Als Uwe Dönisch-Seidel vor wenigen Jahren über eine Ausstellung der von ihm geförderten und geschätzten Künstlerin Barbara Schröder schrieb, fiel in dem Beitrag der Satz: „Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Essen und schlechten Wein zu konsumieren.“ In dem Text waren die Worte auf die aus Kleve stammende Malerin gemünzt, die bei Bordeaux auf einem Weingut lebt. Doch sie waren auch für den Autor selbst Programm. Er war ein Genussmensch, der die schönen Dinge des Lebens zu schätzen wusste. Gestern nun war es Barbara Schröder, die auf Facebook den überraschenden Tod ihres Freundes vermeldete – Uwe Dönisch-Seidel war am Mittwoch Mittag verstorben, sechs Tage vor seinem 68. Geburtstag.
Die Nachricht zog schnell Kreise. Zunächst in der forensischen Psychiatrie in Bedburg-Hau, wo der Diplom-Psychologe, der als Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug arbeitete, im Dienst zusammengebrochen war und trotz sofortiger Hilfe nicht mehr wiederbelebt werden konnte. Dann in den Kreisen der Künstler und Kulturschaffenden, denen sich Dönisch-Seidel Zeit seines Lebens eng verbunden fühlte. Und schließlich unter den Sportlern der Kreisstadt, die mit seinem Namen das wohl schillerndste Kapitel der Klever Sportgeschichte verbinden.
Psychiatrie, Kunst, Sport – so gegensätzlich die Bereiche auch erscheinen mögen, in der Person von Uwe Dönisch-Seidel fanden sie zusammen. Das Grenzgängerische war sein Element. Seine berufliche Laufbahn begann in der LVR-Klinik in Bedburg-Hau, und dort war er in seinen frühen Jahren einer Reformer, die entscheidend dazu beitrugen, dass das Bild der „Anstalt“ endlich einem modernen Verständnis eines psychiatrischen Krankenhauses wich. Und so, wie man salopp sagt, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen, holte er auch die Kunst in die Landesklinik. Dönisch-Seidel gehörte zu den Initiatoren des Artoll-Kunstlabors, das seit Mitte der 90-er Jahre in einem nicht mehr genutzten Stationsgebäude auf dem Gelände des Krankenhauses viel besuchte Kunstausstellungen organisiert. Von der Gründung des Verein 1994 bis zum Jahre 2011 wirkte Dönisch-Seidel als Vorsitzender und setzte wichtige Impulse.
In den vergangenen zwanzig Jahren war Dönisch-Seidel als Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug dafür verantwortlich, in ganz Nordrhein-Westfalen die Unterbringung psychisch kranker Straftäter zu begleiten. Eine herausfordernde Aufgabe, gerade in Zeiten, in denen die Stimmung zu kippen schien und straffällig gewordene Menschen mit einer psychischen Erkrankung wieder dämonisiert wurden. Dönisch-Seidels Verdienst war es, ausgleichend zu wirken und dafür zu sorgen, dass Einrichtungen wie die Forensik in Bedburg-Hau in der Bevölkerung akzeptiert wurden. Nutzer der Regionalbahn nach Düsseldorf konnten Dönisch-Seidel oftmals frühmorgens oder abends im Zug antreffen, wenn ihn seine Dienstgeschäfte in die Landeshauptstadt führten. Eigentlich hatte er 2017 schon die Altersgrenze erreicht, doch Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wollte, dass er das Amt weiter betreute (mit Dank an Johannes Rütten für die ergänzenden Informationen).
Den meisten Klevern jedoch wird Dönisch-Seidel nicht wegen seiner beruflichen Tätigkeit und auch nicht wegen seiner kulturellen Ambitionen ein Begriff sein, sondern wegen der drei Jahre, die er an der Spitze des 1. FC Kleve stand. Von 2007 bis zum 3. November 2010 war er der Vorsitzende des Vereins, und es waren die Jahre, in denen die Verantwortlichen das ganz große Rad drehen wollten und den Verein Liga um Liga in die Höhe puschten.
