Ärztemangel in Kleve: Jeder dritte Allgemeinmediziner ist älter als 60

Verlassene Arztpraxis

Die Schockwellen, die die bevorstehende Schließung der Praxis von Dr. Pelzer in Kleve auslöste, sind wahrscheinlich erst der Anfang einer desaströsen Entwicklung: Wie eine Nachfrage von kleveblog bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) ergab, spiegelt sich der demographische Wandel auch bei den Hausärzten selbst wider – jeder dritte der 51 Mediziner, die im Mittelbereich Kleve tätig sind, ist älter als 60. Zum Mittelbereich Kleve zählen zusätzlich die Orte Kranenburg, Bedburg-Hau und Kalkar.

Hörte zum Jahresende als Kassenarzt auf: Dr. Michael Pelzer (Foto: Torsten Barthel)

„Im Mittelbereich Kleve sind aktuell ca. 35 Prozent der aktiven Allgemeinmediziner über 60 Jahre alt“, so Christoph Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Allerdings gibt es für niedergelassene Ärzte keinen Zwang, mit 65 das Stethoskop an den Nagel zu hängen. Schneider: „Im Vertragsarztrecht gibt es keine ,feste‘ Altersgrenze für eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt. Das heißt, ein Vertragsarzt kann grundsätzlich so lange praktizieren, wie er möchte.“ Dr. Paul war beispielsweise schon jenseits der 70, als er sich im vergangenen Jahr entschloss aufzuhören.

Der Schlüssel für die kassenärztliche Versorgung im Kleve liegt derzeit bei 1.635 Einwohnern, die von einer Ärztin oder einem Arzt versorgt werden sollen. Der rechnerische Versorgungsgrad liegt damit im Mittelbereich Kleve bei knapp 90 Prozent. Wie sich dieses Verhältnis in Zukunft entwickeln wird, mag auch die KVNO derzeit nicht sagen. Schneider: „Eine belastbare Prognose der Quote für das kommende Jahr ist aufgrund möglicher Variablen in der Ärzteschaft sowie in der Bevölkerung nicht möglich.“

Weitere Wege drohen

Die Kassenärztliche Vereinigung kündigte an, zeitnah gemeinsam mit den Ansprechpartnern für den Kreis Kleve die Mitglieder in der Region über die zukünftige Veränderung zu informieren. Schneider: „Ferner werden wir für ein konsistentes Lagebild die örtlichen ambulanten Kapazitäten bei den Praxen erfassen und entsprechend auswerten. Anschließend werden wir (besser und gezielter) auch anfragende Patientinnen und Patienten im Bedarfsfall bei der Vermittlung an alternative Praxen im Umfeld unterstützen können – dies kann am Ende allerdings mit neuen Anfahrtswegen im Umkreis verbunden sein. Im Detail bleibt aber derzeit die weitere Entwicklung in den kommenden Wochen abzuwarten.“

Die KVNO weist außerdem darauf hin, dass Patientinnen und Patienten, die insbesondere einen Facharzttermin benötigen, grundsätzlich eine Termin-Servicestelle zur Verfügung steht. Sie ist an allen Wochentagen rund um die Uhr über die kostenlose Telefonnummer 116117 zu erreichen.

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7 Kommentare

  1. 7

    Noch ein wichtiger Hinweis dazu – da Dr. Pelzer ja weitermacht und seinen Service aber nur noch Privatpatienten und Selbstzahlern anbieten möchte:

    „Von den mehr als 84 Millionen Menschen in Deutschland waren im Juli 2023 rund 74 Millionen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Das entspricht etwa 90 Prozent der Bevölkerung. Die Anzahl der Beiträge zahlenden Mitglieder lag bei über 58 Millionen, die der kostenfrei mitversicherten Familienangehörigen bei mehr als 16 Millionen.“

    Quelle vdek, 04/2024

    Man sieht hier also das Dilemma – entweder du gehörst zum sehr raren Kreis der Privatversicherten oder hast so viel Geld das du dich als Selbstzahler privelegiert genug zählst… die ganz große Masse schaut eben in die Röhre (…).

     
  2. 6

    @ 5: Ich stimme ihnen vollkommen zu; es gibt diese Aerzte wahrhaftig! Und dafür muss man nicht in die Ferne schweifen, sondern sich nur knapp hinter die Grenzen des Kreises Kleve begeben.

