Grünen-Kandidat Olaf Plotke: Endlich Wahlkampf mit Stiel

Bahnhof

Was wird dem Wähler vor dem Urnengang nicht alles auf großen Plakaten versprochen! Freiheit! Sicherheit! Wohlstand! Mehr Wohlstand! Meist ist es eine auf ein Wort eingedampfte Botschaft, und der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, und seine Parteigenossen schreiben es sogar ausdrücklich auf ihre Werbeflächen: „Ein Mensch. Ein Wort.“ Auch Olaf Plotke, der Direktkandidat der Grünen für den Kreis Kleve, beschränkt sich auf monoverbale Botschaften. „Zuhören“ heißt es da beispielsweise, oder: „Arbeiten“. In dieser Woche kam eine neue Botschaft hinzu, und man darf konstatieren, dass diese offenbar beim Wähler ankommt.

Die Botschaft aber heißt: „Besenstiel.“

Kaum hingen die Plakate mit dem Konterfei Plotkes und dem Wort Besenstiel, pingte das Mailpostfach bei den Grünen im Kreis Kleve im Sekundentakt. Schon am ersten Tag hatten sich an die hundert Menschen gemeldet und versucht, den Sinn der Botschaft zu erfragen.

Das ist auch angebracht, denn Lorem ipsum oder Dada sollten an dieser Stelle nicht unterstellt werden. wer Olaf Plotke im sozialen Netzwerk TikTok folgt, wird von ihm unter dem Usenamen Westentaschenphilosoph mit einer Fülle von Videos unter anderem zu philosophischen Themen beglückt. Recht aktuell ist beispielsweise die Besprechung des Buchs „Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler, aus dem der Kandidat den folgenden Satz zitiert: „Die Demokratie ist das Zeichen des Verfalls einer Zivilisation“. Zur Sicherheit sei hinzugefügt, dass Olaf Plotke das natürlich ganz anders sieht.

Aber was heißt es dann, wenn statt echter Botschaften Bezeichnungen von Gebrauchsgegenständen plakatiert werden? Man könnte natürlich philosophisch werden und sagen, dass  ein Begriff wie Freiheit, einfach so an einen Laternenmast gepappt, im Grunde ebenso nichtssagend ist. So gesehen, ist Besenstiel immerhin noch eine konkrete Aussage, mit der die meisten Menschen etwa das Gleiche verbinden. Anders als zum Beispiel mit dem Wort Gerechtigkeit, das ein FDP-Wähler völlig anders versteht als ein Anhänger der Partei Die Linke. Politik ist ja immer auch der Versuch, den größten gemeinsamen Nenner zu finden, wenn man nicht gerade den disruptiven Stil goutiert, der nun jenseits des Atlantiks gepflegt wird.

Wer Besenstiel sagt, landet weitherin schnell beim Besen an sich. Neue Besen kehren gut, weiß der Volksmund und Fußballfan (nach einem Trainerwechsel), aber die Grünen wären ja aktuell gerade kein neuer Besen (Olaf Plotke als Direktkandidat hingegen schon), und so könnte der fehlende Hinweis auf das Borstenwerkzeug so verstanden werden, dass der Wähler sich lieber an der bewährten (?) Stange festhalten möge.

Hau druff, aber nicht zu viel

Beim Wort Besenstiel dürfte insbesondere den wahlentscheidenden Boomern und Rentnern zudem das gute alte Heischelied „Ich bin ein kleiner König“ einfallen, mit dem Kinder früher von Haus zu Haus zogen und Gaben erbettelten. Dessen Text lautete wie folgt: „Ich bin ein kleiner König, gibt mir nicht zu wenig, gibt mir nicht zu viel mit dem Besenstiel“.

Damit allerdings wären wir schon bei möglichen klassenkämpferischen Aspekten angelangt. Das bettelnde Kind bezeichnet sich selbstbewusst als „kleiner König“, und es fordert sehr selbstbewusst „nicht zu wenig“, und es ist sich doch seiner misslichen Lage im sozialen Gefüge bewusst, denn zugleich erbittet es die Gnade, „nicht zu viel mit dem Besenstiel“ verprügelt zu werden, was impliziert, dass „ein bisschen Haue “ der über die Güter verfügenden Klasse durchaus zugestanden wird. Zu welchem Wahlprogramm das aber passt – keine Ahnung. Vielleicht befinden wir uns tatsächlich recht nahe am Herzen der grünen Bewegung, für die eine bessere Welt möglich erscheint, solange die Kröte der Windräder und Geschwindigkeitsbegrenzungen geschluckt wird.

