Schlüsseldienst-Prozess: Angeklagte werden weggeschlossen – „betrügerisches Gesamtkonzept“

Karl Leo S.  soll für sechs Jahre und sechs Monate in Haft

Nachdem Christian Henckel, Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Kleve, geduldig und detailreich die mehrjährigen Haftstrafen erläutert hatte, wandte er sich zum Schluss persönlich an Karl Leo S., den das Gericht als Hauptverantwortlichen ausgemacht hatte. Karl Leo S., so der Richter, habe erwachsene Kinder, denen er als Vater etwas vorlebe. „Sie sollten ihnen, wenn das alles einmal erledigt ist, etwas Anständiges vorleben!“

Wenn das einmal alles erledigt ist, das wird allerdings einige Zeit dauern: In dem aufsehenerregenden Prozess, der Anfang des Jahres begonnen hatte und dem jahrelange Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorangegangen waren, wurde Karl Leo S. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Steuerhinterziehung (100 Fälle) und Vorenthaltens von Arbeitsentgelten (404 Fälle) zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein mitangeklagter Geschäftsführer Christian S., vom Gericht eher als Handlanger gesehen, erhielt wegen der gleichen Delikte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Die beiden Männer aus Geldern hatten die Deutsche Schlüsseldienst-Zentrale betrieben – und damit ein durch und durch unanständiges Geschäft begründet. Es handelte sich, so die Kammer gestern in ihrem Urteil, um ein „betrügerisches Unternehmen“, das Kunden in ganz Deutschland massiv getäuscht habe.

Kern der Täuschung waren die zahllosen Anzeigen in den „Gelben Seiten“, die vorgaukelten, es gebe in allen möglichen Städten ortsansässige Schlüsseldienste. In Wahrheit landeten die Anrufer in einem Callcenter in Geldern, von wo aus dann Monteure ausgesandt wurden, die serienweise unfachmännische Türöffnungen durchführten und dafür auch noch Wucherpreise in Rechnung stellten.

Keine 67 Millionen, keinen Porsche und keine Corvette

Vorsitzender Richter Christian Henckel

Henckel stellte die Frage, wie das Geschäft der Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale wohl ausgesehen hätte, wenn die Anzeigen korrekt formuliert gewesen wären. Er beantwortete sie, an die Angeklagten gewandt, selbst: „Dann hätten Sie sicher keine 300.000 Aufträge bekommen, sicher keinen Umsatz von 67 Millionen Euro gemacht und sicher auch keinen Porsche und keine Corvette gehabt.“

Der Kammer zufolge handelte es sich bei der Deutschen Schlüsseldienst-Zentrale um ein „betrügerisches Gesamtkonzept“, das über Jahre hinweg betrieben wurde. Wirtschaftlich machte das Firmenkonstrukt mit unzähligen, scheinbar selbstständigen Schlüsseldiensten keinen Sinn, die einzige Konstante war nach Auffassung des Gerichts die, „dass auf jeder Stufe eine Bereicherung stattfinden sollte“.

Getäuscht wurden die Menschen, denen die Haustür vor der Nase zugefallen war, und die im Glauben daran, einen örtlichen Spezialisten gerufen zu haben, dreist über den Tisch gezogen wurden und oftmals ein Vielfaches des üblichen Preises für eine Türöffnung bezahlen mussten.

Getäuscht wurden auch die Behörden, denen vorgegaukelt wurde, die Monteure seien selbstständige Unternehmer. So gingen dem Fiskus Lohnsteuereinnahmen sowie Sozialversicherungseinnahmen (1,9 Millionen Euro) verloren.

Hinzu kam, dass die Deutsche Schlüsseldienst-Zentrale dem Finanzamt auch Umsatzsteuer vorenthielt, indem sie den Verdienst der Monteure aus den eigenen Umsätzen herausrechnete. Statt Umsätzen von 66 Millionen Euro wurden so nur 36 Millionen Euro gemeldet. Das allein ergab nach Auffassung des Gerichtes eine Steuerverkürzung von 5,6 Millionen Euro über den angeklagten Zeitraum von neun Jahren.

Zur Rollenverteilung zwischen beiden Angeklagten fand die Wirtschaftsstrafkammer klare Worte. Beide seien für die Taten verantwortlich, allerdings habe Christian S., nominell zwar Geschäftsführer des Unternehmens, eher als eine Art Betriebsleiter fungiert, während Karl Leo S. zwar im Hintergrund blieb, aber in Wahrheit der Mastermind hinter dem ganzen Konstrukt war. „Das größte Talent von Karl Leo S. ist sein Gespür für die Menschen, derer er sich bedienen kann“, so der Vorsitzende Richter.

Über das betrügerische Gebaren des Unternehmens hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Medienberichte gegeben, zudem war Karl Leo S. 2004 wegen dieser Masche bereits einmal verurteilt worden. Daraus habe dieser aber offenbar nur die Lehre gezogen, seinen Betrug fortan noch raffinierter zu vollziehen, so die Kammer. Es ist den hartnäckigen Ermittlungen von Staatsanwalt Hendrik Timmer und seinem Team sowie der akribischen Beweisaufnahme des Gerichts zu verdanken, dass dieser Sumpf nun endlich trockengelegt werden konnte.

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