Unser distanziertes Leben: Bürovermummung, Youtubeerstkommunion, und wie bitte soll Bürgernähe im Wahlkampf möglich sein?

Corona-Lagesitzung im Kreishaus (Foto: Kreis Kleve)

(Heute ist ja schon Freitag! Aktualisiert, jetzt mit der Zahl der Neuinfektionen) Zuletzt habe ich so viele Menschen mit Mundschutz gesehen, als Prof. Braun in einer beherzten Aktion mein lädiertes Knie wieder zusammenflickte (die älteren Leser werden sich erinnern: Quadrizepssehnenruptur nach Fahrradsturz). Da aber war nach einer halben Stunde, die zudem ich die Gnade hatte, in Vollnarkose verbringen zu dürfen, alles vorbei.

Jetzt aber scheint die Bedeckung des Gesichts, zum eigenen und zum Schutz anderer, zu einer alltäglichen Erscheinung zu werden. Aktuell meldet der Kreis Kleve in seinen Städten und Gemeinden 22 neue Infektion, die Zahl der Todesopfer ist um einen Menschen, einen 82 Jahre alten Mann aus Kleve, auf 14 gestiegen. Montag sollen die kleineren Geschäfte wieder öffnen (Faustregel für Kleve: alles außer Saturn, H&M, Kaufhof, Woolworth, C&A, Mensing Kavarinerstraße), in einer Woche, am 27. April, will auch die Stadtbücherei wieder öffnen. Von einer Rückkehr zur Normalität zu sprechen, erscheint dennoch vermessen.

„Wir müssen leider davon ausgehen“, sagt Landrat Wolfgang Spreen, „dass diese besonderen Umstände noch für unbestimmte Zeit andauern werden.“ Selbst wenn Montag mit der Öffnung der Geschäft ein wenig Normalität wieder Einzug hält, werden der Hygieneabstand an der Supermarktkasse, der große Bogen um den entgegenkommenden Passanten in der Fußgängerzone, die Begrüßung ohne Handschlag und schon gar nicht mit Küsschen links, Küsschen rechts sowie die großflächige Verhüllung des Gesichts (die noch vor wenigen Wochen in Teilen der Bevölkerung verdammt wurde (da allerdings, weil Zeichen einer Religion)) der Normalzustand unseres Zusammenlebens.

Wird gestreamte Gottesdienst aus einer leeren Kirche der neue Standard für die Ausübung des Glaubens? Youtubeerstkommunion, Skypebeichte? Wie ist der Klever Klaviersommer vorstellbar, wie kann man sich die Kirmes am Montag Abend in Materborn vorstellen. Der VfL Merkur Kleve hat gerade seine lange vorbereiteten Jubiläumsfeierlichkeiten zum 125-jährigen Bestehen abgesagt.

Und, wo wir gerade beim Verbot von Großveranstaltungen bis zum 31. August sind, wie sollen Politiker bis zum 13. September, dem Tag der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, noch Bürgernähe unter Beweis stellen. Klassisches Klinkenputzen, der Kugelschreiberverteilstand in der Fußgängerzone – alles kaum vorstellbar. Wäre es nicht sogar ein Zeichen besonderer Verantwortung, wenn sich Kandidaten als potenzielle Super-Spreader, die sie ja sind, möglichst bürgerfern verhielten? FDP-Mundschutz als Giveaway?

Tennisspieler wollen nun wieder ihren Sport ausüben, ein Ansinnen, das nachvollziehbar erscheint, denn die Kontrahenten kommen sich normalerweise nicht allzu nahe. Aber wann wird auf den Fußballfeldern des Kreises wieder gekickt, wann sind die Sporthallen wieder geöffnet? Und, wenn es so weit ist, welche Einschränkungen wird es geben?

Der Alltag, wie wir ihn über Jahre kannten, hat sich gerade einmal 32 Tage verabschiedet, und er wird, wie es scheint, in seiner früheren, sorglosen Ausprägung erst einmal nicht wiederkehren. Aber hoffen wir, dass das, was vielleicht schon gar nicht mehr genug zu schätzen gelernt hatten, bald zurückkehrt – und unser aller Leben vielleicht bereichert worden ist um ein wenig mehr Bewusstsein für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens!

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15 Kommentare

  1. 13

    …wo ist Wilfried ?! Ganz versteckt, halb verdeckt, irgendwo – aber nicht im Wald.

     
  2. 11

    Zum angemessenen Verhalten: Heute fuhr eine Frau mittleren Alters mit ihrem SUV beim Metzger Terhoeven vor scherte sich nicht um die ordnungsgemäße Warteschlange und rannte in aufmüpfiger Weise an allen vorbei in den Laden. Solchen Leuten verdanken wir es, wenn die Wiederherstellung der Normalität noch lange dauert. Dreistigkeit ist nicht auszuräumen.