Hat aber Olaf Plotke all dies bedacht, als in seinem Wahlkampfteam die Entscheidung fiel, mit dem Wort Besenstiel neue Wege zu gehen?

Plotke selbst verweist auf einen völlig anderen Bezug, nämlich auf eine am Niederrhein in Politikkreisen zumindest bekannte Redewendung, nach der in dieser Gegend die politische Gesinnung unverrückbar ist. Plotke zu kleveblog: „Das ist eine Art ,Kunstaktion‘ von uns. Wir spielen darauf an, dass die CDU hier im Kreis Kleve ja angeblich einen Besenstiel aufstellen kann, der gewählt wird, wenn er nur schwarz angestrichen ist. Für die, denen das für die Wahlentscheidung reicht, haben wir hier Besenstiel hingeschrieben.“ Am Ende nimmt der Kandidat dann tatsächlich die bekannte Redewerbung für sich in Anspruch und sagt mit einer großzügigen Portion Eigenwerbung: „Die gute Botschaft: Man bekommt mit Olaf Plotke einen pragmatischen, geerdeten und fortschrittlichen Politiker, der hilft, unseren Kreis und unser Land nach vorn zu bringen. Neue Besen kehren gut!“

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12 Kommentare

  1. 12

    Auf d3n Schultern der Regierung der kommenden Legislatur liegt eine schwere Last. Nicht nur die Aufgabe, den Staat wieder auf Kurs zubringen mit all den derzeit teils unwägbaren geopolitischen Einflüssen, sondern auch durch die Tatsache, dass das Land ab 2029 nicht mehr regierbar sein wird, wenn sie es versemmeln.

    Deshalb wird die neue Regierung auch einen neuen Kommunikationsstil anwenden müssen, denn die bescheidenen Veränderungen müssen nicht nur unverzüglich umgesetzt werden, sondern auch zeitnah für die Bürger verständlich publiziert werden, damit die Botschaften ankommen. Es braucht neben der „großen Strategie“ auch Verbesserungen an den Stellen, wo es der Bürger auch mitbekommt und damit Verbesserungen erleben kann.

    Und ja, ich wünsche mit von den Bürgern und Bürgern mehr „weiter-so-Demos“, wenn die Regierung etwas positiv Wirksames auf den Weg gebracht hat. Nur so multipliziert sich das Positive. Nur stets gegen etwas auf die Straße zu gehen, schürt Spaltung, Hass und Frust. Nährboden für die Faschisten, die darauf nur warten…. 2029 ist nicht mehr lange. Nie wieder ist immer!

     
  2. 10

    Der Moderator machte den Eindruck, dass er seine WWM-Kandidaten spannender findet als die Kanzlerkandidat/innen. Die Moderatorin spulte ihre Fragen routiniert ab.

    Scholz umrundete kämpfend sein Stehpult.
    Merz (1,98 m) schaute im wahrsten Sinne des Wortes auf Scholz und Habeck herab. Körperliche Größe ist bei solchen Veranstaltungen ein Vorteil. Wahrscheinlich konnte Scholz durchsetzen, dass er wenigstens nicht direkt neben Merz stehen musste.

    Merz ist sich seiner Sache sicher. Habeck wirkte streckenweise mehr wie ein kommentierender Zuschauer. Wahrscheinlich hat er „Shaolin – Du musst nicht kämpfen um zu siegen“ auf dem Nachttisch liegen. (Ein durchaus interessantes Buch.)

    Inhaltlich nichts Neues. Es wurde insgesamt zu wenig nachgehakt. Sandra Maischberger und Maybrit Illner waren besser letzte Woche.

    Die CDU wird aller Voraussicht nach gewinnen. Wer die Große Koalition will und auf keinen Fall Schwarz-Grün, kann nur zu dem Schluss kommen: SPD wählen.

     
  3. 9

    @ 2:
    Leider ist es aber die (CDU-)Realität. Zumindest noch.
    Ich finde es etwas bedauerlich, dass die Erststimme, die im politischen Geschäft angeblich so hoch geschätzte, im hiesigen Wahlkreis quasi zum „Spielgeld“ verkommt.
    Vielleicht als Belohnung für witzige, ironische Stimmen in der teils absurd hoch gehängten Plakatewelt.

