der Ärztemangel mittlerweile angekommen und auch spürbar. Klar, natürlich nicht in dem Ausmaß wie hier im Kreis Kleve. Sehr empfehlenswert ist es daher meiner Ansicht nach, sich b e i z e i t e n um einen Hausarzt zu bemühen, also b e v o r man erkrankt ist. Außerdem ist es sehr wichtig, sich p e r s ö n l i c h vorzustellen und dies nicht am Telefon zu versuchen, denn da wird man u. U. sehr leicht durchgewunken…….Und so vorgesorgt sollte man als „Stammkunde / Stammkundin“ einer Praxis später im Erkrankungsfall keine Probleme haben. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Es ist eine Misere…
Braucht man einen Facharzt / Kinderarzt / etc. Sieht es „dunkel“ aus…Wer von den z.b. alten Menschen kennt „Dr.Lib ?“…geschweige denn, kann sich diesen Online Rummel zu Gemüte führen?
Da wundert es nicht, dass man zeitweise morgens um kurz nach 6 schon Menschen auf Campingstühlen vor Arztpraxen zur freien Sprechstunde warten sieht (selbst gesehen/erlebt-ähnlich einem „Apple Store – wenn ein neues Model erscheint“).
Insgesamt ist scheinbar anzumerken – am besten nicht krank werden und bis bald 70 Jahre arbeiten – danach noch einen „Mini Job“ um sich über Wasser halten zu können und dann „ab in die Kiste“ (Sarkastisch ausgedrückt).
Ich vermisse das Ärzte-Ehepaar Lingens in Rindern und besonders Barbara Lingens. Ihr Mann hat dann noch eine Weile weiter gemacht und schließlich die Praxis übergeben.
Danke für die Recherche.
75 Prozent… und wenn dann noch die RE10-Strecke aufs Nebengleis geführt wird…
Schöne Aussichten.
Jetzt kann man nochmal ausrechnen, wie viele Patienten umgerechnet auf einen Kassensitz (Vollzeit) die „Praxisklinik Rindern“ hat – 2500/3,5 = 714
Das ist im unteren Bereich.
Nun ja, man hatte sich in Rindern halt anders ausgerichtet.
Grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Deutschland. Hahahahahaha(verschluck)Hahahahahahaha. Wir machen doch grad die Grenzen dicht, wegen der ganzen Farbigen und Gefährder und so. Wie heißen die noch die dat machen? Äh Dingens, der fliegende Sauerländer und die Frau mit der Karnevalsperücke