Drogen für die Welt: Im Darknet verkauft, aus Kleve und Emmerich versandt

Von einem Chalet in der Ferienhaussiedlung Reewold aus gingen Drogen in alle Welt

(Artikel erschien auch in der NRZ) Das Landgericht Kleve befasst sich mit einem spektakulären Fall von Drogenhandel im Darknet – Niederländer soll Postfilialen in Kleve, Emmerich und Rees genutzt haben, um in Tausenden von Fällen Ectsasy, Amphetamine, LSD, Kokain und andere illegale Substanzen zu verschicken

Der Ferienpark Reewold liegt in Putten nördlich der Hoge Veluwe, und wer eines der Chalets in der Siedlung bezieht, sucht vor allem eines: Ruhe. Der Besucher ist umgeben von Wäldern, Wiesen und Mooren, und in einer Rezension im Internet heißt es, im Park gebe es keinerlei kommerzielle Aktivitäten, was dafür sorge, dass es sehr ruhig zugehe. „Die Leute kommen hierher, um sich zu entspannen“, schreibt ein Rezensent.

Zumindest bei einem Besucher scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. Dieser Mann heißt Richard W., ist 33 Jahre alt, Niederländer mit Wohnsitz in Hilversum. Seit Montag steht er als Angeklagter vor Gericht. Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Kleve unter Vorsitz von Richter Jürgen Ruby verhandelt eine Anklage, die die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Köln in akribischer Ermittlungsarbeit zusammengestellt hat.

Für das Gericht in Kleve ist es einer der größten Drogenprozesse der vergangenen Jahre, und es zeichnet sich ab, dass die Verhandlung viele Einblicke darin gewähren wird, wie die Kriminalität mit illegalen Substanzen heutzutage abläuft – und zwar in jenem Teil des Internets, der als Darknet bezeichnet wird. Dort wird auf Plattformen, die wie eBay funktionieren, anonym mit allem gehandelt, was verboten ist. Bezahlt wird in virtuellen Währungen.

95 Seiten Text umfasst die Anklage, die Staatsanwältin Lisa Klefisch am Vormittag in zwei Stunden vortrug. Es geht um gewerbsmäßigen Handel mit sowie um Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, insgesamt handelt es sich um 126 Fälle aus den Jahren 2017 und 2018, die wiederum eine Essenz aus rund 3400 Fällen bilden, die die Ermittler rekonstruieren konnten. 

Dass der Fall in Kleve verhandelt wird, liegt daran, dass am Ende der Geschäfte, die im virtuellen Raum stattfinden, doch noch ein realer Vorgang vonnöten ist – der Versand der Pakete. Richard W. packte die Sendungen, so die Anklage, in seinem Ferienhaus in Reewold ab und fuhr dann in wechselnden Autos, unter anderem mit einem 7er BMW, über die Grenze, um sie von deutschen Postfilialen und Packstationen in Kleve, Emmerich und Rees aus zu verschicken.

Vom Niederrhein ging die Ware in die ganze Welt, die Staatsanwältin listete namentliche Empfänger von Calgary in Kanada bis Christchurch in Neuseeland auf. Versandt wurde praktisch alles, was der Drogenmarkt so hergibt – LSD, Amphetamin, MDMA (und entsprechende Derivate), Chrystal Meth, Kokain, Ecstasy-Tabletten (ein Produkt hieß „F1 Max Verstappen“), Marihuana und Haschisch.

Die Lieferungen nach Übersee soll der Angeklagte zur Tarnung in Lautsprecherboxen oder Luftpumpen verpackt haben. Immer wieder fielen Sendungen bei Kontrollen auf, dennoch konnte die Spur offenbar lange Zeit nicht zurückverfolgt werden, unter anderem auch, weil W. fingierte Absenderadressen genutzt haben soll. 

Auf der Darknet-Handelsplattform Dream Market genoss der Angeklagte, der dort unter einem Pseudonym agierte, trotz gelegentlicher Lieferungsausfälle größtes Ansehen. Er hatte reihenweise 5-Sterne-Bewertungen und wurde auf der Plattform als „Vendor“ geführt, was einer Auszeichnung gleichzusetzen ist.

Auf die Spur von Richard W. kamen die Ermittler offenbar, weil in zwei Fällen verdeckt agierende Fahnder Geschäfte mit dem Mann abwickeln und zurückverfolgen konnten. Nach der Festnahme Ende vergangenen Jahres stellten Polizeibeamte in einem Schuppen, der zu dem Chalet gehört, mehr als 30 Kilogramm Drogen sicher, versteckt in einem Gefrierschrank und in einer Waschmaschine. Kokain lagerte in einem Eimer, laut Anklage 1,2 Kilogramm. Die Erlöse aus den Verkäufen sollen sich laut Anklage auf mindestens 578.000 Euro belaufen. 

Staatsanwältin Klefisch übergab dem Gericht nach Verlesung der Anklage noch weitere Ermittlungsakten. Diese betreffen offenbar weitere Aktivitäten auf einer anderen Handelsplattform. Dabei handelt es sich um den Wall Street Market – was insofern interessant, als dass einer der Betreiber dieser Plattform ein 22 Jahre alter Klever ist, dessen Verhaftung Ende April weltweit Schlagzeilen machte. Diese Fälle seien aber „noch nicht Gegenstand des Verfahrens“, so die Anklägerin.

Der Prozess wird am Mittwoch um 10 Uhr fortgesetzt. Der Verteidiger von Richard W. kündigte für den zweiten Prozesstag eine Erklärung des Angeklagten an. 

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