     
  4. 8

    Interessant zu sehen, wie die Besenstildebatte die Wähler entmündigt. Das Quardrell bei RTL hat gezeigt, daß die Wahl weder von Raketen- noch von Besenstilwissenschaften beeinflusst wird.

     
  5. 7

    @6

    …“ Wette: Der CDU-Kandidat erhält signifikant mehr Stimmen, obwohl Hr. Plotke, wie auch Hr. Rütter übrigens, für den Kreis die eindeutig bessere Wahl wäre.“…

    Sie verkaufen mit ihrem ersten Absatz ihre persönliche Sicht der der Dinge als allgemeingültig.
    Oder können sie es konkret begründen warum die o.g. Kandidaten die eindeutig bessere Wahl für den Kreis wäre?

    …“Insofern ist es leider eine stimmige Aussage, dass die CDU auch einen Besenstil aufstellen könnte, oder umgekehrt sehen wir, wie desolat es um die Demokratie steht.“…

    Achso, wenn nicht der gewünschte Kandidat erfolgreich abschneidet ist es also desolat um die Demokratie bestellt ?
    Sehr selektives Demokratieverständnis für meinen Geschmack.

    Ich halte solche Aussagen im Endeffekt für ähnlich schädlich wie die von Ihnen im letzten Absatz erwähnten VT ’s ,
    da in beiden Fällen, mehr oder minder deutlich, suggeriert wird dass unsere Wahlen undemokratisch ablaufen.

     
  6. 6

    @2, Lord Helmchen, warten wir ab.

    Wette: Der CDU-Kandidat erhält signifikant mehr Stimmen, obwohl Hr. Plotke, wie auch Hr. Rütter übrigens, für den Kreis die eindeutig bessere Wahl wäre.

    Insofern ist es leider eine stimmige Aussage, dass die CDU auch einen Besenstil aufstellen könnte, oder umgekehrt sehen wir, wie desolat es um die Demokratie steht.

    Andere, ähnliche Geschichte, dass die AfD-Sympathisanten sich wundern, warum beim Wahl-O-Maten die Grünen ganz vorne erscheinen, die AfD hingegen abgeschlagen hinten landet. Ursache soll dann eine Manipulation sein, irgendeine Verschwörung jedenfalls.

    Mein Fazit: Der deutsche Wähler agiert wie ein Fußballfan. Hauptsache Meister, die finde ich gut.

     
  7. 5

    @rd :
    „### pingte das Mailpostfach bei den Grünen im Kreis Kleve im Sekundentakt. ###
    Sind Sie sicher, daß nicht massenweise gratuliert wird ?

     
  8. 4

    Ich liebe die 🟢 „Schwerter zu Pflugscharen.“👍🏽 🍻 .alle Welt hat sich lieb 🧡 😁1989 👍🏽 die Milliarden an Waffen zerstörten .😇 Das war sehr weitsichtig.😎 Wer wählt heute noch solche weltfremden, gemein gefährlichen Traumtänzer+ Idioten ? 🙄

     
  9. 3

    Mmuuuh, rd, Ihre Erläuterungen zum Besenstiel berruuuhigen mich aber so was von etwas! Ich hatte schon vermmuuuhtet, der Herr OP hätte sich im Genderwahn (oder so) den Besenstiel einer bösen Hexe zu eigen gemacht, mmuuuh, um demnächst mmuuuhtmaßlich jederzeit zuverlässig nach Berlin reisen zu können. Jederzeit, mmuuuh, weil der RE 10 dann vermmuuuhtlich jederzeit kappuuuht sein wird.

     
  10. 2

    Plotke zu kleveblog: „Das ist eine Art ,Kunstaktion‘ von uns. Wir spielen darauf an, dass die CDU hier im Kreis Kleve ja angeblich einen Besenstiel aufstellen kann, der gewählt wird, wenn er nur schwarz angestrichen ist. Für die, denen das für die Wahlentscheidung reicht, haben wir hier Besenstiel hingeschrieben.“

    Den Wählern im Kreis Kleve wird also durch die bekannte ‚Besenstiel‘-Metapher unterstellt, sich weder mit den Personen noch mit den Themen auseinanderzusetzen und ihr Kreuz ohne jede Überlegung zu machen. Es wird ihnen ein Mangel an kritischem Denken unterstellt: Wählt der Klever schwarz, ist er nur unreflektiertes Stimmvieh.

    Wählerbeleidigung par excellence – Chapeau!

     
  11. 1

    Hätte er für das Plakat nicht stielecht besser auch den Rolli in schwarz gewählt?