(1/24) B.O.S.S. Medien vor dem Ende: Alle Mitarbeiter gekündigt, Lage „sehr ernst“

Vor gerade einmal zwei Wochen verschickte die Druckerei B.O.S.S. Medien GmbH, seit einigen Jahren in Goch ansässig und zuvor eine feste Größe in der Klever Unternehmerschaft, einen Newsletter an ihre Kunden. In dem Mailing wurde stolz verkündet, für eine Auszeichnung nominiert worden zu sein und damit „zu den besten Druckern des Jahres 2016“ zu gehören.

Einer der besten – sicher. Wirtschaftlich erfolgreich – leider nein: Nicht einmal eine Woche nach dem Versand stellte der Geschäftsführer des Unternehmens, Dirk Engelen, den Antrag, die seit Ende 2015 geltende „Insolvenz in Eigenverwaltung“ aufzuheben. Das Amtsgericht Kleve gab dem Antrag statt und setzte den bekannten Düsseldorfer Rechtsanwalt Horst Piepenburg als Insolvenzverwalter ein.

Dem Juristen blieb angesichts der desolaten Lage des Unternehmens keine andere Wahl, als keine vier Wochen vor Weihnachten allen rund 70 Mitarbeitern die Kündigung auszusprechen. „Die Situation ist sehr ernst“, so Piepenburg im Gespräch mit kleveblog.

Wer die Produktionsräume der Druckerei im Gewerbegebiet Goch-West betritt, mag das kaum glauben. Die Maschinen laufen hochtourig, zahlreiche Aufträge warten noch darauf, erledigt zu werden.

Doch die Zukunft sieht anders aus, neue Aufträge fehlen. Als bei B.O.S.S. die Kunden im Oktober, dem ersten der normalerweise in der Druckbranche umsatzstarken „Weihnachtsmonate“, ausblieben, zog die Geschäftsführung die Notbremse.

„Bitter“, so Geschäftsführer Dirk Engelen, sei dies für die Beschäftigten nach fast einem Jahr des engagierten Kampfes um den Erhalt des Unternehmens. Nun werde der vorhandene Auftragsbestand abgearbeitet, zum Ende des Jahres sei Schluss. Je nach Kündigungsfrist laufen die Arbeitsverträge noch bis Ende Februar. Rechtsanwalt Piepenburg hat mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung zum Interessenausgleich abgeschlossen.

Die Abwicklung der Insolvenz ist das vermutlich traurige Ende eines Traditionsunternehmens aus dieser Region. Ursprünglich war die Firma ein Familienunternehmen, das in der Klever Stadtmitte ansässig war. Der Klever Boss-Verlag wurde 1872 vom Winfried Romen gegründet, der sich als Herausgeber des Clevischen Volksfreunds häufig mit der Obrigkeit anlegte und zigmal vor Gericht stand. Als er den Ärger leid war, verkaufte er seinen Verlag 1875 an Friedrich Boss, Lehrer an einer katholischen Armenschule.

Boss starb allerdings nur neun Jahre später, 1884, im Alter von nur 44 Jahren. Von da an führte seine Witwe Gertrud Boss den Verlag. Heute erinnert eine nach ihr benannte Straße im neuen Gewerbegebiet an der Querallee an die erfolgreiche Geschäftsfrau, die den Grundstein dafür legte, dass das Unternehmen als Buchverlag einiges Renommee erlangte.

Der Glanz hielt sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, unter anderem, weil Boss die Herstellung der berühmten Dumont-Kunstreiseführer verantwortete, die damals, in Vor-Internet-Zeiten, jeder Bildungsreise mit sich zu führen hatte, wenn er auf seinen Urlauben kein Museum und keine Kirche auslassen wollte.

B.O.S.S. in Goch: Neuer Firmensitz seit zehn Jahren (Foto: B.O.S.S.)
B.O.S.S. in Goch: Neuer Firmensitz seit zehn Jahren (Foto: B.O.S.S.)

Als Boss Mitte der achtziger Jahre in eine Schieflage geriet, übernahmen die leitenden Angestellten die Firma. 48 Mitarbeiter blieben in der neuen B.O.S.S. Medien GmbH. Die eigentümliche Schreibweise mit den Punkten zwischen den Buchstaben hatte juristische Gründe. 2004 kaufte B.O.S.S. Medien die Klever Druckerei Bösmann, 2006 erfolgte der Umzug in ein neu errichtetes Gebäude im Industriegebiet West in Goch.