Der Diplom-Psychologe war in gewisser Weise das Aushängeschild des Klubs, er konnte die Ambitionen seiner Mitstreiter wortgewandt verkaufen. Und wieder versuchte er den Brückenschlag, nicht nur zwischen den Kräften innerhalb des Vereins, sondern auch nach außen. Beispielsweise sorgte er dafür, dass die Mannschaft eine Ausstellung des Künstlers André Lemmens im XOX-Gelände besuchte. Insgesamt gab es viel Trubel, ein bisschen war der Klub der FC Bayern des Niederrheins.
Dann kamen die Steuerfahnder. Sie entdeckten Aktenordner, in denen die Schwarzgeldzahlungen an Spieler feinsäuberlich abgeheftet waren. Im Vereinsrecht haftet der Vorsitzende. Die Staatsanwaltschaft ermittelte jahrelang und förderte staunenswerte Einzelheiten über ein (im Amateurfußball allerdings übliches) System zutage, in dem Steuervorschriften nur am Rande interessierten. Nach langem Ringen stellte jedoch das Landgericht Kleve das Verfahren ein, unter anderem deshalb, weil niemand der Beteiligten handelte, um sich persönlich zu bereichern.
Der Einstellungsbeschluss, der die berufliche Laufbahn Dönisch-Seidels in Diensten des Landes NRW rettete, war jedoch mit einer beträchtlichen Geldbuße verbunden. Dönisch-Seidel musste sein Haus verkaufen. Danach mied er über viele Jahre das Rampenlicht. War er verbittert? Man weiß es nicht. Aber auch in diesen Jahren wird er sicher die Muße gehabt haben, sich an einem guten Glas Rotwein zu erfreuen. Und, auch wenn er vorzugsweise exzellente Weine genossen hat: Sein Leben war zu kurz.
@ 11. Johannes Rütten „Hälfte des Berichtes – im Boulevardpresse-Stil “ und @12. rd replik
Also, auch ich kannte Uwe schon in Schulzeiten, und ich muss sagen, ich sehe in dem Artikel kein einziges ehrenrühriges Wort und bin sicher, er hätte den Artikel vermutlich auch selbst ohne zu zögern akkordiert.
Wenn er nämlich für Eines stand, war es doch wohl unverblümte Wahreit und Offenheit.
Auch von mir an dieser Stelle herzliche Anteilname an seine Familie.
@Johannes Rütten Die zusätzlichen Informationen werde ich gerne in den Artikel einfügen, aber der andere Teil gehört nun einmal auch dazu. Ich denke, es ist fair geschrieben.
Wenn sich fast die Hälfte des Berichtes – im Boulevardpresse-Stil – seiner „FC Kleve-Geschichte“ widmen, ist das eines Nachrufs auf eine Klever Persönlichkeit unwürdig. Denn es wird dem Menschen Uwe Dönisch-Seidel in keinster Weise gerecht. Während andere „wichtige“ Personen des Vereins sich vom Acker machten, musste Uwe (weil Vorsitzender) die Verantwortung übernehmen, und er tat es auch. Mir ist kein böses Wort von ihm über die anderen Beteiligten in dieser Sache bekannt – zumindest nicht öffentlich!
Uwe war nicht „in den letzten Jahren“, sondern mehr als 20!! Jahre lang Landesbeauftragter. Obwohl schon im Rentenalter führte er diese Arbeit nach dem Regierungswechsel 2017 auf ausdrücklichen Wunsch von Minister Laumann fort und wollte es auch noch 2 weiter Jahre tun. Beide kannten (und schätzten) sich bereits aus Laumanns Ministerzeit im Kabinett Rütgers.
Wie auch ich kannten ihn viele Klever schon aus der Schulzeit, als Drummer in „Beat-Bands“, später als Psychologen im LKH und als Freund und Förderer der hiesigen Kunstszene. Es war schon erstaunlich, wie er das alles unter einen Hut bekommen hat.
Uwe war ein Typ – in der Politik, in der Kunst und im Freundeskreis geschätzt und wird – entgegen der hier suggerierten Meinung – vor allem deshalb in Erinnerung bleiben.