     
  3. 5

    @3 Catherina Strauch

    Eine prima Werbung machen Sie da für den Arztberuf. Klingt fast so, als sollten sich die Leute am besten gleich für einen anderen Beruf entscheiden.

    „Sicherlich können alle durch gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen ÄrztInnen sehr gut nachvollziehen, warum die Ausübbarkeit des freien Arztberufes nicht mehr möglich ist.“

    Na ja, es gibt schon noch ein paar Ärzte in Deutschland, denen es offenbar möglich ist…

     
  4. 3

    Die Gründe für den Rückzug der ärztlichen KollegInnen in Rindern ist nur allzu verständlich. Dr. Pelzer hat die Gründe in der Presse sowie in dem Video auf seiner Praxishomepage genannt. Sicherlich können alle durch gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen ÄrztInnen sehr gut nachvollziehen, warum die Ausübbarkeit des freien Arztberufes nicht mehr möglich ist: Regresse, Dokumentationspflichten jenseits der ärztlichen Sorgfaltspflicht. Es ist kaum noch möglich mit dem Patienten zusammen die beste Therapie herauszuarbeiten. Programmmedizin soll es richten. Wieviel Geld bekommt die Krankenkasse für einen in die Programmmedizin eingeschriebener Patient?
    Seit 2016 ist das Katholische Karl-Leisner Klinikum akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Düsseldorf. Von über 70 Studierenden im Praktischen Jahr sind über 30 in eine Anstellung des Katholischen Karl-Leisner Klinikums gegangen. Dies ist ein großer Beitrag zur ärztlichen Versorgung des Kreis Kleve.
    Das Stipendiumprogramm des KKLE und des Kreis Kleve vergibt vorzugsweise Stipendien an Studierende aus dem Kreis Kleve oder mit privatem Bezug zum Kreis Kleve. Sie verpflichten sich, nach dem letzten Staatsexamen 10 Jahre im Kreis Kleve zu arbeiten. Es gibt nur sehr vereinzelte Stipendienabbrecher.
    Der ärztliche Beruf ist von außen so stark verändert worden, dass die ethischen Grundsätze nicht mehr umsetzbar sind. Zeitdruck, Effizienzforderungen, Programmmedizin, Qualitätsanforderungen, Digitalisierungszwang ohne Nutzen, Kostensteigerung. Es geht nicht mehr. Es geht nur noch Dienst nach Vorschrift im Medizinischen Versorgungszentrum. Die Chipkarte zur Arbeitszeiterfassung entsprechend der europäischen Richtlinie ist das wichtigste Utensil im Arbeitsleben der Ärzte und Ärztinnen geworden. Wir sind ärztliche FacharbeiterInnen geworden. Verantwortung können wir uns nicht mehr leisten.
    Dr. med. Catherina Stauch, PJ-Koordinatorin des KKLE

     
  5. 2

    Zu Chewgum (1)
    Das alles passiert seit einigen Jahren in Kleve. Man braucht sich also nicht zu fragen, warum niemand den „ach so tollen Arzt oder Apotheker-Job“ machen möchte…scheint doch irgendwie nicht so lukrativ zu sein, wie die Allgemeinheit meint.
    Und die KV duckt sich hübsch weg…die Stellen werden sich „schön“ gerechnet, das ist eine weitere investigative Aufgabe für RD!
    Da gibt es Kinderärzte im KH, die nie als solche arbeiten usw….

     
  6. 1

    Das ist eine Katastrophe mit Ansage. Ein längerer Weg ist vielen älteren und hochbetagten Patienten im Grunde nicht zuzumuten.

    Man muss auch gar nicht mal älter sein um zu wissen, wie es ist, wenn man krank zu einer entfernteren Praxis soll.

    Wir brauchen auch die Landarzt-Regelung. Studienplatz und Kostenbeteiligun für Leute, die den NC nicht haben, gekoppelt an die Verpflichtung, mehrere Jahre in einer ländlichen zu arbeiten. Dann hoffen, dass die Leute nicht mehr weg wollen…

    Oder eine Art Stipendium für Leute, die im Kreis Kleve aufgewachsen sind und Medizin studieren.

    Man muss mehrere Maßnahmen ergreifen.