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11 Kommentare

  1. 11

    @ 5

    Bösmann ist sehenden Auges in den Untergang und keineswegs Opfer von irgendwelchen bösen Grundstücksspekulanten. Bspw fertigte man dieses Quiksnap Einwegkameras für Fuji, ein Markt der mit auftauchen der Digitalfotografie völlig eingebrochen ist. Außerdem war die Druckerei auf Grund völlig veralteter Technik nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Laden ist von heute auf morgen geschlossen worden, Halle/Maschinen/Lager/Büros nahezu sämtliches Inventar wurde entsorgt, 90% der Maschinen in den Schrott, neue hochwertige Druckerzeugnisse die noch auf Lager waren bspw. für BMW Motorräder in den Container. Kartons mit Heftchen über Schenkenschanz habe ich persönlich wieder aus dem Müll geholt und unter Schänzern verteilt. Was da alles entsorgt wurde war für mich als Laien schon eine Schande, jeder Druckereimitarbeiter hätte wohl Tränen in den Augen gehabt aber Fakt ist dass das Zeug niemand haben wollte und zig cbm zur Deponie gefahren wurden.

    Was den Garten angeht kann ich Dich beruhigen, der Sondermüll (Lacke etc. ) wurde fachmännisch entsorgt. Weiß ich noch so genau weil die Säcke 😉 von Loock das Farbenlager fotografiert hatten und als Schweinchen Schlau = ich 2 Minipöttchen von zuhause dazu gestellt hat, ist das doch tatsächlich aufgefallen :-/ .
    Nach Abbruch musste das gesamte Grundstück auf Altlasten untersucht werden und bei einer kleinen gefundenen Verdachtsfläche wurde der Boden teuer ausgetauscht.

    Will sagen, an dem Grundstück hat sich niemand gesund gestoßen, kannste mir glauben. Die Verwertung war purer Stress u. a. mit der Lokalpolitik, Udo Janssen war nach jahrelangem Stillstand nicht davon zu überzeugen einer angepassten Bebauung zuzustimmen und hat unseren Vorschlag, der von den Fachausschüssen für positiv befunden wurde, mit einer haarsträubenden Begründung ablehnen lassen. Das genauer auszuführen würde unbeteiligte langweilen es war einfach nur lächerlich, man könne auf Wünsche von Grundstückseigentümern nicht eingehen weil bla bla und basta.

    Geholfen hat uns seinerzeit übrigens der viel gescholtene Herr Rauer. Der sitzt viel zwischen den Stühlen und hat mit Sicherheit nicht den einfachsten Job. Er hatte ein offenes Ohr für unsere Nöte und sich geschickt für uns eingesetzt. Letztendlich hat er mit dafür gesorgt, dass unser kleiner Handwerksbetrieb weiter existieren konnte und in 2015, nach über 10 Jahren, das Bauvorhaben Bösmann endlich abgeschlossen wurde. Ãœbrigens genauso wie das kleine Handwerksunternehmen 1981 – 2015 *snief*

     
  2. 10

    1972 hab ich mich bei Bösmann beworben – te Neues Verlag in Kempen hat mich als Lithograf genommen – wir waren damals ca.50 Lithografen -nennt man heute Mediengestalter – 🙂 es war in der Lehre eine lustige Zeit – Mülleimer leer machen – Bier holen usw. wir war 500 Leute der Laden lief – den gibtet immer noch aber anders – wir haben für die besten Fotografen und Agenturen gearbeitet – danach ganz schnell nacht ORT in Krefeld – wir waren damals 25 – nach 4 Jahren 125 – den Laden gibtet immer noch heist aber anders – mein Chef ist mit über 80 immer noch Chef – nach 3 Monaten rief er mich in sein Büro – und er steigerte alle 6 Monate mein Gehalt auf um 30% – wir machten so im Monat 160 Ãœberstunden – ab der 20.ÃœB wurde es BlackMoney – frei Saufen + Fressen ab 19.00 Uhr – es war eine schöne Zeit
    wie ich anfing bekamen wir ein Trommel-Scanner -kostete damals 250.000 DM – nach 4 Jahren standen da 5 – da mein Chef mich als Scannermensch brauchte – hab ich gekündigt – und 125 Leute hatten freisaufen –
    https://www.facebook.com/ORT-Medienverbund-GmbH-154390854598198/

    da wir für die besten Fotografen der Welt gearbeitet haben und die Dias lagen vor unseren Augen lernt man ein bischen und macht sich …. damals alles analog

     
  3. 9

    Mit Preisen bezahlt man halt keine Löhne.

    Ich erinnere mich das bei Bösmann auch mal ein Künstler aufschlug, den Druckjob gab man BOSS weil der wirtschaftlich nicht durchführbar war. Dort wurde das gemacht, ob dass allerdings irgendwie Gewinne einbrachte das weiss (und glaube ich) nicht

     
  4. 8

    Hallo!