Mein Mitleid gilt der Familie, den Angehörigen und Freunden von Uwe Dönisch-Seidel. Ich habe einige Jahre mit ihm in der Forensik der LVR-Klinik Bedburg-Hau zusammen gearbeitet. Auch später als Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug des Landes NRW hatte ich hier und da noch seltene berufliche als auch private Begegnungen. In Erinnerung bleibt mir seine besonnene, sehr menschliche und bodenständige Art mit den Patienten als auch dem Personal umzugehen/kommunizieren. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich ihn traf und ein paar Sätze mit ihm wechseln konnte.
Uwe du hast uns viel bedeutet und warst so besonders. So wie auch die Zusammenarbeit mit dir für die Forensik. Ich bin sehr dankbar für die Begegnung mit dir und deiner Frau in Kleve bei Wein vor ungefähr 8 Jahren und die Projekte die daraus entstanden sind und weiter wirken werden. Wir machen da weiter. Für kreative Selbstermächtigung im Knast.
Respekt Uwe, danke für vieles… warst ein toller Mensch. Ein großer Kunst und Musikfreund. Mein Beileid an die Familie…
Hallo Dicker, wie isset? Hey, Ottze!? So begannen meist unsere Telefonate! Gestern wollte ich dich angerufen haben, wir hatten doch noch vor, mal im Culucu zu jammen! Und jetzt bist Du einfach so gegangen! Ich bin sehr traurig! Aber auch glücklich und froh, dass ich lange Zeit mit Dir in der Musik verbunden war.
SecondChoice war ein Teil meines Lebens und Du warst ein wichtiges Glied, um nicht zu sagen ein gewichtiges Glied in der Band! Deine Schlagzeugsoli waren ein Erlebnis! Deine Bühnenpräsenz einmalig!
Letztes Jahr zu meinem 66sten Geburtstag haben wir ein letztes Mal zusammen gerockt.
Und jetzt? Mann, Dicker, das war zu früh!
Du warst ein wunderbarer Mensch und hast die Bühne, die Du lange Zeit so geliebt hast, viel zu schnell verlassen!
Gabi und der ganzen Familie wünschen wir die Kraft dies zu verarbeiten!
RIP Ottmar, Jutta, Linda und Theresa
Ich kondoliere natürlich auch, mmuuuhschnief. R.I.P.!
Lieber Uwe, wir haben viele Jahre gemeinsam für eine gute Sache gekämpft, die nicht von allen gewünscht wurde und einzig aus diesem Grunde unerfüllt blieb. Viele schöne Gedanken erfüllen meine Erinnerungen an dich und unsere Freundschaft. Ich und meine Frau sind unendlich traurig, dass du so schnell von uns gegangen bist. Deiner Frau, Kindern und Enkelkindern wünschen wir die nötige Kraft.
Eric, Katrin und die Kinder
Das ArToll Kunstlabor trauert um seinen treuen Freund und klugen Ratgeber, der seit der Gründung des Kunstlabors im Jahre 1994 bis zum Jahre 2011 als umsichtiger Vorsitzender des Vereins gewirkt und wichtige Impulse gesetzt hat. Uwe wird uns fehlen. – Unser herzliches Mitgefühl gilt seiner Frau und der Familie.
ArToll Kunstlabor e.V.
Wolfgang Paterok, Vorsitzender
Uwe Dönisch-Seidel war jemand, der nicht anders konnte als sich einzumischen, mitzumischen, etwas zu bewegen. Sein Verdienst, zur Modernisierung der Psychiatrie beigetragen zu haben, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Seine Stärke war sein Wissen darum, selber nicht perfekt zu sein, nicht über den Dingen zu stehen, sondern mittendrin. Psychiatrie und Kunst sind nur scheinbare Gegensätze, hat doch beides sehr viel mit dem Innersten des Menschen zu tun.
Uwe Dönisch-Seidel war eine komplexe Persönlichkeit, auch immer ein Stück auf der Suche, wie die meisten von uns. Leider ist er viel zu früh gegangen.
Er war ein wunderbarer Mensch!
Lieber Uwe,
Danke für das, was du in Kleve für die moderne Kunst getan hast, mit der der Hiesige oft fremdelt. Ich denke an deine Galerie, deinen Einsatz für Artoll für diverse Klever und andere Künstler. Wenige habe wie du in Kleve das getan und geschafft.
werner Steinecke