     
  3. 10

    Passt nicht ganz zum Thema, aber wenn wir schon mal beim Erfahrungensammeln sind. Mein Mitgefühl für alle Haustiere, deren Freiheit sich bewegen zu können sehr beschränkt ist, hat drastisch zugenommen. Dabei haben wir bis jetzt nur die erträglichere Variante nicht den Hausarrest erlebt. Man stelle sich ein Leben wie Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen und Co in einem Zimmer (vgl. Käfig) vor. Selbst ein Leben ähnlich dem von ausschließlich in der Wohnung gehaltenen Katzen, die immerhin alle Räumlichkeiten der Wohnung betreten können, ist in dem 32-tägigen Großversuch (notwendig und dem Anlass angemessenen) als dem inneren Gleichgewicht abträgliche Maßnahme bewiesen. Änderungen nach dem Coronavirus: Tierklappen in allen erdenklichen Größen um den kleinen und größeren pelzigen und gefiederten Mitbewohnern Lebensqualität zu schenken? Kleintierspielplätze für Kaninchen etc, die zur Miete in einer Wohnung ohne Garten wohnen?
    Wege extra für Tiere zum Spazierengehen ohne Autos, Radfahrer und Fußgänger? Parkanlagen zur Naherholung für die Tiere unter uns? Die Nach-Coronavirus-Zeit wird spannend!

     
  4. 9

    8.) 👋🏼👋🏼 Keine Sorge ,meine Trauer und Verzweifelung hält sich in „engen Grenzen“ 🙄.. 😁.. 🍻

     
  5. 8

    @7. Guenther Hoffmann

    Ihre Worte klingen sehr traurig und verzweifelt.

    Jeder Mensch hat auf irgendeine Weise seine Päckchen zu tragen. Ich habe immer erfahren und gelernt, dass man soviel aufgebürdet bekommt, wie man tragen kann.

    Das lässt mich immer wieder neu hoffen und danken, auch für die Mitmenschen!

    Es sind nicht nur leere Worthülsen, sondern auch oft schmerzliche Erfahrungen.
    Deshalb bin und bleibe ich im Grunde meines Herzens ein Optimist.

     
  6. 7

    6.) Sie sind zu beneiden und das meine ich wirklich so. Den EINEN habe ich bei allem Elend das ich gesehen und erlebt habe leider nie gesehen und seine Gnade wohl auch verpasst. Da hält sich meine Dankbarkeit leider auch in Grenzen .

     
  7. 6

    @5. Guenther Hoffmann

    Wir können nur EINEM, der über allen ist, dankbar sein, dass er gnädig mit uns allen ist!
    Der „Gewinner“ ist wirklich leider, Pharma, und nicht das Gesundheitswesen für die Allgemeinheit.

    @ 3. Warten auf besseren Zeiten
    Es ist keinesfalls „leichtfüßig“ gemeint, sondern sehr demütig, dankbar und vertrauensvoll dem Schicksal gegenüber.

     
  8. 5

    1.) Das Groß Kapital mit 0 Empathie, der Tyrannosaurus Rex der aktuellen „Zivilisation“, 🙄 will gefüttert werden. Wenn schon keine Kriege ( Best Business überhaupt 👍🏼 ) dann halt ein Virus dessen „Gewinnler“ (PHARMA ? 🤫 ) sich auf Dauer auch nicht verstecken können. 🤔

     
  9. 4

    Der Link funktioniert, obwohl richtig, wegen der Doppelpunkte nicht, deshalb kopieren oder gleich eingeben: 2018er Epicuro Montepulciano d’Abruzzen D.O.C. Il Fondatore – 5,60 Euro das Fläschchen bei Wein Peters.

     
  10. 3

    Frage mich gerade, ob der Name der Rubrik passend ist. rd schreibt: „Der Alltag, wie wir ihn über Jahre kannten, hat sich gerade einmal 32 Tage verabschiedet, und er wird, wie es scheint, in seiner früheren, sorglosen Ausprägung erst einmal nicht wiederkehren.“ So scheint es zu sein. Und ganz ehrlich, das muss man erstmal verdauen. Nicht alle sind so leichtfüßig unterwegs wie Optimist. Und das bedeutet noch nicht mal Pessimismus. Dem Akzeptieren solcher Veränderungen geht ja ein Prozess voraus. Bei mir ist der noch nicht abgeschlossen.

    Hier erstmal folgende Empfehlung: https://www.wein-peters.de/Italien/2018er-Epicuro-Montepulciano-dAbruzzen-D-O-C-Il-Fondatore::705.html – der Montepulciano ist gut trinkbar, erschwinglich und die Flasche sieht ansprechend aus.

    Zum Wohle – auf die Gesundheit!

     
  11. 2

    Ich weiss, jetzt krieg ich ein aufs Dach…..

    Aber wäre es nicht hilfreicher, die CDU-Politiker würden statt Mundschutz tragen einfach so die Klappe halten?

    Das würde AUCH die Coronagefahr minimieren.

    😀

    (P.S. Wenn Ronald Pofalla „Klappe halten“ zu Karl Lauterbach sagen darf, nehme ich mir die Meinungsfreiheit hier auch heraus)

     
  12. 1

    Es ist gut, wenn man das Leben nimmt, lebt und liebt, wie es ist. Wenn man selber etwas ändern kann, macht man es, wenn nicht, dann nicht.

    Wenn diese C-Zeiten vorbei sind, kommt wieder irgendeine Grippe- oder andere V-Welle.
    (Die Forschung muss „gefüttert“ werden)