    Als ehemaliger Mitarbeiter kann ich nur sagen, diejenigen die dort gekämpft, verzichtet und ihr Bestes gegeben haben, waren die Mitarbeiter. Das nicht erst seit der Insolvenz. Sie waren und sind das größte Kapital dieser Firma. Nur wurden sie, trotz teilweise jahrzehntelanger Erfahrung nicht ernst genommen. Investitionen wurden nicht getätigt, Innovationen gab es selten und wenn dann meist zu spät. Auch die Prestigeträchtige Ausrichtung der Aufträge, am liebsten Kunst, mit der man zwar Preise gewinnen kann, die sich in der Lokalpresse gut vermarkten lassen, hat meiner Meinung nach nicht wirklich zum wirtschaftlichen Erfolg beigetragen. Viel zu kleine Auflagen, zu hohe Rüstzeiten und erst recht hohe Standzeiten, ich sag nur Farbabnahme mit dem Kübstler, der seine Exponate dann auch gleich nochmal mitgebracht hat. Erstaunlicherweise haben die Mitbewerber in der Region, die sich den eher den Auflagestärkeren einfacheren Druckerzeugnissen gewidmet haben, Erfolg. Ehemalige Kollegen wissen von welchem Unternehmen ich in erster Linie spreche. Ich hätte der guten Druckerei mit seinen fähigen und motivierten Leuten eine sichere Zukunft gewünscht. Schade, dass es so weit kommen musste.

     
  5. 6

    Kommentar Mitarbeiter
    Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass mein Ex-Chef oder sein Vater hinter diesen Zeilen steht und versucht mich hier schlecht zu machen. Ihre Vermutung ich würde niemanden etwas gönnen ist sowas von falsch. Ich gönne jedem, der Rechtschaffen und Ehrlich nur das Beste, nur ich habe von meinen Eltern gelernt, man sollte auch für Dinge geradestehen, die man zu verantworten hat. Allein der Satz es gibt auch Mitarbeiter, die sich für den geleisteten Einsatz bedankt haben, läßt Rückschlüsse zu Ihrer Person vermuten. Entweder Sie sprechen in der Einzahl, für sich selber oder Sie haben Insiderwissen. Gottesfürchtig ist für mich nichts negatives. Es ist für Sie ja so leicht, als „Mitarbeiter“ anonym zu bleiben. In der Deckung bleiben und alles schönreden.

     
  6. 5

    Bei Bösmann damals war es wohl so das Banken keine Kredite zur Modernisierung geben wollten. Einfach weil das Grundstück mehr wert war als,die Firma und die Arbeitsplätze dadrauf

    Aus dem Garten würde ich allerdings nichts Essen

     
  7. 4

    Ich glaube nicht, dass man unbedingt (auch wenn man dort arbeitet) beurteilen kann, wie, wann und wo jemand (hier der Geschäftsführer) was geleistet hat oder nicht. Wenn dieser evtl. nicht anwesend war, heißt dieses nicht gleichzeitig, dass er nichts getan hat. Er hat Termine mit Banken und Investoren, Kundentermine, Gespräche mit Anwälten/Insolvenzverwaltern geführt etc. Dieser Unterstellung ihrerseits, wohnt ein gewisser Grad der Anmaßung inne. Und wer bei seinen Leisten bleiben soll, dass könnten Sie sich evtl. selbst mal „fragen“! Aus ihrem Artikel entnehme ich, dass Sie Menschen nichts Gutes „gönnen“ und gottesfürchtig auf Gerechtigkeit hoffen, naja … was wissen Sie denn schon über die genauen Umstände der Insolvenz ? Vielleicht ein Halbwissen („wer nichts sehen kann ist blind, wer nichts hören kann, hört immer noch einiges dazu“/ Nietzsche). Es braucht am Ende immer einen Schuldigen. Insolvenzen rühren aus X-Faktoren. Hier spielen Banken eine nicht unwesentliche Rolle und ebenso diese, welche mit Ihnen verhandeln. Den längeren Atem/Arm haben am Ende wahrscheinlich die, welche am Geldhahn drehen/oder eben nicht drehen können. Die Druckbranche ist in den letzten Jahren hart umkämpft und selbst renommierte Druckereien sind insolvent gegangen. Nur zum Verständnis, ich habe auch bei B.O.S.S gearbeitet und sehe die Dinge anders!Kein Geschäftsführer bringt sich leichtfertig in so eine Situation und verliert mitunter sein gesamtes, eingebrachtes Vermögen.
    Es gibt auch Mitarbeiter, welche sich für den geleisteten Einsatz aufrichtig bedankt haben, anstatt alles „mies zu reden“!

     
  8. 3

    Ja, ja unser Geschäftsführer hat gekämpft. Da kann ich nur lachen. Sein Kampf bestand darin, oft abwesend gewesen zu sein. Mitarbeiter mit nichtssagenden Floskeln über Monate zu beschwichtigen . Da kann ich nur sagen „Schuster bleib bei deinen Leisten“ heißt, was man nicht kann, davon sollte man die Finger lassen. Ich hoffe das alles aufgearbeitet wird und bin gespannt, was noch alles ans Licht kommt. Uns wird das nicht mehr helfen, aber ich hoffe auf Gerechtigkeit.